„… ou le souvenir de l’enfance... Die Fiktion von Kindheitserinnerungen an die argentinischen Militärdiktatur: Manèges von Laura Alcoba“, in: Eser, Patrick; Witthaus, Jan-Henrik (Hg.): Memoria-Diskurse in der jüngsten argentinischen Gegenwartskultur. Frankfurt/New York: Peter Lang, S. 121-148. (original) (raw)
Patrick Eser … ou le souvenir de l'enfance… Die Fiktion von Kindheitserinnerungen an die argentinischen Militärdiktatur: Manèges von Laura Alcoba 1. Die kleine argentinische Geschichte aus Frankreich: Manèges Mit Manèges. Petite histoire argentine (2007) hat Laura Alcoba der anwachsenden Thematisierung der argentinischen Diktaturvergangenheit aus der Perspektive der Kinder der Opfer der Militärdiktatur eine weitere Erzählung hinzugefügt, die offensichtlich autobiographisch gefärbt ist, zugleich aber auch die Grenzen des autobiographischen Genres überschreitet, mit ihnen spielt und die vermeintlich von der Autobiographie verbürgte faktuale Dimension und Authentizitätsbekundung in Frage stellt. Ein Blick auf die eigentümliche Erfolgs-und Rezeptionsgeschichte des Romans vermag zunächst die irritierende Bedeutung dieses französischen Romans für die argentinische Erinnerungskultur beleuchten. Manèges ist 2007 bei Gallimard in Paris erschienen, 2008 wurde der Roman von dem argentinischen Schriftsteller Leopoldo Brizuela ins Spanische übertragen und erlebte in Argentinien noch im gleichen Jahr zwei Neuauflagen. Die Einordnung des Romans, deren Autorin, 1968 geboren, mit 10 Jahren als Kind von Mitgliedern der argentinischen guerilla-Organisation Montoneros nach Frankreich flüchtete, dort aufwuchs und später französische und spanische Philologie studierte, in das Ordnungsraster der "Nationalliteraturen" erscheint kompliziert. Während Gallimard die Erzählung in die Reihe "Collection blanche", welche Titel der zeitgenössischen französischen Literatur führt, aufgenommen hat, wird sie bei dem argentinischen Verlag Edhasa in der Reihe "Letras hispánicas" publiziert, in Spanien ebenso. Auch für den Suhrkamp Verlag war klar, dass die deutschen Übersetzung in die Reihe lateinamerikanischer Autoren aufgenommen wird (vgl. Alcoba 2010a: 270f.). Die mittlerweile sehr belebte literaturwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Roman tendiert ebenfalls dazu, den Roman als einen spanischsprachigen wahrzunehmen. 1 Dabei gerät der gewichtige Aspekt aus dem Blick, dass es für die Autorin, auch wenn der Roman 1 Nicht nur die argentinische literaturwissenschaftliche Rezeption (vgl. statt vieler den Aufsatz von Daona in diesem Band), sondern auch Forschungsarbeiten aus der deutschen Romanistik scheinen primär die spanische Übersetzung von Manèges ihren Untersuchungen zugrunde zu legen; vgl. u.a. Saban 2013.
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