Schoecks Oper wird reaktualisiert (original) (raw)
2017, Schweizer Musikzeitung
Das Schloss Dürande» ist dank einem Nationalfondsprojekt und dem Brunner Schoeck-Festival wieder im Gespräch. Wie wird das Werk für die Wiederaufführung 2018 aktualisiert? Thomas Gartmann -Am 1. April 1943 fand an der Berliner Staatsoper die Uraufführung von Othmar Schoecks letzter Oper Das Schloss Dürande nach der Novelle Joseph von Eichendorffs statt. Reichsmarschall Hermann Göring kritisierte sie als «Bockmist» und setzte sie offenbar nach vier Vorstellungen ab. Noch im gleichen Jahr gab es zwei Aufführungsserien in Zürich, die nach schlechten Kritiken und schwachen Besucherzahlen ebenfalls vorzeitig abgebrochen wurden. Schoecks Spiel mit den Mächtigen hatte ihm zwar eine Inszenierung an der prominentesten Bühne im deutschen Sprachraum ermöglicht. Karrierebruch und angeschlagene Gesundheit waren aber die Folgen, von denen er sich niemals mehr erholen konnte. -Was war da schiefgelaufen? Schwachpunkt ist das durch Schoeck mitverantwortete Libretto von Hermann Burte. Schon während der Arbeit reagierte Schoeck kritisch, die Dramaturgie gefiel ihm gar nicht, ein eigenes Szenario weist stärker auf Eichendorff zurück, heftig verwahrte er sich gegen psychologische Vereinfachungen. Offensichtlich war Burte überfordert, die ambivalenten Figuren der Erzählung zu ebensolchen Operngestalten zu entwickeln. Plakative Darstellung dominiert. Das Traumhafte ging verloren, alles wurde in konkrete Handlung übersetzt. Sprachlich ist vieles schlecht, erinnert in Duktus und Haltung an NS-Ideologie, gerade dort, wo Burte Eichendorff für das Dritte Reich zu aktualisieren versuchte. Trotzdem dürfen nicht alle Probleme Burte angelastet werden, wie die Schoeck-Forschung es gerne tut; der Komponist hatte sich mit eigenen, aus heutiger Sicht teils fragwürdigen Ideen eingebracht. Gleich nach dem Zürcher Misserfolg unternahm der Schoeck-Kreis Rettungs-oder eher: Reparaturversuche. Der Germanist Emil Staiger bat Schoeck um Kürzungen und Verbesserungen der unmöglichsten Reime, die er doch gleich selbst vornehmen könnte. Ein halbherziger Wiedererweckungsversuch durch Gerd Albrecht 1993 in Berlin scheiterte. Gelobt wird in der Presse aber die Musik: «Was an typischer Eichendorff-Atmosphäre im Textbuch verloren gegangen ist, versucht die Musik einigermassen zurückzugewinnen.» Als Lösung wird eine Neutextierung vorgeschlagen: «Die Oper zu retten ist ihnen gleichwohl nicht gelungen. Dazu bedürfte es eines neuen Textbuchs.» Zurück zur Vorlage Wie ist nun dieses Werk wieder in die Diskussion und auf die Bühne zu bringen? Ein an der Hochschule der Künste Bern angesiedeltes Nationalfondsprojekt «Das Schloss Dürande von Othmar Schoeck -Szenarien zu einer interpretierenden Restaurierung» unter der Leitung des Schreibenden erwog verschiedene Varianten einer Aktualisierung. Es gibt viele erfolgreiche Opern mit literarisch erschreckend schlechten Libretti, die im Umkehrschluss zum Bonmot verleiten, dies sei geradezu Voraussetzung für einen Opernerfolg. Allerdings: Die kurzatmigen, teils abgehackten Verse Burtes stehen in deutlichem Widerspruch zu Schoecks Gesang mit seinen weit ausgreifenden Melodie-und Spannungsbögen; manchmal stimmt auch die Periodisierung nicht überein, geschweige die literarische mit der musikalischen Dichte. Der Komponist scheint sich manchmal um Details des Textes gar nicht zu kümmern. Gestützt wird diese Annahme durch die in Briefen zu verfolgende Tatsache, dass Schoeck die Musik oft schon komponiert hatte, wenn der Text erst entstand. Im Vorfeld zur Umarbeitung wurden auch radikale Ansätze erwogen, welche die Oper dekonstruiert hätten: ironische, dekonstruktive Textparodien, so der Wiederverzicht auf die von Schoeck neu eingeführte Figur der Gräfin Morvaille oder aber deren Umdeutung; dies hätte auch eine Neukonzeption der Handlung nach sich gezogen. Der Schoeck-Dirigent Mario Venzago, der sich enthusiastisch dem Projekt «Dürande»-Workshop am 10. September 2016 im Rahmen des Brunner Schoeck-Festivals: Mario Venzago, Thomas Gartmann, Francesco Micieli (v.l.) Foto: Daniel Allenbach (HKB-Forschung)