Konsens und Autonomie – Zur Legitimität völkerrechtlicher Normen, in: RphZ 1/2018, S. 58-77. (original) (raw)

Legitimität und Selbstbestimmung - Eine normative Rekonstruktion des Völkerrechts

Nomos, 2019

Das primäre Legitimationsprinzip völkerrechtlicher Normen – das Prinzip der Staatenzustimmung – gerät seit einiger Zeit immer stärker unter Druck. Dieses Buch rekonstruiert kollektive Selbstbestimmung als immanentes Legitimitätskriterium, welches das Prinzip der Staatenzustimmung ergänzen und materiell unterfüttern kann. Kollektive Selbstbestimmung wird anhand der beobachteten impliziten Wertorientierungen der Völkerrechtsakteure als derjenige Wert ausgewiesen, der das Völkerrecht als soziale Praxis integriert und reproduziert. Eine solche immanente Legitimationsstrategie kann den Konventionalismus bzw. Utopismus anderer Strategien vermeiden helfen und so ein Legitimationsprinzip etablieren, das einerseits auf die normativen Überzeugungen der Völkerrechtsakteure abstellt, dabei aber auch die ethisch-funktionale Tiefenstruktur des Völkerrechts als Praxis in den Blick nimmt.

Zur Verknüpfung überkommener Vorstellungen völkerrechtlicher Normativität mit der unterlassenen Übernahme der Ramsar-Konvention von 1971 in den deutschen Rechtsraum

2022

Wetlands are disappearing faster than any other ecosystem. Germany has one of the world’s highest rates of wetland losses. From a legal perspective, the significant extent of these degradations since 1976 is symptomatic of the inadequate incorporation of the Ramsar Convention into the German legal system. This article argues that the actual assessment of the requirement of a transformative act for the domestic applicability and enforceability of an international treaty is based not only on constitutional criteria, but also on a normative understanding that responsible government agencies have of a particular treaty at any given point in time. This article addresses the impact of persisting traditional notions of normativity under international law on the currently limited application and enforceability of the Ramsar Convention in Germany. Ultimately, the article contends that parliament urgently needs to become involved in implementing the Ramsar Convention, not least to restore credibility when reminding other states about the treaty’s importance.

‘Menschenwürde/Karāma(t)‘: Zur Frage eines möglichen Konsenses in der Menschenrechtsdebatte

Zeitschrift für Recht und Islam/Journal for Law and Islam , 2017

According to article 1 of the Universal Declaration of Human Rights, “All human beings are born free and equal in dignity and rights.” Considering the equality of human rights and human dignity, the declaration expresses a universal claim valid for all human beings, regardless of their origin, sex, religion or conviction. As the Universal Declaration’s entitlement to universal validity has been contested since it was first announced – by Muslim individuals, organisations and states among others –, Muslim and non-Muslim thinkers have long been discussing if its prerogatives are compatible with Islam, i.e. the sharia. Some of them consider the concept of human dignity a chance for a consensus in the human rights debate, hoping that it “might facilitate a critical mediation between the normative requirements of human rights on the one hand and various religious or cultural traditions on the other” (Heiner Bielefeldt). In this paper we show that as far as the debate of high ranking religious scholars in the Islamic Republic of Iran is concerned, an “overlapping consensus” (John Rawls) between the concept of human dignity as stated in the Universal Declaration of Human Rights and the idea of human dignity as defined by Shiite scholars in Iran is not achievable. “Dignity” is translated into Persian (and Arabic) as karāmat, a qur’anic term implying a sense of honour that is not compatible with the secular understanding of dignity as the essential equality of all human beings. Additionally, Shiite scholars declare dignity to be directly connected to piety, which, again, is considered an individual, personal merit. An even greater deviation from the concept of “dignity” as propagated in the Declaration of Human Rights is the Iranian Shiite scholars’ belief that the inborn, and in this case God-given, dignity can be forfeited if a person does not fulfill his/her religious obligations.

Paradoxien der Autonomie. Freiheit und Gesetz I, Berlin: August Verlag, 2011, second edition: 2019; co-edited with Ch. Menke.

Der Gedanke, der sich in der modernen Idee der Autonomie verdichtet, ist ein doppelter: Die Figur der Autonomie enthält zugleich eine neue Auffassung von Normativität und eine eigene Konzeption von Freiheit. Dem Gedanken der Autonomie zufolge ist ein Gesetz, das wahrhaft normativ ist, eines, als dessen Urheber wir uns selbst betrachten können; und eine Freiheit, die im vollen Sinne wirklich ist, drückt sich in Gestalt eben solcher selbstgegebener Gesetze aus. Die Idee der Autonomie artikuliert so die Einsicht, dass man Freiheit und Gesetz nicht durch ihre Entgegensetzung bestimmen kann, sondern durcheinander erläutern muss. Wirkliche Freiheit ist nicht Freiheit von Gesetzen, sondern Freiheit in Gesetzen; verbindliche Normen sind nicht das, was Freiheit äußerlich beschränkt, sondern das, was Freiheit innerlich verwirklicht. Die Idee der Autonomie, die für die moderne praktische Philosophie seit Rousseau und Kant grundlegend ist, zielt so darauf, Freiheit und Verbindlichkeit in einem Zuge zu artikulieren: durch die Form selbstgegebener Gesetze. Mit Beiträgen von Robert Brandom, Judith Butler, Thomas Khurana, Christoph Menke, Terry Pinkard und Sebastian Rödl.

Autonomie – ein Kernbegriff moderner Sozialstaatlichkeit

Zeitschrift für Sozialreform, 2017

At present the ethical norm of autonomy is widely discussed in political theory. This is much less the case in the domain of social policy research, despite the need for a new and more adequate normative orientation of modern social policies. The article aims at contributing to the normative debate: It elaborates the major aspects of a concept of personal autonomy that is suitable to guide both, the analysis and the conceptual design of autonomy-friendly social policies that take account of the citizens’ aspiration for self-determination.

Würde und Rechte, in: Benedikt Fait, Daniela Zumpf (Hg.), Identität, Logik, Kritik. Festschrift für Ulrich Pardey zum 65. Geburtstag, Berlin u.a. 2014, 191-210.

In diesem Aufsatz verfolge ich vor allem zwei Ziele: Erstens möchte ich zeigen, was die charakteristischen Merkmale einer Moraltheorie sind, deren Grundlage Würde und Rechte bilden. Dazu werde ich die normative Theorie von Alan Gewirth gewissermaßen als Modelltheorie verwenden. Zweitens möchte ich drei Probleme der angewandten Ethik behandeln, um zu zeigen, was eine auf Würde und Rechten gründende Moraltheorie zu ihrer Lösung beizutragen vermag. 1 Würde und Rechte-Begriffsbestimmungen Beginnen wir mit der Frage, was »Würde« und »Rechte« bedeuten. Immanuel Kant folgend will ich Würde als einen streng normativen Begriff verstehen. 1 Entsprechend ist Würde nicht etwas, das jemand ausstrahlt. Es ist nicht etwas, das mit einem Stand, einem Amt oder mit dem Alter verbunden ist. Es ist nicht die Art von Würde, die wir meinen, wenn wir sagen, dass jemand etwas mit Würde trägt oder dass sie jemand vermissen lässt, wenn er sich unwürdig verhält. Stattdessen bezeichnet der strikt normative Begriff der Würde einen absoluten Wert. Eine Person, die in diesem Sinne Würde besitzt, ist letztlich unverrechenbar. Sie darf nicht für eine andere Person oder für mehrere andere Personen geopfert werden. Vielmehr stellt ihre Würde für die anderen (und, wie Kant dachte, auch für sich selbst) einerseits eine strikte Grenze, andererseits aber auch eine Aufgabe dar, der es positiv Rechnung zu tragen gilt. Rechte will ich hier als Anspruchsrechte verstehen. 2 Entsprechend sind Rechte begründete Ansprüche. Mit Rechten sind somit bestimmte interpersonale Verhältnisse verbunden. Es gibt einen Träger oder Inhaber des Rechts, einen Gegenstand des Rechts, einen oder mehrere Adressaten des Rechts, eine bestimmte Art oder Modalität des Rechts und einen rechtfertigenden Grund für den Rechtsanspruch. 3 Dem Anspruch korrespondiert auf Seiten des Adressaten eine strikte Verpflichtung, die in dem Anspruch begründet ist. Wenn Müller beispielsweise ein moralisches Recht auf Leben gegenüber Schmidt hat, dann hat Schmidt eine korrespondierende

Eigenmächtige Gewalt, zwingendes Recht: zur Selbstbehauptung und Selbstgefährdung des Friedens als Rechtsordnung

2017

Konstituiert sich Frieden durch Zwang? Frieden ist nach Hans Kelsen ein Zustand, der sich durch die Abwesenheit von Gewalt auszeichnet. Gleichzeitig aber wird der Friede durch gewaltbewehrte Zwangsmittel gesichert; denn der Friede ist nur als Rechtsordnung denkbar, und eine Rechtsordnung ist nach Kelsen "ihrem Wesen nach eine Zwangsordnung". Friede und Zwang sind also nicht unvereinbar, sondern im Recht aufeinander bezogen. In HSFK-Arbeitspapier Nr. 35 wird diese Auffassung weiter ausgeführt und sowohl in theoretischer als auch historischer Perspektive problematisiert. Im Mittelpunkt der Argumentation von Lothar Brock und Hendrik Simon steht die Unterscheidung zwischen eigenmächtiger (willkürlicher) Gewalt und Rechtszwang. Die Autoren gehen davon aus, dass Gewalt als Rechtszwang aus friedenspolitischer Sicht der eigenmächtigen Gewaltanwendung (Selbstjustiz) im Grundsatz vorzuziehen ist. Aber jeder Rechtszwang geht auch mit Willkür einher. Dies zeigt sich auf der internationalen Ebene noch deutlicher als auf der nationalen. Der nationale Friede beruht auf einer starken Rechts-qua Zwangsordnung, der internationale auf einer schwachen. In beiden Fällen geht die Stabilisierung des Friedens durch Rechtszwang mit seiner gleichzeitigen Destabilisierung einher. Eine Abmilderung dieses Dilemmas ist nur über die Schaffung rechtsstaatlicher Verhältnisse möglich, die einen reflexiven Umgang mit dem widersprüchlichen Verhältnis von Frieden und Zwang erlaubt.