Themenschwerpunkt zu "Gefährdungen der Menschenrechte und Demokratie am Beispiel von TTIP" (original) (raw)
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TTIP-Rechtsschutz zu Ende denken
2015
TTIP-Rechtsschutz zu Ende denken | Verfassungsblog verfassungsblog.de /ttip-rechtsschutz-zu-ende-denken/ Vergangene Woche hat die EU-Kommission ihren Reformvorschlag für das Investitionsschutzkapitel im geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) vorgestellt. Die zahlreichen Verbesserungen setzen in vielen Punkten Maßstäbe und sind zu Recht überwiegend positiv aufgenommen worden. Eine grundsätzlichere, auch jetzt wieder aufgeworfene Frage bleibt allerdings weiterhin offen: Warum sollen nur ausländische Investoren, nicht aber einheimische Unternehmen, Verbraucher und Arbeitnehmer, die jeweils zu ihren Gunsten vereinbarten Schutzstandards einklagen können? Ist die einseitige Klagemöglichkeit nicht ein ungerechtfertigter Vorteil ausländischer Investoren gegenüber anderen von TTIP betroffenen Personen und Gruppen? Der "Privilegierungseinwand" und ein zu erwartendes Ungleichgewicht Dieser "Privilegierungseinwand" wurde bislang eher als wenig spezifiziertes politisches Schlagwort vorgebracht. Er geht aber von der zutreffenden Grundannahme aus, dass neben ausländischen Investoren auch einheimische Unternehmen sowie Verbraucher und Arbeitnehmer zukünftig (untechnisch gesprochen) Marktteilnehmer der gemeinsamen transatlantischen Freihandelszone sein werden. Sie werden dort untereinander und zu ausländischen Investoren in Wirtschaftsbeziehungen und z.T. auch wirtschaftlichen Wettbewerb treten. Auch ihre Rechte und Interessen werden von TTIP berührt werden. Im Verhältnis ausländischer Investoren zu diesen anderen Gruppen zeichnet sich nach wie vor ein Ungleichgewicht ab: Dieses äußert sich einerseits darin, dass materielle Schutzstandards-z.B. Arbeitsstandards-voraussichtlich weit weniger stark im Vertragstext verankert werden als der Investitionsschutz (dies gilt zumindest für bisher bekannte Texte, etwa zu CETA). Dazu kommt aber auch ein Ungleichgewicht bei den Durchsetzungsmöglichkeiten: Selbst, soweit Schutzvorschriften in TTIP aufgenommen werden (was zumindest in bestimmten Bereichen zu erwarten ist), wird es voraussichtlich keine Möglichkeit für einheimische Unternehmen sowie Arbeitnehmer und Verbraucher geben, solche Schutzstandards vor einer TTIP-Streitbeilegungsinstanz geltend zu machen. Im Verfahren vor einem TTIP-Gerichtshof bliebe ihnen im Wesentlichen nur eine reaktive Rolle: Sie könnten entweder in einem zuvor von einem Investor begonnenen Klageverfahren an der Seite des beklagten Staates intervenieren (ohne dabei aber eigenständige Streitgegenstände einbringen zu können) oder als amicus curiae auftreten (siehe jeweils Sec. 3 Art. 23 TTIP-Vorschlag). Dagegen werden sie-anders als Investoren-voraussichtlich keine Möglichkeit haben, die Einhaltung der ihrem Schutz dienenden Vorschriften initiativ einzuklagen. Diese Verschiebung der Balance zugunsten ausländischer Investoren kann in der Vertragspraxis dazu führen, dass diese ihre Interessen besser zur Geltung bringen können, während umgekehrt hinsichtlich der übrigen Marktteilnehmer Umsetzungsdefizite auftreten können.
TTIP und die Schiedsgerichte - eine sozialethische Kritik
Vortragsmanuskript Im vergangenen Jahr trat ein Thema in das Zentrum gesellschaftlicher Aufmerksamkeit, das an sich nicht neu ist, aber dessen Ausmaße und Auswirkungen erst in den letzten Monatennicht zuletzt durch das Bekanntwerden einzelner Verhandlungsdetails -jenseits von Aktivistenkreisen erkannt wird. Dass der Präsident des Europaparlamentes, Martin Schulz, das Votum über TTIP -vorgesehen für den 10. Juni -im Europaparlament auf Grund der Vielzahl an Änderungsanträgen vertrag hat, zeigt einmal mehr den bleibenden Diskussionsbedarf. Es ist ein Unbehagen und eine Empörung in Teilen der Gesellschaft zu erkennen, wenn es um die Freihandelsabkommen der EU mit Kanada CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) und mit USA TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) geht; eine moralische Intuition, oft auch nur ein diffuses Gefühl, das indiziert: Hier stimmt etwas nicht. Ethik im Allgemeinen, die christliche Sozialethik im Besonderen, tut gut daran, solche moralischen Stimmungen wahrzunehmen. Sie tut ebenso gut daran, die -emotionale -Intuition in eine sachliche Reflexion zu überführen, um das Problem zu erkennen, zu verstehen und zu seiner Lösung beizutragen. Das möchte ich im Folgenden tun. Angesichts der Komplexität des Themas beschränke ich mich auf wenige zentrale Aspekte. In einem ersten Teil werde ich kurz einführen, worum es in den Freihandelsabkommen geht und welche Probleme damit verbunden sind. Im zweiten, ausführlichen, Teil werde ich einen dieser Streitpunkte, die Internationalen Schiedsgerichte für Investitionsschutz erörtern. Ich werde die These vertreten, dass die durch die geplanten Abkommen begünstigte Form der Schiedsgerichtsbarkeit eine ernstzunehmende Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit mit sich bringt und ungerecht ist. 1. Freihandelsabkommen Die Grundidee von Freihandelsabkommen ist es, durch den Abbau von Handelshindernissen den Freihandel zu erleichtern, um für alle Beteiligten (durch Außenhandel) die Wohlfahrt zu steigern. Hinsichtlich der Handelshindernisse unterscheidet man tarifäre und nicht-tarifäre. Tarifäre Hemmnisse sind v.a. Zölle. Als vor zweihundert Jahren durch David Ricardo die
TTIP und die Funktionsbedingungen moralisch rechtfertigbarer Märkte
Der Beitrag stellt, aufgehängt an der Debatte um TTIP, einige Fragen nach den grundsätzlichen Funktionsbedingungen von Märkten. Obwohl die Rede von der „unsichtbaren Hand“ umfassende Selbstregulierungsmechanismen suggeriert, hängen Märkte von vorgelagerten Institutionen, insbesondere Eigentumsrecht und Vertragsrecht, ab. Um moralisch rechtfertigbar zu sein, müssen sie aber weitergehend reguliert werden, um Schädigungen, sei es innerhalb von Transaktionen, durch externe Effekte auf Dritte, oder durch Schädigungen ganzer Gesellschaften, zu verhindern. Investorenschutzabkommen widersprechen dem Prinzip, dass das letzte Wort in diesen – durchgehend normativen, nie rein technischen – Fragen demokratisch legitimierten Parlamenten und/oder Gerichten zukommen muss. Der Kampf um TTIP zeigt, dass das in der Vergangenheit oft vorliegende Diskursmuster von „mehr Markt“ versus „mehr Staat“ nicht ausreicht. Vielmehr geht es um die fundamentale politische Verfasstheit von Märkten und um die Macht der Regelsetzung.
Art. "Demokratie und Menschenwürde"
Wörterbuch der Würde, hrsg. von Rolf Gröschner, Ante Kapust & Oliver W. Lembcke, Paderborn/Stuttgart 2013, 308-310., 2013
Menschenwürde und Demokratie lassen sich zu den "essentially contested concepts" (Walter B. Gallie) zählen. Beide Begriffe sind fester Bestandteil sowohl lebensweltlicher Verständigung als auch disziplinärer und transdisziplinärer Wissenschaftsdiskurse; zugleich herrscht in keinem dieser Kommunikationsbereiche über Art und Umfang der Beschreibung (Phänomenebene) oder über Zweck und Mittel der Verwirklichung (Zielebene) Einigkeit. Eine begriffliche Verhältnisbestimmung ähnelt daher einer Gleichung mit mehreren Unbekannten, zu deren "Lösung" jedoch ein Rekurs auf die Menschenrechte beitragen kann.
Tagungsbericht: Elemente einer diskursiven Grund- und Menschenrechtstheorie
ARSP, 2022
Aus Anlaß des 75. Geburtstages von Robert Alexy am 09. September 2020 fand, pandemiebedingt um ein Jahr verschoben, Ende September 2021 ein Symposium an der Universität Bayreuth statt. 23 Referenten fanden sich mit dem Jubilar in Bayreuth ein, wenn auch zum Teil nur virtuell zuge- schaltet, um ausgewählte Aspekte seiner Rechtsphilosophie als einer diskursiven Grund- und Menschenrechtstheorie zu diskutieren. Das Symposium umfasste insgesamt neun Panels, aufgeteilt auf drei Tage, mit jeweils sieben Vorträgen (je drei vormittags und zweimal zwei nachmittags) sowie drei Abendvorträgen, jeweils gefolgt von offenen Diskussionen im Kreise der Teilnehmer.