Kapelle. Der Sakralraum als Ort religiöser Subjektivierung (original) (raw)

Entschärfte Säkularisierung – gezähmte Religiosität – (multi-)religiöse Räume als räumliche Materialisierungen der Postsäkularisierung

Kurzfassung. Ausgangsannahme dieses Beitrags ist die architektursoziologische Prämisse, Architektur sei we-sentlich an der Gestalt und Gestaltung des Sozialen beteiligt. Dementsprechend versteht der Beitrag multireli-giöse Räume in nicht-religiösen Kontexten als materialisierten und verdichteten Ausdruck des religiösen und gesellschaftlichen Wandels. Durch die räumliche Verortung, die architektonische Gestaltung, die diskursiven Plausibilisierungen und Legitimierungen sowie die Nutzung der religiösen Räume wird die veränderte, postsä-kulare Beziehung zwischen Religion und Gesellschaft verhandelt, transformiert und stabilisiert. Die spezifischen Herausforderungen, die sich für diese religiösen Räume ergeben, und die gestalterischen Antworten auf diese Herausforderungen entspezifizieren dabei sowohl Religion als auch Gesellschaft: Sie " entschärfen " Säkularisie-rung und sie " zähmen " Religion.

Der Sakrale Raum Eines Wallfahrtsortes und Seine Objekte: Maria-Radna

Acta Ethnographica Hungarica, 2008

The sacred space of a place of pilgrimage and its objects: Mariaradna. From the turn of the 17th to the 18th century Máriaradna was a place of pilgrimage for the Catholic inhabitants (Hungarians, Germans, Bulgarians and others) in a vast region of Southeast Hungary. Since the First World War the area of its attraction has belonged to the territory of three countries, Hungary, Romania and Serbia. In the second half of the 19th century and before the First World War the people of settlements visiting the place of pilgrimage erected chapels, columns with sacred images, stations of the cross and statues on the hillside behind the church using concrete, a modern building material at that time. The article examines these structures.

Weltanschauungsarchitektur in einer evangelischen Kirche ‒ die Grab-Altar-Kapelle Hans-Hasso von Veltheims

John Palatini, Georg Rosentreter (ed.): Das Erbe der Veltheims. Schloss, Park und Kirche Ostrau (Ostrauer Schriften, 2). Halle: Mitteldeutscher Verlag, 2014

Im Jahr 1933 ließ Hans-Hasso von Veltheim die in der Patronatsloge der Ostrauer Kirche gelegene schmucklose Privatkapelle seiner Familie zu seinem persönlichen Bestattungsort umbauen. Heute ist die kulturhistorische Bedeutung und Einmaligkeit dieser von ihm so bezeichneten Grab-Altar-Kapelle, in der seit 1990 seine Urne beigesetzt ist, weithin unbekannt. Tatsächlich dürfte es sich um die einzige in der Patronatsloge einer christlichen Kirche er¬richtete Grabkapelle im anthroposophischen Stil handeln.

Sakrale Kulturlandschaftselemente: kontextualisierte Wahrnehmung christlicher Artefakte in religiösen Topographien am Beispiel katholischer Glaubenszeugnisse in der Region Augsburg

2014

Sakrale Kulturlandschaftselemente Kontextualisierte Wahrnehmung christlicher Artefakte in religiösen Topographien am Beispiel katholischer Glaubenszeugnisse in der Region Augsburg Summary Religious artifacts shape places and spaces in many ways. The therefore generated "sacred cultural landscapes" are no static objects but an individual and social constructs. They can be perceived in cognitive, aesthetic and emotional ways. The public awareness and common interest for their preservation and the preservation of single elements is currently increasing, although in many cases for non-religious reasons. Therefore the loss due to secularization and environmental influences is comparatively low. However, their vulnerability concerning vandalism is high. After all, the resilience of sacred cultural landscapes is surprisingly stable. Especially small Christian elements show an incredible persistence when compared to profane artifacts. Theoretically, this can be explained by the individualization thesis and the religious market model. Thus, in a postsecular society the meaning auf sacred cultural landscape elements is rising in a specific way. Fragestellungen und Methodik Dem Christentum katholischer Prägung ist vielerorts oft ein "Willen zur physischen Manifestation" (KÜHNE 2013, 7) in der Landschaft zu Eigen. Es durchsetzt gleichsam den profanen Raum mit sakralen Objekten (z.B. Kapellen, Feldkreuze), wodurch die Alltagswelt religiös modifiziert wird (vgl. Foto 1). Welche Bedeutung diesen religiösen Symbolen bei der Wahrnehmung von Kulturlandschaft zugeschrieben werden kann und wie sich deren Prägekraft entwickelt, ist bislang aber kaum systematisch untersucht worden. Denn mit der Religion unterliegen schließlich auch ihre Manifestationen in der Landschaft einem Veränderungs-und Umdeutungsprozess. Ebenso mangelt es an dezidierten Bestandsaufnahmen zur Generierung der nötigen Informationsbasis, insbesondere mit Blick auf die Pluralisierung postmoderner Sakrallandschaften. Erst in jüngster Vergangenheit werden lokale Aktivitäten zur Erfassung sakraler Kulturlandschaftselemente wieder verstärkt gemeldet, wenngleich mit eher touristischem oder heimatkundlichem Interesse. Der vorliegende Aufsatz will einige dieser Befunde bündeln, um sie im Kontext ihrer theoretischen Deutungsmöglichkeiten zu diskutieren. Insofern soll der Text ein besseres Verständnis für den Wandel sakraler Kulturlandschaften im Kontext ihrer gesellschaftlichen Relevanzen ermöglichen.

Die Kanonisierung des westislamischen Sakralbaus

2006

Kanonisierung des westislamischen Sakralbaus 756 liess sich der aus Syrien geflohene Umaiyade Abd ar-Rahman I. zum Emir von al-Andalus proklamieren und begründete das ‚goldene Zeitalter' des spanischen Islam (1). Vom abbasidischen Kalifat Bagdads politisch weitgehend unabhängig, entsteht an der Peripherie der damaligen islamischen Welt ein westumaiyadisches Machtzentrum. Die von den Abbasiden 750 gestürzte syrische Dynastie wird weit weg von ihrer Heimat rehabilitiert (2). Hauptstadt des neuen Reiches wird Córdoba. Hier lässt Abd ar-Rahman I. um 785, rund dreissig Jahre nach seinem Machtantritt, die damalige Moschee durch einen Neubau ersetzen (3). Mit ihrer über zweihundertjährigen Baugeschichte ist die Cordobeser Hauptmoschee unbestrittenes Hauptwerk der westislamischen Architektur. Als erster und sicherlich wichtigster Grossbau von al-Andalus dokumentiert sie die Bedeutung der Stadt als mittelalterliche Kulturmetropole und ab 929 Sitz des westumaiyadischen Kalifats (4). Zur Terminologie Bevor wir uns der Cordobeser Moschee und ihrer etapenreichen Baugeschichte zuwenden, sind einige allgemeine Bemerkungen zu machen. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, der Frage nach der Kanonisierung des westislamischen Sakralbaus nachzugehen. Dabei will Kanonisierung nach griechischen kanōnízein als "in den Kanon aufnehmen" verstanden werden. Das griechische Kanōn wiederum kann als "Regel, Vorschrift, Gesetz aber auch Muster, Vorbild und Norm" übersetzt werden (5). Eine Reihe von Motiven bestimmen den Typus und die charakteristischen Merkmale einer Moschee. An erster Stelle sind dies der Grund-und Aufriss, die Anlage des Hofes, die verwendeten Baumaterialien, das Dekorprogramm oder das Vorhandensein bzw. Fehlen eines Minaretts. Wichtigstes Element eines islamischen Betsaals ist seit der umaiyadischen Erneuerung der Grossen Moschee von Medina um 705 die Gebetsnische, der sogenannte Mihrab (6). Ihm kommt nicht nur die grösste liturgische Bedeutung zu, ihm wird auch die kostbarste Ausstattung zuteil. Hier werden die architektonischen Anstrengungen gebündelt, hier überschneiden

Sakrale Räume im Schwank

in: Orte der Imagination - Räume des Affekts. Die mediale Formierung des Sakralen, hrsg. v. Elke Koch u. Heike Schlie, München 2016, S. 495-512.

Diese Reisen und Ekstasen außerhalb der überkommenen Bedeutung [ ... ] liefern dem Verstand kein mentales Objekt: sie bringen den Geist in Bewegung, indem sie ihm seine Objekte wegnehmen." (Michel de Certeau, Mystische Fabel) Pietro Lorenzetti's wall painting of the Last Supper, late medieval miracle stories and fobliaux on the ( desecrated) Eucharist share a common sense of sacred space. Dealing with the mystery of the incarnated God, the disappearance of his corpse, and the consecrationlprofonation and circulation of Christ's supplementary bodies, they develop a range of small-scale space models which allow us to observe the traces left behind by the sacred within the frame of everyday life. Here, sacred space is no demarcated and exclusive sanctuary. lt rather emerges where the divine seems to be entirely out of place -in kitchens, cheese baskets or dough troughs. By thus disfiguring the holy places of salvific history, the exempla chosen in the following article reconjigure the theological concept of kenosis -God's se/f-renunciation as he enters the realm of the mortal world equipped with used and dirty tools, wo rn-out utensils and odds and ends, among which the presence of the sacred remains both unseen and evident to the attentive and foithful beholder or listener.

Die Nabel der Welt Überlegungen zur Kanonisierung der „panhellenischen“ Heiligtümer

Kolloquium zum 60. Geburtstag von Rolf Rilinger, 2000

Nabel der Welt -zu sein, das war ein hoher Anspruch und bedurfte der Begründung. Und daher wurde Zeus selbst bemüht, diese herausragende Position, die dem Apollonheiligtum in Delphi zugeschrieben wurde, zu legitimieren. Folgen wir den Darle gungen Strabons, so wußte schon Pindar im frühen 5. Jahrhundert v. Chr. davon zu berichten, daß Zeus jeweils einen Adler am westlichen und östlichen Ende der Welt habe aufsteigen und aufeinander zufliegen las sen. Unmittelbar über Delphi seien beide zusammengetroffen. Auf diese Weise sei Delphi zum Zentrum der Welt bestimmt worden. Sinnfälliger Ausdruck dieser mythologischen Überlieferung war ein steinerner, mit zwei Adlern verzierter Omphalos, der im Inneren des Apollontempels aufgestellt war. 1 War die exzeptionelle Stellung des delphischen Heiligtums, die mit die ser Erzählung eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht wurde, in der Antike auch unbestritten, so war sie aber dennoch nicht einmalig. Es gab mehrere Nabel der Welt. Es wäre für das antike Griechenland auch eher verwun derlich, wenn nicht auch im Verhältnis der zahllosen griechischen Heilig tümer untereinander Konkurrenz bestanden hätte und der Wettstreit um einen führenden Platz prägend gewesen wäre. Das dürfte in besonderer * Die folgenden Ausführungen basieren auf Forschungen über die politischen Funktio nen überregionaler Heiligtümer in der griechischen Staatenwelt, die ich im Rahmen des Münsteraner DFG-Sonderforschungsbereiches 493 "Funktionen von Religion in antiken Gesellschaften des Vorderen Orients" durchgeführt habe. Ich danke den Teilnehmern des wissenschaftlichen Kolloquiums zu Ehren von Rolf Rilinger sowie den Teilnehmern der Perugianer Konferenz "Elis und Olympia" und insbesondere meinen Mitarbeitern Klaus Freitag, Matthias Haake, Michael Jung und Nikola Moustakis, mit denen ich die hier vor getragenen Überlegungen ausführlich diskutieren konnte. Eine italienische Fassung er schien in Geographia Antiqua 11, 2002. Weise bei den Heiligtümern der Fall gewesen sein, deren Wirkungskreis sich schon von ihrer Funktion her über einen engeren lokalen Bereich hinaus erstreckte oder zumindest erstrecken konnte -wie vor allem bei den Orakelstätten oder den Heilkulten. Die berühmte Erzählung Herodots über die Befragung der griechischen Orakel durch den Lyderkönig Kroisos vor seinem Kriegszug gegen den Perserkönig Kyros 2 ist -ganz unabhängig von der Frage der Authentizität des Berichtes -ein deutlicher Erweis, daß es offenbar ein Ensemble griechischer Orakelstätten gab, die aus einer weitaus größeren Zahl solcher

Religiöse Semiotisierungen von Räumen : Einleitende Reflexionen

Zeichenlandschaften : Religiöse Semiotisierungen im interdisziplinären Diskurs

Ob »spatial« oder »topographical turn« – »Raum« erfreut sich in den Geistes- und Kulturwissenschaften gegenwärtig hoher Aufmerksamkeit. Er wird als »Semiosphäre« der Einschreibung wahrgenommen – auch und gerade in Bezug auf religiöse Bedeutungen. Die Beiträge im Sammelband widmen sich aus theologischer und philosophischer Perspektive, aber auch in interdisziplinärer Hinsicht Raumkonstellationen religiöser Semiosen – unter anderem der theologisch produktiven topologischen Repräsentation des Unräumlichen. Indem die Beiträge exegetische, systematische und praktische Disziplinen christlicher und jüdischer Theologie mit der Archäologie, der Philosophie und der Soziologie ins Gespräch bringen, setzen sie die Reflexion des Raumes in mehrfache Richtung in Bewegung: Sie legen »Zugänge« zu Glaubens- und Lebensräumen offen oder verfolgen »Grenzgänge«, auf denen Theologinnen und Theologen die Unsagbarkeit Gottes bzw. des Göttlichen erkunden. Und sie zeichnen die »Ausgänge« der spezifischen Urba...

Spiegel des Sakralen. Ethnologische Reflexionen zum Verhältnis von Maske und Subjekt, in: Archiv für Mediengeschichte 15/2015, hg. von Friedrich Balke, Bernhard Siegert und Joseph Vogl, München: Fink.

Im ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem war von Juni bis Oktober 2015 im Rahmen einer Ausstellungsintervention des Humboldt-Labs ein Werk des französisch-algerischen Künstlers Kader Attia zu sehen: Die Installation Mirror Mask zeigt zwei der typischen Holzmasken aus der Kultur der westafrikanischen Dogon, vom Künstler jedoch mit Spiegelscherben überklebt und Glasvitrinen zwischen den Exponaten der ethnologischen Sammlung platziert. Die Besucher der Ausstellung begegneten in den Spiegelmasken den anderen Objekten im Raum in Form von zersplitterten Spiegelbildern und, je näher sie einer der Masken kamen, vor allem sich selbst. Abb. 1: Kader Attia, Mirror Mask, 2014, Holzmaske, Spiegel, Stahlfuß, 52 x 17,5 x 13,5 (Humboldt Lab Dahlem, Probebühne 7, Projekt »Springer, nochmals«, Foto: Uwe Walter). Attias Installation wirft den Betrachtern ihren exotisierenden Blick zurück. Sie tut dies, indem sie zugleich mit der gebrochenen Medialität des Spiegels 2 auch die gebrochene Medialität der Maske ausstellt: Als Scherbenmaske erfüllt die Maske die ihr zugewiesene Aufgabe als ›Spiegel‹ einer fremden Kultur nicht mehr bzw. nur mehr in verzerrter Form. Es ist weder auf den ersten Blick erkennbar, welcher Kultur die Maske entstammt, noch wen oder was sie darstellt. Die Spiegelmaske reflektiert vielmehr, dass die rituelle Maske meist Projektionsfläche europäischer Fremd-und Selbstzuschreibungen war. Die Leere der Spiegeloberfläche stellt außerdem die ästhetische Entleerung fremdkultureller ›Kunstobjekte‹ in Frage, die, aus ihrem kulturellen und religiösen Sinnzusammenhang entrissen, im Museum zum bloßen Signifikanten von Differenz stilisiert werden. Das finale Gelingen der Grenzziehung zwischen Fremdem und Eigenem wird in Mirror Mask aber gerade angezweifelt: Die Spiegelmaske wirft den europäischen Blick nicht nur zurück, sie nimmt ihn in Form seines Spiegelbilds auch in sich auf und macht ihn zum Teil ihrer selbst. Die 1 Erschienen in: Archiv für Mediengeschichte 15/2015, hg. von Friedrich Balke, Bernhard Siegert und Joseph Vogl, München: Fink 2015, S. 155-166. 2 Vgl. auch Thomas Reinhardt, The Cannibalization of the Other. Mirror, Art, and Postcolonialism in Kader Attia's Repair. 5 Acts, in: http://kaderattia.de/the-cannibalization-of-the-other-mirror-art-andpostcolonialism-in-kader-attias-repair-5-acts/ [Zugriff 30.9. 2015].