Worterbuch der Zeit (original) (raw)

Verraeumlichung der Zeit

Liebe Frau Professor Krämer, herzlichen Dank für Ihre sehr freundliche Einführung, und natürlich für die mich ganz besonders ehrende Einladung zu einem Vortrag in dieser Vorlesungsreihe. Meine Damen und Herren, es ist der Begriff der Zeit, über den ich in meinem Vortrag sprechen werde, und zwar möchte ich für die These argumentieren, daß obwohl wir diesen Begriff überhaupt nicht fassen könnten ohne räumliche Metaphern zu verwenden, und auch das praktische Umgehen mit zeitlich ablaufenden Ereignissen erschwert und teilweise unmöglich wäre ohne das Hilfsmittel, diese als räumlich ausgedehnte Muster zu betrachten, die Zeit, dennoch, etwas vom Raum Grundverschiedenes sei, daß also die Vertreter der McTaggartschen "B-Serie" mit ihrer Auffassung, derzufolge die Unterscheidung "vergangen", "gegenwärtig" und "zukünftig" auf die Wirklichkeit nicht zutrifft und man sinnvoll nur von "früher" und "später" sprechen sollte, sich im Irrtum befinden und der philosophische Standpunkt des sogenannten "Vierdimensionalismus" falsch ist, demgegenüber aber der alltägliche Mensch mit Recht meint, daß seine zeitlichen Beschränkungen ganz anderer Art seien als seine räumlichen Beschränkungen -daß das Vergehen der Zeit eine Macht ist, deren Schicksalhaftigkeit nichts im Bereich des Räumlichen entspricht.

Psychopathologie der Zeit

hrsg. v. Maximilian Bergengruen und Sandra Janßen, Zeitschrift für Kulturwissenschaften 1/2021, 2021

In diesem Heft sollen ausgehend vom internationalen Stand der Forschung kulturelle Phänomene gleichermaßen empirisch konzis wie theoretisch avanciert betrachtet werden. Die Unterscheidung von messbarer und subjektiver Zeit oder psychischer Eigenzeit prägt nicht nur wichtige Etappen der modernen Philosophie – spätestens seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert interessieren sich Psychologie und Psychiatrie, aber auch zeitgenössische Literatur für eine pathologische Abweichung des Zeitempfindens. Dem daraus entstehenden Wechselverhältnis gehen die Beiträger*innen nach. Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften dient als kritisches Medium für Diskussionen über »Kultur«, die Kulturwissenschaften und deren methodische Verfahren.

Azcuy 2012. "Die Zeichen der Zeit"

ZMR, 2012

Die Zeichen der Zeit im Lateinamerika von heute: Wege für die Mission Für eine Prophetie einer »gemeinsamen Mission«, der Würde der Frauen und der Ausübung der Spiritualität im städtischen Raum von Virginia R. Azcuy

Von der Gabe, das Zeitliche zu segnen

Hermeneutische Blätter

Ein Vers aus dem Hiobbuch (Hi 1,21) wird häu g in der Grabliturgie zitiert: »Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren. Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen; der Name des Herrn sei gelobt!« Am Grab, angesichts der o ensichtlichen Lebensendes eines Menschen, wird uns das Elementare dieser Aussage bewusst. Wir realisieren, dass unser Leib und Leben Gaben auf Zeit sind und dass wir das Zeitliche segnen müssen und dennoch den Ewigen loben dürfen. Am Ende wird diese Zumutung der menschlichen Existenz schärfer erkennbar. Leben ist eine Gabe auf Zeit. Diese Sicht hat zunächst etwas Bedrohliches. Menschliches Leben steht unter dem Bann eines Zeitlimits. Vom Ende her gesehen wird die göttliche Gnade, die Lebenszeit gewährt, zur Gnadenfrist. Die religiöse Rede scha t mit der Figur des Ewigen alternative Möglichkeiten, um das Bedrohliche dieser Sicht abzuwehren. Leben ist mehr als eine Galgenfrist. Wenn Leben in Fülle möglich ist, wird das Ende möglicherweise zum Übergang. Die Rede vom ewigen Leben soll also die vernichtende Botschaft des Todes vernichten. Sie bleibt aber als religiöse Möglichkeit, gerade weil sie o ensichtlich existentiell notwendig und denkerisch nicht zwingend ist, zwiespältig. Wenn Ewigkeit zur Überwindung der Angst vor der Vernichtung aufgeboten wird, könnte sie sich ja als ein Produkt menschlicher Fantasie und Ausdruck der Todesangst eines Wesens erweisen, dass sich im Laufe der Evolution seiner limitierten Existenz bewusst wird. Das Begehren, bei Gott zu sein und zu bleiben, ist aber für den, der Vertrauen in Gottes Güte hat, mehr als notwendig. Dass unsere leibliche Existenz eine Gabe auf Zeit ist, heisst nicht, dass es eine Beschränkung gibt, innerhalb derer wir dies oder das erfüllen müssten, um nach dem Tod ein neuen Dasein zu fristen. Wer Vertrauen in den Ewigen hat, erkennt in der Befristung des Lebens einen Gewinn. Menschen dürfen das Zeitliche segnen. Sie sind dazu begabt! Götter können sich das nicht leisten. Die Rede vom ewigen Leben hat von dieser Warte her betrachtet nicht den Charakter der immerwährenden Dauer. Die Prolongation des Zeitlichen bleibt im System des Zeitlichen und dem Zeitlichen verhaftet. Wenn aber die Ewigkeit, um nicht vom Zeitlichen verschlungen zu werden, nur mit dem Ewigen zusammen gedacht werden muss und, um ewig zu bleiben,

Zeit und Seele

2014

The title of this paper is 'Time and Soul. A study of the mediation problem between Time and Soul in the works of Aristotle (Phys IV 1014) and its reception in the works of Paul Ricœur'. The goal of this paper is to show that, using Aristotle as a starting point, new perspectives open up regarding the interpretation of the Aristotelian concept of time, so long as it is subjected to a Relecture by utilizing the concept of ψυχή. This paper will proceed as follows: first, a brief summary of Aristotelian natural philo-sophy will be provided, in order to facilitate the study of Aristotle's treatise on time. A close reading of the treatise will follow in chapter 2. Aspects which are central to the flow and aims of the paper will be emphasised (concept of nature, concept of motion, theory of the four principles). Chapter 3 contains a close reading of the Aristotelian concept of time as it is presented in the work 'Time and Narrative' by the French philosopher Paul Ricœu...