Die Friedensfrage in der liberalen politischen Philosophie (2019) (original) (raw)
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Das übergangene Wissen, 2017
Der interventionistische liberale Staats-und Friedensaufbau ist seit den 1990er Jahren der Standardansatz für Frieden in der Internationalen Politik: "The liberal peace is the foil by which the world is now judged" (Richmond 2008b: 449). Diese Folie bildet den Hintergrund, vor dem hier die Präsentation der vier afghanischen Basisorganisationen geschieht. Die Empfänger*innen des liberalen Friedensaufbaus erhalten diesen als "Geschenk", nicht als Ergebnis einer selbstbestimmten Entscheidung oder Aushandlung. Angesichts der Auswahl der vier Organisationen als diejenigen, die einen Frieden anstreben, der nicht übereinstimmt mit dem existierenden, extern gesteuerten Peacebuilding-Programm, ist von einer Spannung zwischen deren Analysen und Zielen und der Theorie des liberalen Friedens bzw. davon abgeleiteten Programmen auszugehen. Wenn wir die Spannung zwischen lokalem und globalem Wissen begreifen, schreibt Mona Singer, können Ideen und Praktiken entwickelt werden für die Umverteilung von Wissensmacht (vgl. Singer 2005: 241). Auch Christine Löw schlägt eine solche kontrastierende Vorgehensweise vor, die sie als feministischpostkoloniale Praxis begreift (vgl. Löw 2009). Mit dieser Kontrastierung wird die epistemische Gewalt der Theorie des demokratischen/liberalen Friedens beleuchtet. Das Ziel einer solchen dekolonialen Strategie sieht Sandra Halperin darin, dass der dominante Mythos nicht weiter beibehalten werden kann (vgl. Halperin 2006). Eine kurze Darstellung der Theorie des liberalen/demokratischen Friedens in ihrer Bedeutung für militärische und nicht-militärische Interventionen und für Konzepte für Friedens-/Staatsaufbau steht hier vor den Analysen, Aktivitäten, Problemen und Zukunftsvisionen der vier afghanischen basispolitischen Organisationen, um die bestehende Spannung zwischen diesen dermaßen unterschiedlichen Erzählungen beim Lesen präsenter und nachvollziehbarer zu machen. Im abschließenden Kapitel werde ich diese Spannungen anhand einiger Aspekte des liberalen Peacebuilding in Afghanistan herausarbeiten.
Suche nach Frieden : politische Ethik in der frühen Neuzeit
W. Kohlhammer eBooks, 2000
1. Den beiden im vorigen Jahrgang dieser Zeitschrift vorgestellten Sammelbänden zur frühneuzeitlichen Friedensethik 1) ist rasch, wiederum von Norbert Brieskorn undMarkus Riedenauer herausgegeben, der abschließende Band III gefolgt. Wie in den voraufgegangenen Bänden unterrichten die Herausgeber in einer ausfuhrlichen Einleitung vorzüglich über den reichhaltigen Inhalt, "Differenzierungen der politisch-ethischen Diskurse zu religiöser, inner-und zwischenstaatlicher Koexistenz" (9-33). Die insgesamt dreizehn Beiträge sind thematisch in vier Gruppen gegliedert. 2. Die ersten drei Arbeiten erscheinen unter dem Titel "Politische Herrschaft und religiöse Toleranz" (35-115). Zuerst gibt der Philosophiehistoriker Wilhelm Schmidt-Biggemann (Berlin) eine ideengeschichtliche Tour d'horizon unter dem Titel "Souveränität, Toleranz, Widerstand. Skizzen zu politischen Aporien aus dem konfessionellen Zeitalter" (37-54). Der schon im Spätmittelalter heftige Gegensatz zwischen geistlichen und weltlichen Gewalten wird an Marsilius von Padua verdeutlicht. Zugleich hebt der Verfasser treffend die Verschärfung der Konflikte nach der Glaubensspaltung im Abendland hervor. Die Souveränitätslehre Jean Bodins (f 1596) wird als Gegenposition zu den so genannten Monarchomachen gewürdigt (47ff.), ebenso zu Johannes Althusius (t 1638). Der Kulturwissenschaftler Hans-Rüdiger Schwab (Münster) widmet seinen Beitrag einem im 20. Jahrhundert als aktuell wiederentdeckten frühen Vordenker der Toleranz, dem aus Savoyen stammenden reformierten Gegner Calvins, Sebastian Castellio (1515-1563): ",Einen Menschen töten heißt nicht, eine Lehre verteidigen, sondern einen Menschen töten': Sebastian Castellio" (55-86). Norbert Brieskorn (München), als Rechtsphilosoph und Rechtshistoriker bestens bekannt, führt systematisch in das verstreute Werk Pierre Bayles (1647-1706) ein: "Pierre Bayle oder der neue Blick auf Atheismus, Toleranz und Frieden" (87-115). In der Nachfolge des Erasmus war Bayle, der seit 1681 in Rotterdam lebte, ein entschiedener Gegner des Krieges überhaupt ("Das Grauen des Krieges gegen die Zerbrechlichkeit des Friedens", 105ff). 3. Die nächsten drei Beiträge sind unter der Überschrift "Individueller Friede und Verantwortung fur das Ganze" vereinigt (117-213). Der Historiker Merio Scattola (Padua) geleitet ins Zentrum der bis heute aktuell gebliebenen Diskussion über die Erlaubtheit des Krieges: ",Wie der König im Krieg nach der wahrscheinlichen Meinung handeln soll'. Die Kriegslehre des Gabriel Vázquez im Horizont des Probabilismus" (119-153). Die Position des scharfsinnigen Jesuiten Gabriel Vázquez (1549-1604), der als Moraltheologe des , spanischen Zeitalters' in der Tradition des Thomas von Aquino nach praktischen Handlungsanweisungen für die ihrem Gewissen unterworfenen Regenten und Regierten sucht, wird vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Diskussion plastisch geschildert. Die Figur des ') ZRG Germ. Abt. 121 (2004) 692ff.
Kants Utopie des ewigen Friedens und die Topik der Politik
Dialektik, 2002
Kants Schrift Zum ewigen Frieden, erfreut sich heute, nachdem sie lange Zeit kaum Beachtung gefunden hatte, höchster Wertschätzung. 1 Sie stellt in den Augen vieler Interpreten das Paradigma eines philosophischen Textes dar, der unmittelbar praktische Orientierung stiften kann. Ihr Grundgedanke, Politik auf die Realisierung des Friedens zu verpflichten, wird immer häufiger als die Basis einer zeitgemäßen Konzeption des Politischen betrachtet. Diese verbreitete Ansicht bedarf einer Überprüfung. Die Gedankenführung der Friedensschrift ist komplizierter, als die populäre Form vermuten läßt. So wird Kant im allgemeinen die Auffassung zugeschrieben, daß der Friede Zweck allen politischen Handelns sei. Das ist zutreffend, aber irreführend. Der Friede ist durchaus Endzweck der Politik, aber nicht ihr handlungsleitendes Prinzip. Nicht die Idee des Friedens, sondern die Realisierung des Rechts ist als unmittelbarer Zweck des Handelns anzusehen. Kants Friedensprogramm liegt die Hypothese zugrunde, daß die Realisierung des Rechts de facto in einen Zustand ewigen Friedens mündet. Diese Konzeption ist alles andere als selbstverständlich. Ihre Plausibilität hängt davon ab, daß der Begriff der Politik eine Verbindung stiftet zwischen der Sphäre des primär an Macht orientierten realen Handelns und der idealen Geltung rationaler Prinzipien, die jedes Machtkalkül transzendieren.
Friedenserziehung in der Diskussion
1973
schaftliche Bedingungen des Friedens, Darmstadt und Neuwied 1972; und die Beiträge von M. Gronemeyer und Emer/Schierholz in diesem Band. 6 Hans Nicklas und Knne Ostermann, Uberlegungen zur Ableitung friedensrelevanter Lernziele aus dem Stand der kritischen Friedensforschung. In: Christoph Wulf a. a. 0. 7 Vgl. dazu die Dokumentation von Ingeborg Gerritzen, Praktische Friedensarbeit in der Bundesrepublik, im Anhang dieses Bandes, die eine relativ breite Ubersicht über entsprechende Gruppen gibt, die allerdings nicht alle in ihrer Orientierung dem hier vertretenen Konzept von Friedensarbeit entsprechen.
2021 - 7 Hauptbegriffe der Friedenserziehung - Andreu Ginestet - Karolin Kappler
Bei diesem Dokument handelt es sich um eine Vortragsvorlage. Zitat aus dem Inhalt: "Wir definieren den jetzigen Zustand der Welt als den eines passiven/aktiven Krieges (Dezember 2011) Es gibt ein öffentliches Denkmal in den USA wonach die Weltbevölkerung unter 500 Millionen und in permanenten Gleichgewicht mit der Natur gehalten werden soll. Es handelt sich um die Georgia Guide Stones, die 1980 errichtet wurden. Deutschland ist aufgrund der Kostenexternalisierung in einem passiven Krieg involviert (u.a. Bauchnabelschau, soziale Ungleichheit, die Nachhaltigkeitsagenda wird gedrosselt, etc.) Es gibt keinen passiven Frieden Es gibt nur aktiven Frieden (siehe Johan Galtung zwecks Definitionen, Transcend University) Aufbau vor eines weltweiten Netzwerks an Komplexitätsobservatorien. Die Aufgaben dieser Observatorien besteht aus den 4 Einführungsbegriffen + den 3 in 2012 zusätzlich eingebauten begriffen in einer Kooperation mit dem Rumänischen Militär. Die neue Reihenfolge an Prioritäten ergibt sich wie folgt: Trauma reduzieren (damit sind auch soziale Trauma gemeint wie strukturelle Gewalt) Empathie erhöhen, Großzügigkeit, Kreativität, Epigenetik pflegen, Komplexität gestalten, Solidarität Deswegen kann so ein Observatorium an jeder Institution eingerichtet werden die sich an dem Prozess beteiligen möchte. Der Frieden muss als allgemein gültige Norm verbalisiert werden. Man sollte es meiden den Krieg als natürlich zu erklären. Gewalt ist natürlich, bis zu einem gewissen Grad, aber der Krieg ist das Resultat von nicht verantwortlichem Umgang mit Komplexität. Deswegen wird an Schulen das Buch Pax vorgestellt, sowie die Original Mitschriften des Andrés Ginestet während der NATO/EU Sitzungen in 2012 und 2013. "
Joseph Jurt Die Debatte zwischen Charles Andler und Jean Jaurès über den Friedenswillen der deutschen Sozialdemokraten Charles Andler (1866-1933) legte 1997 eine Dissertation zum Thema Les origines du socialisme d’Etat en Allemagne vor. Im Zentrum stand die Sozialgesetzgebung von Bismarck, die fortschrittlicher war als die des demokratischen Frankreich. Jaurès, der fast gleichzeitig mit ihm die ENS besucht und wie er sich zum Sozialismus und die Sache von Dreyfus entschieden hatte, widmete seine (zweite) thèse ebenfalls dem deutschen Staatssozialismus. Er ging bei seiner Suche nach den Ursprüngen bis auf die Reformation und Luther zurück, während Andler antithetischer argumentierte und von Hegel ausging. Wenn Andler 1904 zum Professor an der Sorbonne ernannt wurde, dann als Vertreter einer neuen Germanistik, der die Aufgabe übertragen wurde, die Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich herauszuarbeiten und die Überlegenheit der französischen Ordnung zu belegen. Nach seiner Installierung als Hochschullehrer entfernte sich Andler etwas von Jaurès, warf ihm vor, das aggressive Potenzial des Deutschen Reiches zu unter- und den Friedenswillen der deutschen Sozialdemokraten zu überschätzen. Diese Auseinandersetzung mit Jaurès in den Jahren 1912 bis 1913 soll im Zentrum des Beitrags stehen.
Mein Fokus sind nicht die Friedensprojekte der Aufklärung von William Penn bis zum frühen Fichte, nicht Kants politischer Kosmopolitismus, auch nicht sein berühmtes und viel diskutiertes Weltbürgerrecht. Ich werde mich auch nicht mit der politischen Philosophie beschäftigen, etwa mit der schon seit Machiavelli und Montesquieu gestellten Frage, ob der Republikanismus zum Frieden führe. Stattdessen möchte ich ein vergessenes Thema aufgreifen, das im Zeitalter der Aufklärung wenigstens in Ansätzen bearbeitet wurde: die Denkungsart. Ich werde der Rolle der Denkungsart bei manchen Philosophen des Zeitalters der Aufklärung nachgehen, etwa bei Smith, Rousseau und vor allem bei Kant, der meiner Meinung nach dieses Thema am klarsten formulierte und diskutierte. Ich beginne mit Aspekten des Denkens der Aufklärung, die der Konzeption einer erweiterten Denkungsart förderlich waren, unterscheide zwischen unreflektierter und reflektierter Aufklärung, die „Aufklärung über die Aufklärung“ betreibt und zwischen einem systematischen Denken und dem herkömmlichen Systemdenken. Die erweiterte Denkungsart des Friedens kontrastiere ich mit ihrem Gegenstück, der eingeschränkten Denkungsart. Die erweiterte Denkungsart ist bei Kant der epistemologische oder kognitive Kosmopolitismus des so genannten Weltbürgers, der versucht, den „Egoismus der Vernunft“ zu transzendieren und die Perspektive von Adam Smiths „Impartial Spectator“ einzunehmen. Im letzten Abschnitt nenne ich mögliche Beispiele aus dem 18. Jahrhundert für diese Denkungsart, aus dem Bereich des Streits der christlichen Konfessionen, der ethnozentrischen Vorurteile und dem Gebiet der Metaphysik.