"Einleitung" zu: Die Nachricht, ein Medium. Städtische Architektonik, generische Medialität (ambra 2014) (original) (raw)

Robert Musil beginnt seinen Roman Der Mann ohne Eigenschaften mit der Überschrift : » Eine Art Einleitung. Woraus bemerkenswerter Weise nichts hervorgeht. «1 Das Folgende handelt in eindrücklichster Weise von einer Welt, in der sämtliche Eigenschaften generisch sind : eine Welt allgemeiner Natur, in der jedes Ausgezeichnete nur ausgezeichnete Regelmäßigkeit ist, die auf zahlreiche Arten in logistisch ausbalancierten und global-uniformen Verhältnissen variiert : » Über dem Atlantik befand sich ein barometrisches Minimum; es wanderte ostwärts, einem über Rußland lagernden Maximum zu, und verriet noch nicht die Neigung, diesem nördlich auszuweichen. Die Isothermen und Isotheren taten ihre Schuldigkeit. Die Lufttemperatur stand in einem ordnungsgemäßen Verhältnis zur mittleren Jahrestemperatur, zur Temperatur des kältesten wie des wärmsten Monats und zur aperiodischen monatlichen Temperaturschwankung. «2 Und so geht es weiter, über mehr als zweitausend Seiten. Das Fantastische an Musils Werk ist nun aber, dass eine solche Schilderung der Dinge in ihrer prinzipiellen Gleichwertigkeit ein absurdes Projekt darstellt, welches den Erzähler in die eigenartige Situation drängt, nicht primär Episoden aneinanderzureihen und ineinander zu verschachteln, sondern Dinge in ihrer generischen Struktur mit Merkmalen von Regelmäßigkeiten auszustatten, sodass jedes im Gesamtgeschehen des Romans interessant aufgeladen, angereichert und von Aktualität durchströmt wird. Doch alles, was geschieht, geschieht nicht über das Anstoßen von Veränderungen in Situationen, über welche eines zum Nächsten führt und jegliches, was ausgezeichnet ist, voller Implikationen wäre. Stattdessen geschieht alles in Musils Roman unmotiviert oder zumindest ohne zwingenden Grund, sondern einzig durch die Qualifizierung der Aktualität eines Geschehens. Von diesem Geschehen sprechen wir vielleicht am treffendsten als einem, welches vom Erzähler der Vorstellung eines Großen im Ganzen überantwortet worden ist und von dem dieser, in sachlichem Tonfall, lediglich Nachricht erstattet. Wir möchten diese Gedanken als einleitendes Bild verwenden, um damit einen bestimmten Vorstellungsraum zum Nachdenken über Kommunikation und Medialität zu evozieren. Wir wollen Information als natürliches Element begreifen und jenem musilschen Qualifizieren von Aktualität, welches darin zum Ausdruck kommt, eine technische Entsprechung zuweisen : das Codieren von elektrischem Strom zur Übermittlung von Signalen. In einer solchen Natur der Allgemeinheit, so die Behauptung, hängt alles – Musils » Großes im Ganzen « – von der Art und Weise ab, wie erzählt wird. Und so wollen wir, von seiner Erzählhaltung ausgehend, die Dinge in ihrer Generik auszustatten und die energetischen Stromkreise zu modulieren, welche sie durchströmen, eine Alternative zum vorherrschenden kybernetischen Bild des Kommunizierenden als Steuermann in den stürmischen Ozeanen der Informationsflut sehen. Während der kybernetische Steuermann sich jegliche Kommunikation im Hinblick auf die Generalität in der Form der abbildbaren Inhalte hin anschaut, so sieht der Erzähler darin eine symbolisch-stoffliche Lösung allgemeiner Intelligibilität und Sensibilität, die er – ähnlich wie ein Chemiker – weiter aufzulösen, anzureichern und zu sättigen sucht.