Buchkapitel Darwin_Strauss_Nietzsche_Kap11_Evolutionstheorie.pdf (original) (raw)
Philosophische Miniaturen zur Evolution
Die Drei 79(2009)(7): 37–52, 2009
Die folgenden philosophische Miniaturen oder Variationen zur Evolution tragen einige Ele-mente zusammen für eine umfassende Untersuchung der Bedingungen der Möglichkeit von Entwicklung. Sie sollen auch helfen, Falltüren und Scheinalternativen zu vermeiden, Be-wusstseinsgeländer aufzustellen, wo es nötig ist. Bestenfalls ermöglichen sie es, die Erfahr-barkeit und Denkbarkeit von Idee und Wirklichkeit von Entwicklung zu fundieren und zu fördern. Im Vordergrund stehen individuelle, bewusstseinsphänomenologisch nachvollziehba-re Argumente und nicht irgendwelche transzendental-philosophischen oder transzendental-anthroposophischen Darlegungen. Einige der hier vorgebrachten Gedanken sind in Gesprä-chen mit Stefan Brotbeck aufgekeimt, wurden durch diese angeregt und entfaltet: Evolution durch Begegnung, Verständigung und Verselbständigung. Es handelt sich im Grunde genommen um Variationen eines einzigen Themas, das etwa mit dem Hinweis auf den fruchtbaren Gegensatz und seine höhere Ganzheit von Ich-Prinzip und Welt-Prinzip, oder von Schöpfer-Prinzip und Prinzipien des Geschaffenen charakterisiert wer-den könnte.
Karl Rahner und die Evolutionstheorie (Karl Rahner and the theory of evolution. German non English)
Theologisches, 2004
Wenn in dieser Ausgabe von "Theologisches" zu Karl Rahner auch seine Stellung zur Evolutionstheorie untersucht werden soll, mag dies nur den zu überraschen, der nicht um den extremen Einfluß dieser zunächst naturwissenschaftlich scheinenden Theorie auf alle Bereiche unseres Geisteslebens weiß. Kürzlich erschien in Theologisches eine Artikelserie [1] über Willigis Jäger, den die Glaubenskongregation disziplinieren musste. Einer der "Eckpfeiler" der häretischen Ideen dieses Zen-Meisters und exklaustrierten Benediktiners - und vielleicht Ursache, die ihn den Glauben verlieren ließ- ist die Evolutionstheorie. An anderer Stelle [2] wurde das Verhältnis namhafter Naturwissenschaftler zu Religion und Naturwissenschaft referiert - der Einfluß der Evolutionstheorie ist offenbar. Es ist nicht schwer, Äußerungen wie die folgende aus einem Lehrbuch für Medizinstudenten zu finden: "Die kontinuierliche Evolution der pflanzlichen und tierischen Arten seit der Entstehung des Lebens ist heute wohlbewiesene Grundlage unseres Weltbildes" [3]. Sofern es ein einheitliches Weltbild in einer multikulturellen Gesellschaft gibt, ist die Evolutionstheorie sicherlich dessen Grundlage - allerdings nicht die Grundlage des meinen als Schüler Christi und zwar nicht nur, weil ich der Bibel höhere Autorität einräume als säkularer Weisheit, mag sie auch noch so glänzend erscheinen, sondern auch weil ich gerade als Naturwissen¬schaftler die Evolutionstheorie schlichtweg für falsch halte und ich denke, dass ihre weite Verbreitung gerade wegen ihrer dem erbsündigen Menschen hochwillkommenen weltanschaulichen Konsequenzen geschieht[4]. Vielerorts bezieht sich Rahner auf die Evolutionstheorie, z.B.: "Theologisches zum Monogenismus" Schriften zur Theologie I. Einsiedeln: Benzinger 1954 "Zur Theologie des Todes" Quaestiones disputatae, Freiburg: Herder 1958 "Theologische Anthropologie und moderne Entwicklungslehre" 1960 "Erbsünde und Evolution" Concilium 3 1967 "Die Christologie innerhalb einer evolutiven Weltanschauung"[5] (abgekürzt "Christologie") "Das Problem der Hominisation"[6] (abgekürzt "Hominisation") Karl Rahner stand der Evolutionstheorie positiv gegenüber. Hier soll untersucht werden, welche evolutionären Ansichten sich bei Rahner finden und was dazu fachlich zu sagen ist: was war zu seinen Lebzeiten schon bekannt, was wissen wir heute. Dann werden die theologischen Folgerungen Rahners dargestellt und kommentiert. Rahners evolutionäre Vorstellungen Die Materie hat sich auf das Leben und den Menschen hin entwickelt (Christologie 192), der Zufall ist für den Naturwissenschaftler kein sinnvolles Wort (Christologie 196) – heute würde man dies wohl "gelenkten Zufall" nennen, anscheinend kann Gott gar nicht anders, als durch von Ihm aktiv gelenkte Evolution zu schaffen, denn "eine Wesensselbsttranzendenz aber ist ebensowenig wie die (einfache) Selbsttranszedenz ein innerer Widerspruch, sobald man sie geschehen läßt in der Dynamik der inneren und doch nicht eigenwesentlichen Kraft des absoluten Seins, in dem, was man theologisch Erhaltung und Mitwirkung Gottes mit dem Geschöpf nennt, in der inneren und bleibenden Getragenheit aller endlichen Wirklichkeit in Sein und Wirken, in Werdesein, in Selbstwerdesein, kurz in Selbsttranszendenz, die zum Wesen alles endlich Seienden gehört" (Christologie192). Glücklicherweise, möchte man hinzufügen, hat die Evolution nach Rahner notwendig "Einbahnigkeit und Gerichtetheit" (Christologie 198) und der Mensch kann seine Evolution heute sogar steuern (Christologie 196). Es halten sich nach Rahner in der biologischen Evolution neben den neueren und höheren Formenkreisen auch die Vertreter der niedrigeren, von denen die höheren Formenkreise sich herleiten (Christologie 207). Er spricht von einer "Homogenität von Materie und Geist die der Naturwissen¬schaftler erwarten würde", ist scheinbar dagegen wegen der "Wesensverschiedenheit" beider (Christologie 186), stimmt dem aber dann doch zu, da im Menschen die Grundtendenz der Selbstfindung der Materie im Geist durch Selbsttranszendenz zu ihrem definitiven Durchbruch käme (ibidem). Ein wirkliches "Werden" sei kein "Anderswerden" sondern ein "Mehrwerden" im Sinne einer Selbsttranszendenz und Selbstüberbietung (Christologie 191, vgl. 192)[7]: Die Evolution ist ihm offenbar aus philosophischen Gründen sogar eine Notwendigkeit. Die Naturgeschichte kommt in der Geistesgeschichte des Menschen zum Ziel (Christologie 192), der Mensch trägt neben dem Geist noch die Naturgeschichte der lebendigen Materie in sich (Christologie 195)– das entspricht etwa dem, was man heute "Evolutionäre Psychologie" nennt: evolutionäre Welterklärungen beschränken sich nicht auf tierisches oder pflanzliches Leben und den menschlichen Körper, sondern beziehen auch menschliches Verhalten, Fühlen und Denken mit ein. Dabei ist grundlegende Annahme, dass Gene für ein Verhalten des Gesamtorganismus sorgen, das ihre eigene Weitergabe optimiert: "Traurig, aber leider wahr: Evolutionspsychologisch gesehen ist die hohe Gewaltbereitschaft in Banden keineswegs abnormal, wenn die Voraussetzungen Armut, mangelnde Ausbildung und ein passender Anlaß zusammenkommen. (…) wenn jemand nichts hat, sind für ihn die Aussichten, tot zu sein, ein Leben lang keine Frau beziehungsweise keinen sozialen Status zu besitzen, im Grunde genommen völlig gleichwertig. Entwicklungsgeschichtlich muss jemand sein eigenes Leben als wertlos betrachten, wenn er keine Aussicht auf Nachwuchs hat. Und je weniger Chancen er in der Zukunft sieht, um so größere Risiken nimmt er bereitwillig auf sich."[8] Theologische Folgerungen Rahners Dass der Mensch von der Erde stammt, ist bisher theologisch zu wenig verstanden worden (Hominisation 24). Es ist sinnvoll und kein schlechter und auf die Dauer unhaltbarer Kompromiß zu sagen, der Mensch stamme dem Leib nach aus der Materie, dem Geist nach jedoch nicht (Hominisation 44). Die Materie ist durch Gott so geschaffen, dass sie die Potenz zum Hervorbringen des Geistes schon trägt und dieser dann im Menschen sich manifestiert (Hominisation 49- 55). Die Erschaffung der Seele ist "kein exzeptionelles außergewöhnliches Vorkommnis" sondern ein Wirken durch Zweitursachen (Hominisation 60ff), die Rahner "Ermöglichung der aktiven Selbsttranszendenz des endlich Seienden durch sich selbst" nennt. Die unsterbliche Geistseele des Menschen scheint Rahner "schrittweise" entstanden = evolviert (Hominisation 57) und Gott hätte entsprechend der Phylogenese die erste menschliche Seele dem Nachkommen einer Tiermutter gegeben. Er holt die von Aristoteles stammende scholastische Lehre der Sukzessivbeseelung hervor, um dies plausibel zu machen (Hominisation 79- 84) (Lebensrechtler wird es nicht freuen, dass so Frühabtreibung tendenziell legitimiert wird). Der evangelikale Theologe Junker stuft in einer Übersichtarbeit über evolutionäre theologische Konzepte Rahners Theologie als "konsequent evolutionistische Sichtweise" ein. Solche Theologen "(plädieren) dafür, das Evolutionskonzept in jeder Hinsicht anzuerkennen und die biblische Botschaft entsprechend neu zu interpretieren. (…) Der Glaube (wird) in evolutionäre Termini übersetzt. Die Evolutionsfaktoren werden als voll ausreichend angesehen, um die Lebensvielfalt, den Menschen eingeschlossen, hervorzubringen" [9] Konsequent deutet Rahner zentrale biblische Wahrheiten entweder evolutionär um oder leugnet sie: "Nach der Evolutionslehre ist nur ein Polygenismus denkbar, wenn man nicht ein besonderes unmittelbares Eingreifen Gottes in den Evolutionsprozeß postulieren will. Die Frage nach einem Mono- oder Polygenismus der Menschheit ist theologisch relevant, denn die Zeugen des Neuen Testamentes stellen Jesus Christus, den Erlöser, in die eine von Adam herkommende Menschheitslinie (Monogenismus) und dem ersten Adam gegenüber (Röm 5,12ff). (…) Die (…) Enzyklika Humani generis von Pius XII. aus dem Jahre 1950 kritisiert die Polygenismus- Auffassung: (…) Anmerkungen [1] Thomas Wittstadt, Diese kosmische Religion kennt keinen Erlöser, Theologisches, Jahrgang 33, Nr 8/9 S. 387- 404, Nr. 10 S. 461- 480, Nr. 12 S. 601- 614 [2] Elmar Anwander, Namhafte Naturwissenschaftler zum Verhältnis von Religion und Naturwissenschaft, Theologisches, Jahrgang 34, Nr. 1 S. 15- 30 [3] Manfred Schweiger, Monika Hirsch-Kaufmann, Biologen für Mediziner, Pharmazeuten und Chemiker, Stuttgart Thieme 1987, S. 224 [4] ein mutatis mutandis analoger Fall, dass naturwissenschaftliche Kriterien aus außernaturwissenschaftlichen Gründen nicht respektiert werden, ist die Arzneimittelsicherheit der "Pille": sie ist zwar nicht gerade giftig und Nebenwirkungen sind insgesamt selten, es sind aber so viele Fälle von Komplikationen und selbst Todesfällen bekannt bei Fehlen eines medizinischen Nutzens, dass jedes andere Medikament schon zehnmal vom Markt genommen wäre … die "Pille" aber nicht. Weil sie dem (erb-)sündigen Menschen hochwillkommen ist, um zu betreiben, was Paulus πpορνeιa Unzucht nennt. [5] Karl Rahner, Die Christologie … , in: Schriften zur Theologie Band V, 183- 221 [6] Karl Rahner, Paul Overhage, Das Problem …, Quaestiones disputatae 12/ 13, Freiburg Breisgau 1961 [7] der Satz, dem ich dies entnehme, ist im Grunde aufgrund der vielen rahnereigenen Neologismen und der insuffizienten Syntax unverständlich, wie so viele Sätze Rahners. In der Psychiatrie habe ich viele Patienten mit manischen oder schizophrenen Psychosen gesehen, die vergleichbare Sprach- und Denkstörungen zeigten. Aber es ist bei Rahner eine Geisteskrankheit nicht so manifest wie in Nietzsches Schriften dessen zerebrale Syphilis. [8] William F. Allman, Mammutjäger in der Metro, Wie das Erbe der Evolution unser Denken und Verhalten prägt, Heidelberg – Berlin Spektrum 21999, S. 197 [9] Reinhard Junker, Leben durch Sterben?, Studium Integrale, Neuhausen- Stuttgart 1994, S. 23 + 49-59.
Dieser Artikel stellt Rudolf Steiners spirituelles Verständnis der Evolution des Menschen und der Tiere auf der Erde anhand einer ausführlichen Recherche in Steiners Gesamtwerk (GA) dar. In einem weiteren Artikel werden verschiedene Zugänge zu diesem Verständnis der Evolution aufgezeigt. »Der Mensch ist der Erstgeborene der Erde als geistiges Wesen, und nach und nach hat er als geistiges Wesen Etappe für Etappe das Materielle aus sich herauskristallisiert. Auf jeder Etappe sind stufenweise stehengeblieben die untergeordneten Wesenheiten, so dass wir in der ganzen Reihe der unvollkommeneren Erdenwesen nicht Vorfahren des Menschen, sondern im Gegenteil Nachkommen des geistigen Menschen zu sehen haben, die nicht mitgekommen sind. Es sind die zurückgebliebenen Brüder, zurückgebliebene Wesenheiten auf den Vorstufen, die dadurch, dass sie ihr Leben fortgesetzt haben bis in unsere Zeit hinein, in die Dekadenz gekommen sind. … So geht im Erdenwesen alles Unvollkommene auf das Höhere zurück. Nicht in unserer physischen Gestalt ist das Höhere, das Ursprüngliche, sondern im Geiste.« (Rudolf Steiner, GA 56, 9.4.1908) »Alles Niedere hat sich aus dem Höheren herausentwickelt; das ist die Evolutionslehre. … In den Tieren sehen Sie im buchstäblichen Sinne die Stufen ausgebreitet, die wir zurückgelassen haben. Der Mensch sieht in einem jeden Tiere mehr oder weniger ein zurückgelassenes Stück seiner selbst. … Daher liegt im Menschen der Sinn dessen, was um ihn herum ausgebreitet ist.« (Rudolf Steiner, GA 100, 26.6.1907)
Noch mögliche Geschichten Evolutionsnarrative bei Friedrich Dürrenmatt
Noch mögliche Geschichten. Evolutionsnarrative bei Friedrich Dürrenmatt. In: Berner Zeitschrift für Geschichte. No. 03/21, S. 108-127. , 2021
Evolutionserzählungen sind sowohl im literarischen wie im bildnerischen Spätwerk Friedrich Dürrenmatts in zunehmendem Masse präsent. Die Entwicklung komplexer System fordert sowohl den Schriftsteller wie den Zeichner zu innovativen Entwürfen "noch möglicher Geschichten" heraus. Anhand des Entwicklungsnarrativs lässt sich die Komplementarität des bildlichen und des literarischen Schaffens Friedrich Dürrenmatts exemplarisch aufzeigen.
1983
Literaturauszug aus: Günter P. Wagner: über die logischen Grundlagen der evolutionären Erkenntnistheorie, in: Konrad Lorenz, Franz M. Wuketits (Hg): Die Evolution des Denkens München 1983 Wenn man es zumindest für vernünftig hält, von einer unabhängig vom Bewußtsein eines Subjekts real existierenden Außenwelt zu sprechen, kommt man unweigerlich zu einem viel-diskutierten Problem der Philosophie: " Was kann man über diese Außenwelt erfahren und (vorausgesetzt die Antwort auf diese Frage lautet nicht 'Nichts') worauf gründet sich unser Sprechen und Denken über die Außenwelt?"
Darwin rockt jetzt. Neue Webseiten zur Evolutionstheorie im Darwin-Jahr 2009
Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse umfasst nicht nur die Veranschauli-chung oder Vereinfachung und Präsentation komplizierter Zusammenhänge für einen breiten Adressatenkreis jenseits der Wissenschaft, sondern bringt stets eine Verwandlung, Transfor-mation und Neukonstituierung des vermittelten Wissens mit sich, die unmittelbar von den jeweils eingesetzten Medien abhängig ist. Was heißt das bezogen auf das World Wide Web als Medium der Popularisierung? Welche Vermittlerinnen und Vermittler treten hier in Er-scheinung und mit welchen Methoden sprechen sie welche Zielgruppen an? Wie sieht ‚die Evolution‘ überhaupt aus, die über das Internet verbreitet wird? Worin unterscheidet sich die Aufbereitung im Internet von anderen Formen medialer Präsentation? Wo liegen dessen be-sondere Möglichkeiten oder auch Grenzen in diesem Bemühen der Popularisierung eines Wis-sensbestandes, der durch den Fortgang der Forschung heute komplexer denn je erscheint? Und schließlich: Welche besonderen Ausprägungen an Präsentationsformen bringt ein Ereignis wie das doppelte Jubiläum des 200. Geburtstags von Charles Darwin und des 150. Jahrestages der Veröffentlichung seines Hauptwerks On the Origin of Species hervor?