Wege der familialen Tradierung von Gewalt(-erfahrungen (original) (raw)
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Gewalt in der Familie und ihre transgenerationale Weitergabe 1
2000
Gewalt in der Familie und ihre transgenerationale Weitergabe 1 Einleitung Gewalt in der Familie ist ein Thema fast ohne Geschichte, nicht weil es nicht immer schon Gewalt unter Verwandten gab, sondern weil eben diese Gewalt erst seit relativ kurzer Zeit Gegenstand von Diskussionen ist. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde Gewalt in Beziehungen hinterfragt und neben aggressiven Handlungen auch strukturelle Gewalt zum Thema gemacht. Folgende Aspekte von Gewalt wurden vor allem auch unter juristischen Gesichtspunkten diskutiert: Gewalt als Scheidungsgrund, Erziehungsgewalt, Gewalt in der Ehe u.a. O´Brien stellte 1971 fest, dass während des 30-jährigen Bestehens des renommierten "Journal of marriage and the family" keine einzige Arbeit mit violence im Titel vorkam, danach die Anzahl der entsprechenden Artikel jedoch sprunghaft anstieg. In den allerletzten Jahren läßt das Interesse an diesem Thema wieder nach und Fragen nach dem biologischen Ursprung menschlicher Verhaltensweisen feiern einen Siegeszug, wie etwa die These, Vergewaltigung sei genetisch bedingt. Eine Gegenüberstellung zwischen Gewalt und Aggression ist hier von besonderem Interesse. Im Schüler-Duden für Psychologie kommt der Begriff der Gewalt gar nicht vor, Aggression wird ausführlich beschrieben: "Unter Aggression wird ein manifestes Verhalten verstanden, dessen Ziel die körperliche oder bloß symbolische Schädigung oder Verletzung einer anderen Person, eines Tieres oder auch einer Sache ist. Die überdauernde Bereitschaft zu aggressiven Verhaltensweisen wird als Aggressivität bezeichnet" (1996, S.10). Das ist eine Definition, die ausschließlich negative Aspekte der Aggression hervorhebt. Vor allem neuere psychoanalytische Theorien der Aggression betonen jedoch auch den positiven Aspekt (nicht als Gegenpol zum Aggressionstrieb, d.h. Selbsterhaltungs-vs. Todestrieb, sondern als dazugehörig) und unterscheiden zwischen nicht-destruktiver Aggression und feindseliger Destruktivität. Unter nicht-destruktiver Aggression bezeichnet etwa Parens (1995) zielgerichtete Verhaltensweisen, die ohne Feindseligkeit sind und bei denen es darum geht, sich zu behaupten, zu schützen und bestimmte Fähigkeiten zu entwickeln. Dabei wird angenommen, dass nicht-destruktive Aggression das Produkt eines angeborenen Systems ist, das der Anpassung und der Umsetzung unserer Wünsche und Ziele dient.
Der Weg zum (terroristischen) Attentäter: Gewalt legitimieren, um Gewalt auszuüben
Kriminalistik, 2015
Zur Erklärung von Anschlägen wie den auf die Redaktion von Charlie Hebdo oder den auf den Boston-Marathon sind etliche Modelle entwickelt worden. Dabei sind insbesondere mehrdimensionale Risikomodelle, die Kriterien abfragen, die direkt mit der Gewalttat assoziiert sind, für die Praxis hilfreich. Basierend auf dem mehrdimensionalen Risikomodell für persönlich motivierte Attentate (Endrass et al., 2014) werden drei Prototypen von Tätern vorgestellt, die massive Gewalt im öffentlichen Raum anwenden: Täter, bei denen eine schwere psychische Störung im Vordergrund steht, Täter bei denen der Anschlag Ausdruck von Dissozialität ist und schließlich solche, die kontextspezifisch Gewalt legitimieren. Vor dem Hintergrund der drei Prototypen wird der Stellenwert von Radikalisierungsmodellen kritisch diskutiert und dem Konzept der Legitimierungsarbeit für Gewalt gegenüber gestellt, das erklärt, wie es einer Person, die bisher nicht durch Gewalt aufgefallen ist, gelingt, ihre persönlichen Normen so anzupassen, dass auch extreme Formen von Gewalt als legitim angesehen werden.
Sexuelle Gewalt im Kontext der Lebens- und Familiengeschichte erinnern
Sozial Extra, 2012
/ Das Wichtigste in Kürze Biografisches Erzählen ist ein Prozess, in dem Erinnerungen, historische Fakten mit situationsgebundenen bzw. gegenwartsbezogenen Anforderungen verknüpft werden. Wenn es hierüber aufgrund des Tabus, über (sexuelle und nationalsozialistische) Gewalt zu sprechen, zu ahistorischen Neuschreibungen von Biografien kommt, führt dies zu belastenden Lebenssituationen, auch wenn dieser soziale Anpassungsprozess zunächst Erleichterung verspricht. Dieses Ergebnis spricht für eine Historisierung von Biografien.
Häusliche Gewalt -Handlung und Struktur im familialen Beziehungsgefüge
2020
Häusliche Gewalt ist zu einem aktuellen Thema in Politik und Wissenschaft avan-ciert. Forschungen der letzten Jahrzehnte brachten ihr Ausmass, mögliche Ursachen und die Folgen zutage. Um die sozialpolitische Relevanz der Thematik einzuschätzen, wird vordergründig zumeist auf eine quantifizierende Perspektive abgestützt. Im vor-liegenden Artikel wird argumentiert, dass eine derartige Perspektive die vielschichte Komplexität häuslicher Gewalt kaum zu fassen vermag. Wichtige Facetten häuslicher Gewalt als eines prozessualen Geschehens innerhalb je spezifischer familialer Bezie-hungsgefüge werden erarbeitet und diskutiert. Es wird argumentiert, dass gerade diese Beziehungsgefüge einen wichtigen Anhalts-und Ausgangspunkt bilden sollten für eine systematische und fundierte Auseinandersetzung mit dem komplexen Phänomen der häuslichen Gewalt.
Über das wirksamen Auftreten gegen Gewalt innerhalb der Familie – de lege ferenda
Emlékkönyv Losonczy István professzor halálának 25. évfordulójára, 2005
n den letzten Jahren verstärkerte sich in osteuropäischen Gesellschaften der Anspruch auf das staatliche Auftreten gegen gewaltsame Taten, die am häufigsten gegen Frauen und Kinder von ihren Familienangehörigen begangen wurden. Obzwar die Forderungen in „frauenrechtlichen” Gewand bedeckt sind, betrifft diese Frage nicht nur das schwache Geschlecht und die geschäftsunfähigen Kinder, sondern auch die ganze Gesellschaft, ebenso deren männliche Mitglieder. Während in unser Heimat erarbeitete die Regierung eher präventionszentrische Wege, verlangen solange die Frauenschutzorganisationen Veränderungen von Rechtssätzen, strengeres behördliches Auftreten, drastische Bestrafung der Täter.
Genealogien von Gewaltstrukturen in Kinderheimen
2020
The paper, with Germany as an example, discusses traditional lines of modernisation processes that would dominate structures of violence in children's homes until the 1970s. The psychiatrisation of childhood took place since the mid-19th century (Michel Foucault), beginning with anti-masturbation campaigns, and using the biological heredity model of degeneration theory. With the help of the heredity paradigm, the Christian standardisation of a "sinful way of life" entered the sciences and as such became the basis for the medicalisation of the "incorrigible child". The psychiatric theory of degeneration, having used the category of "psychopathic inferiority" to summarise physical, sexual and social deviations ever since the 1880s, finally provided the passepartout for the legal concept of "neglect", which became relevant for court injunctions ordering coercive education. Christian sexual morals and work morale having been welded onto the &q...
Gewalt – Wahrnehmungen, Betrachtungen, Darstellungen
Humboldt-Universität zu Berlin, bologna.lab eBooks, 2016
Wie werden Gewalterfahrungen wahrgenommen, betrachtet, gedeutet und dargestellt? Und wie können wir uns diesen Gewaltdarstellungen wissenschaftlich nähern? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Q-Tutoriums. Auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlichen Materialien haben wir uns diesen Fragen genähert und sie diskutiert. Dabei gerieten sowohl theoretische Ansätze als auch Bild-und Textmaterial aus Geschichte und Gegenwart in den Fokus. An zwei Wochenenden haben wir einzeln und in der Gruppe, im Seminarraum und im Museum, an Texten, Bildern, Radiobeiträgen und Gegenständen gearbeitet und immer wieder nach den Darstellungsformen undmöglichkeiten von Gewalt gefragt und dabei das Verhältnis von realen Gewalterfahrungen und dem Abbilden von Gewalt problematisiert und diskutiert. Erfahrungsbericht Bei einem ersten Kennenlern-und Auftaktreffen haben wir die organisatorischen Fragen geklärt, den Ablaufplan besprochen, die Teilnahmebedingungen, den Erwerb von Leistungspunkten und sowohl mündlich als auch in anonymisierter Fragebogenform die Vorkenntnisse, Interessen und Erwartungen ausgetauscht.
Praxis Der Kinderpsychologie Und Kinderpsychiatrie, 2009
Efects of Traumatic Stress he diagnosis PTSD does not adequately describe the impact of exposure to childhood trauma of the developing child. he objective of the study was to examine the prevalence of diferent interpersonal trauma types and to describe the long-term efects of maltreatment and neglect in a clinical sample of 34 adolescents. he majority (62 %) of the sample was exposed to two diferent types of trauma during childhood. Emotional abuse and emotional neglect have been the most common trauma types (59 %; 53 %). 71 % of the traumatized adolescents did not meet the criteria for PTSD. he most common diagnosis in the sample was Borderline Personality Disorder. All average scores at SCL-90-Symptom-Scale were clinical signiicant. Half of the sample reported suicide attempts and self destructive behavior. One third reported substance abuse and aggressive behavior against others respectively. None of the traumatized adolescents had a positive Self-concept. Altogether the results show that abused children and adolescents have a range of psychological sequelae that are not captured in the PTSD diagnostic criteria. herefore the results support the necessity for a new and more precise diagnosis for chronically traumatized children and adolescents.