Schöne neue Demokratie - die neuen Angstregime (original) (raw)
2007, M. Brie (Hrsg.) Schöne neue Demokratie. Elemente totaler Herrschaft, Texte 39, Berlin 2007
Über Demokratie zu sprechen bedeutet über Macht und Herrschaft zu sprechen, über einen Weg, Herrschaft und Macht auszuüben. Verändern sich die Akteure in diesen Beziehungen, gewinnen oder verlieren sie Einfluss oder ändert sich der Gegenstand der Auseinandersetzung um Macht, verändert sich damit untrennbar auch der Charakter der Demokratie. Will man diese Veränderungen fassen, sollte man an erster Stelle die Konstante in ihnen bestimmen. Soweit Demokratie eine Art und Weise der Machtausübung darstellt und damit staatliche Institutionen, gesellschaftliche Organisationen usw. hervorbringt, ist sie nicht passive Hülle, sondern wirkt aktiv auf die Entwicklung der Machverhältnisse in der Gesellschaft zurück. Gegenstand der hier anzustellenden Überlegungen soll die Frage sein, wie das gegenwärtige demokratische politische System auf Motivationen, Antriebe zum Handeln in der Gesellschaft wirkt und damit auch den Charakter von sozialen Beziehungen beeinflusst. Eine zentrale Frage des Überlebens einer jeden Gesellschaft besteht darin, ob und inwieweit sie ihrer Struktur nach in der Lage ist, die Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Mitglieder in einer sie selbst stabilisierenden Weise freizusetzen. Stabilisierend ist dabei nicht einfach als Konservierung eines gegebenen Zustandes zu verstehen. Vielmehr bedeutet Stabilität in dem hier zu betrachtenden Sinne, dass: -Gesellschaft in ihrer Totalität (Ganzheitlichkeit) fähig ist, der Tätigkeit ihrer Mitglieder eine bestimmte Richtung zu geben, -Gesellschaft Möglichkeitsfelder schafft, in denen Varianten eigener (d.h. sowohl der Gesellschaft als auch ihrer Mitglieder) Entwicklung praktizierbar und diskutierbar werden -Gesellschaft Raum für die Umsetzung von bestimmten auch widersprüchlichen Interessenkonstellationen in Handeln schafft und neue Interessenlagen produziert. Eine stabile Gesellschaft produziert so beständig die Voraussetzungen eigener Weiterentwicklung als Totalität. Dies bedeutet nicht, dass diese stabile Gesellschaft frei von Unsicherheit wäre. Gerade die kapitalistische Gesellschaft schöpft ihre Antriebe vor allem aus Unsicherheit und Angst, die notwendige Momente der Konkurrenz sind. Das Handeln der Einzelnen, der sozialen Gruppen wie auch der Gesellschaft insgesamt vollzieht sich ausgehend von der eigenen Interessenlage auf der einen und unter der Bewertung von Möglichkeiten, die die Gesellschaft in ihrer gegebenen Struktur bietet (oder zu bieten scheint) auf der anderen Seite. Aus der Wechselwirkung dieser beiden Komponenten erwachsen die Motivationen und Triebkräfte, Werte, Rechte und Pflichten, die