Magnetopathen, Hellseher und Spiritisten: Okkultismus in Freiburg 1880-1945 (original) (raw)
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Imaginationen des Okkulten in dominant-männlichen Wissenslandschaften [Freiburg, June 2017]
Narrative, die das heterodoxe Feld esoterischer, magischer oder sonst wie okkulter Strömungen, Bewegungen oder Traditionen benennen und kategorisieren wollen, um diese beispielsweise zu rationalisieren und zu "entzaubern", zu marginalisieren oder zu stigmatisieren, sind in den historischen Wissenschaften nicht erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts weit verbreitet und (als Rejected Knowledge) fest verankert, sondern gehen -wie die Geschichte westlicher Häresien zeigt -oftmals auf die historischen Wurzeln dieser Traditionen in der Spätantike zurück. Für die Genese der historischen Erforschung der Westlichen Esoterik wirkmächtige Motive wie das Narrativ einer 'antiken Weisheit', das Narrativ 'paganen Irrglaubens', das Narrativ 'rationaler Aufklärung' oder das Narrativ eines 'romantisch-esoterischen Paganismus' bilden oftmals historisch übergeordnete Konstruktionen, aus denen heraus sich wiederum Narrative zur Beschreibung esoterischer, magischer oder okkulter Strömungen im 19. und 20. Jahrhundert bildeten: von Webers Narrativ der "Entzauberung der Welt" mit seinen dialektischantagonistischen Narrativen einer "Wiederverzauberung der Welt" aus einem "okkulten Untergrund" heraus, der -gerade dem "Ende des Hermetismus" zum Trotz -als "Gegenkultur" der Moderne wirkt und die untergründige Architektur des "Zeitalters des Irrationalen" bildet, bis hin zur "Dialektik der Aufklärung", die nicht nur den "Kampf der Kulturen", sondern auch das "Ende der Geschichte" antizipiert, sind diese "Grand-Narratives" (Hanegraaff 2016) die bildlich-plakativen Oberflächenstrukturen historischer Imaginationen. Als solche sind die größeren und auch kleineren Narrative historischer Imaginationen allerdings nicht nur poetologische Konstruktionen objektiv zu beschreibender historischer Realitäten, sondern vor -Nerger@posteo.de allem gesellschafts-und/oder wissenspolitische Abgrenzungen. Die Metahistory einer historischen Imagination wird oftmals als gesellschafts-und/oder wissenspolitische Abgrenzung sichtbar. Dies wird besonders am Begriffsfeld des sog. "Okkulten" bzw. des sog.
Friedrich Eckstein als Okkultist
Zeitschrift "Der Europäer", 2014
hat Friedrich Eckstein eine bedeutende Rolle auf dem Wege seiner inneren Entwicklung zugebilligt. Er schreibt ihm, dass es zwei Ereignisse in seinem Leben gegeben habe, "die ich so sehr zu den allerwichtigsten meines Daseins zähle, dass ich überhaupt ein ganz anderer wäre, wenn sie nicht eingetreten wären. Über das eine muß ich schweigen, das andere aber ist der Umstand, dass ich Sie kennenlernte. Was Sie mir sind, das wissen Sie wohl noch besser als ich selbst; dass ich Ihnen unbegrenzt zu danken habe, das aber weiß ich." 1 Das Ereignis, über das er schweigen muss, ist von allen Interpreten als die Begegnung mit dem Meister, von der er in seiner Autobiografie erzählt hat, verstanden worden. Rudolf Steiner stellt damit die Begegnung mit Friedrich Eckstein in den Rang der Begegnung mit dem Meister. Seine Biografen haben im Gegensatz dazu Ecksteins Rolle im Leben Rudolf Steiners nie so gewichtig eingeschätzt. Aufgrund der Diskretion Ecksteins gibt es nur wenige Zeugnisse, die Ecksteins okkulte Erfahrungen und Kenntnisse belegen. Das deutlichste Zeugnis stammt von Jules Sauerwein: "Eckstein gab mir bestimmte erhellende Einblicke in Bezug auf das innere Leben, die mir noch heute ebenso wertvoll sind wie vor dreiundzwanzig Jahren. Er war es, der mir zum Beispiel beibrachte, dass man, bevor der ätherische Leib in einen Zustand wahrhaften Gleichgewichts gebracht werden kann, den Punkt erreichen muss, in dem das Bewusstsein der verschiedenen Partien des ätherischen Leibes ausgedehnt werden kann auf die korrespondierenden Teile des physischen Leibes. Unter den gewöhnlichen Verhältnissen denken wir in unserem Haupt, nehmen unsere Gemütsbewegungen und Impulse in der Region des Herzens und des sympathischen Systems wahr, während wir im Rest des Leibes allein die sinnlichen und triebhaften Reize bewusst gewahr werden. Ich lernte von Eckstein etwas, was ich in der Theosophie nirgends entdeckt hatte, nämlich, dass ein Mensch, bevor er ein Bewußtsein des gegenüber dem physischen Leibe höheren Prinzips -des ätherischen Leibes -haben kann, lernen muss, in jeder Partie seines Seins zu denken, in anderen Worten, er muß seine sichtbaren und unsichtbaren Organe in bewußte geistige Tätigkeit bringen und zwar mit Hilfe der im ätherischen Leib kreisenden Ströme." 2 Eckstein war für Jules Sauerwein von 1904 bis 1908 offenbar ein Lehrer dieser inneren Betätigungen. Aber konnte er das schon, als er mit Steiner intim vertraut wurde? Eckstein erinnert sich später: "Die Zeit meines intimsten Verkehrs mit Steiner fällt in die Neunziger Jahre des verflossenen Jahrhunderts. Wir haben viele, viele Stunden, bei Tag und bei Nacht, alle möglichen Fragen der Menschheit miteinander erörtert. … Steiner war … in ziemlich bedrängten Verhältnissen, oft geradezu am Verhungern, so dass er meine Einladungen immer gerne annahm." 3 Damit sind nicht die Begegnungen in dem theosophischen Kreis um Marie Lang gemeint. Es waren offensichtlich Zwiegespräche, bei denen Eckstein Steiner bewirtete. Ich nehme an, dass Eckstein ihn in seine Wohnung einlud. Da Rudolf Steiner Ende September 1890 nach Weimar übersiedelte, muss die Zeit um 1890 gemeint sein.
Psychotherapie, Psychosomatik, medizinische Psychologie --> Hypnose-ZHH 2014, 1995
In the years 1821 and 1822 two books offered contradictory accounts of a scandal in Berlin involving sexual abuse in connection with magnetism. Historical research has determined that the accused was the famous physician and magnetizer Karl Christian Wolfart. If, however, we look more closely at the general context, it appears that this was not just a case of abuse of the therapeutic relationship. Rather, it is suggested that a specific combination of therapeutic ignorance and particular psycho-social influences contributed almost inevitably to the abuse of patients--sexually or otherwise. Hypnose-ZHH 2014: In psychotherapy, the therapeutic relationship is considered an important basic principle of effectiveness. However, this point of view developed rather late. Previously, Mesmer’s ani- mal magnetism dismissed a psychological component for this relationship. Two books from 1821 and 1822 describe contrary perspectives on a scandal in Berlin, a presumably sexual abuse in the context of animal magnetism. By this example, different context variables are des- cribed that show how psychotherapy struggled in its early stages, as well as psychotherapy’s general focus of interest and the relationship factor in particular. Psychopathological, socio- cultural, political, scientific and career political aspects are outlined. The problems inherent to the orthodox mesmerism, with rapport regarded as physical, could only be solved by a new psychological understanding that was developed during the romantic somnambulism in the first half of the 19th century. This understanding granted priority in the first place to the psy- chological dimension of magnetic rapport and the therapeutic relationship respectively.
sozialpolitik ch, 2019
Der aus Deutschland stammende Josef Spieler hatte an der Universität Freiburg in der Schweiz von 1933 bis 1945 eine Professur in „Psychologie, Pädagogik und Heilpädagogik“ inne. Diese wurde ihm 1945 entzogen und er musste wegen nationalsozialistischen Sympathien 1947 die Schweiz verlassen. Die Forschung hat diese Vorkommnisse teilweise aufgearbeitet und sich, wenngleich zögerlich, auch schweizerischen Professoren mit Sympathien für den Faschismus gewidmet. Von der Forschung vernachlässigt wurde ein Netzwerk um die Caritas, welches Spielers Wiedereingliederung in Deutschland begünstigte. Zudem ist die Einordnung von Eduard Montalta, dem Nachfolger von Josef Spieler, bis heute umstritten. Dieser Text stellt die bis heute vorgebrachte Deutung einer scharfen ideologischen Diskontinuität zwischen Josef Spieler und Eduard Montalta in Frage.
Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik
ZusammenfassungDer Artikel setzt sich mit dem Zusammenhang von Jugend‑/Subkulturen, Religion und Rechtsextremismus auseinander. Es wird die Frage aufgeworfen, inwiefern religiöse Haltungen, spirituelle Bezugsrahmen sowie Rechtsextremismus in verschiedenen historischen Jugend‑/Subkulturen zu finden sind und auf welche Weise beides miteinander bis heute verknüpft wird. Damit geht die Frage einher, wie sich in den betrachteten historischen Szenen des Gothic-Rock, Neofolk oder Black Metal das Inhaltliche mit dem Ästhetischen verbindet und welche Konsequenzen sich daraus für die Einordnung und Interpretation von diesen Szenen ergeben. Berücksichtigt werden dabei die politischen Bezugsfelder, auf die sich die Szenen inhaltlich wie ästhetisch eklektizistisch berufen.
M. Schetsche, Nadine Sarah Heintz & Renate-Berenike Schmidt (Hrsg.). Das Unheimliche in der modernen Welt, 2021
"Plötzlich kippte das Glas, schlug auf und lief den Umsitzenden unter den Händen weg. Sie hatten Mühe, mit ihren Fingern zu folgen. Es rutschte bis zum Tischrande, lief daran entlang und kehrte dann geradlinig ungefähr bis zur Mitte zurück. Hier schlug es noch einmal auf und verhielt sich ruhig. Der Schrecken aller war teils freudiger, teils banger Art." (Mann 2009: 927) Die Szene aus Thomas Manns Zauberberg, aus der dieses Zitat stammt, ist wahrlich unheimlich: Eine kleine Gruppe der Patienten des Schweizer Sanatoriums Berghof, darunter auch der Protagonist des Romas, Hans Castorp, trifft sich abends zum Gläserrücken. Bei schummriger, „matt-rosiger“ Beleuchtung soll mithilfe dieser spiritistischen Technik, Kontakt zu Geistern hergestellt werden. Nachdem zunächst nichts passiert und die ersten Teilnehmer bereits einzuschlafen drohen, fängt das Glas plötzlich an, sich wie von allein zu bewegen. Es steuert verschiedene Buchstaben auf dem Tisch an. Als die Teilnehmer schließlich fragen, ob man es hier mit einer „Intelligenz“ zu tun hätte, gibt sich die Kraft hinter der Bewegung des Glases als der Geist Holger zu erkennen. Holger, zu Lebzeiten Dichter, übermittelt der verwunderten Gesellschaft eine Probe seiner Lyrik aus dem Jenseits. Als der Geist dann auch noch Klopfgeräusche erzeugt, das Licht in dem Zimmer ausdreht und eine Teilnehmerin der Sitzung an den Haaren zieht, bekommt es die Runde endgültig mit der Angst zu tun. Das Deckenlicht wird eingeschaltet und die Sitzung beendet. Das ausgewählte Zitat markiert den Kipp-Punkt der Szene, den Einfall des Irrationalen, Übersinnlichen, den Übergang von einer gespannten Erwartung und Neugierde zur Manifestation von rätselhaften, okkulten Kräften. Und es enthält zugleich wesentliche Aspekte dessen, was dieser Text reflektieren möchte: Es geht um das Verhältnis zwischen dem ‚Okkulten‘ und dem ‚Unheimlichen‘. Das Ziel der abendlichen Zusammenkunft, die von Thomas Mann mit den typischen Merkmalen der in der Belle Époque in Mode gekommenen spiritistischen Sitzungen versehen wurde, besteht darin, über okkulte Praktiken und ein ‚Medium‘ eine Kommunikation mit der Geisterwelt zu ermöglichen. Als dies gelingt – zumindest dem Anschein nach – wird jedoch einigen Teilnehmern unheimlich zumute. Die erwarteten oder wenigstens erhofften okkulten Erscheinungen treten „plötzlich“ auf, sie widerfahren den Teilnehmern, drängen sich in ihre Realität und erzeugen ein Gefühl des Unbehagens. Dies verweist auf den Umstand, dass uns das Unheimliche meist als etwas erscheint, das unvermittelt auf uns einwirkt, uns, selbst, wenn wir es erwarten, in unvorhersehbarer Weise entgegentritt, uns überrascht. Kurzum: Das Unheimliche ist unabhängig von uns, kommt von außen. Ein weiterer Gesichtspunkt ist in den letzten Zeilen bereits angedeutet: Obschon das Unheimliche mit Angst, Schrecken und Grauen einhergeht, wird es von den Teilnehmern der Sitzung gezielt gesucht und gewünscht. Als es erscheint, erzeugt es in der Runde einen Schrecken „teils freudiger, teils banger Art“. Das Unheimliche kann also sehr unterschiedliche Gefühlszustände auslösen, kann gleichzeitig Angst und Lust bedeuten, schreckt ab und zieht an. Damit ist eine weitere Grundeigenschaft des Unheimlichen bestimmt: Es hat einen ambivalenten Charakter. Fassen wir die wesentlichen Elemente noch einmal zusammen: Es geht, auf das Wesentliche verkürzt, (1) um die Konfrontation mit okkulten Kräften und dem Tod, der als (2) (vermeintlich) fremde, unabhängige Entität in Erscheinung tritt und (3) gleichermaßen verängstigt wie fasziniert. Diese Aspekte sollen im Folgenden als Ausgangs- und Orientierungspunkte dienen, um die Verbindung oder gar Verwandtschaft zwischen dem Okkulten und dem Unheimlichen näher zu bestimmen.