Die Altertumswissenschaften an der Universität Frankfurt 1914 - 1950 : Studien und Dokumente / Roland Färber und Fabian Link (Hg.). - Basel : Schwabe, 2019. - 376 S. : Ill. ; 25 cm. - ISBN 978-3-7965-4039-4 : SFr. 68.00, EUR 68.00 (original) (raw)
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Die Altertumswissenschaften an der Universität Frankfurt 1914-1950. Studien und Dokumente
2019
Der Band beleuchtet die Geschichte der Altertumswissenschaften an der Universität Frankfurt am Main von deren Gründung im Jahr 1914 bis ca. 1950. Der Schwerpunkt liegt auf der Zeit des NS-Regimes. Die Beiträge befassen sich mit Frankfurter Altphilologen, Althistorikern, klassischen und vorderasiatischen Archäologen und behandeln erstmals deren Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber dem Nationalsozialismus. Außerdem geht es um die strukturellen und semantischen Transformationen ihrer Fächer nach dem Machtwechsel 1933. Die Beiträge beruhen vornehmlich auf bisher wenig bekanntem Quellenmaterial aus dem Universitätsarchiv Frankfurt und weiteren Archiven in Deutschland und Österreich. Sie gehen auf ein studentisches Forschungsprojekt an der Goethe-Universität zurück.
Die Altertumswissenschaften an der Universität Heidelberg 1933-1945 (with U. Thaler)
W. U. Eckart, V. Sellin, and H. Wolgast (eds.), Die Universität Heidelberg im Nationalsozialismus, Heidelberg: Springer 2006, 391-434
Wenn das Wort, dass es in Heidelberg bald nach der Machtergreifung Hitlers schon zwei Ruinen gegeben habe -das Schloss und die Universität -von einem Altertums wissenschaftler stammt, so ist dies kein Zufall. Ludwig Curtius (1874-1954), Ordina rius und Direktor des Archäologischen Instituts (1920-28), Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom (1928-37) und ordentlicher Honorarprofessor am Archäologischen Institut der Ruperto Carola, hat die Situation nach den Ver folgungen und vor allem nach der Unterwerfung der klassischen Altertumswissen schaften unter die Ideologie des Nationalsozialismus treffend charakterisiert. Wie viele seiner Kollegen lehnte auch der zunächst nationalsoziale und später deutsch nationale Curtius, trotz anfänglicher Begeisterung für das faschistische Italien und häufiger Adaption der Thematik und des Vokabulars der NS-Ideologie, den Nati onalsozialismus grundsätzlich ab, nicht aus einem politischen, sondern aus einem »humanistischen Widerstand« heraus. 1 Seine 1937 erzwungene Zurruhesetzung habe er »wie einen Ritterschlag« empfunden. 2 Es ist auch kein Zufall, dass die Alter tumswissenschaften in besondererWeise nationalsozialistischen Einflüssen zugäng lich waren; denn bereits lange Zeit vor der Machtergreifung griffen der italienische Faschismus, der deutsche Nationalsozialismus und vergleichbare Bewegungen in Europa (z.B. die Diktatur von Ioannis Metaxas in Griechenland, 1936-41) gezielt Aspekte des klassischen Griechenland und des alten Rom auf, die als Paradigmen für ihre Ideologie verwendbar erschienen: Die Annahme einer Überlegenheit der »arischen Rasse« wurde durch den Verweis auf die kulturellen Errungenschaften der griechisch-römischen Antike gestützt, die Unterordnung des Individuums unter 1 Zu Curtius s. Herbig: Curtius zum Gedächtnis, und Curtius; Reinhardt: Gedenkwort Curtius; Brendel: Erinnerungen; Jansen: Professoren und Politik, S. 24, 100f., 157f., 180; Faber: Huma nistische und faschistische Welt (auch zu Curtius' ambivalenter Einstellung zum Nationalsozia lismus und Faschismus). Aufschlussreich sind außer seiner Autobiographie (Curtius: Deutsche und antike Welt) auch seine Tagebuchaufzeichnungen 1942-44 (Curtius: Torso, S. 287-296, z. B. S. 288) und Briefe (Curtius: Torso, S. 297-323). Für seinen »humanistischen Widerstand« s. Curtius: Deutsche und antike Welt, S.512. Curtius' Faszination vom alten Rom im neuen Italien Mussolinis wird deutlich in Curtius: Mussolini, auch wenn diese öffentlichen Vorträge eines Direktors des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom nur bedingt seine Ansichten widerspiegeln; vgl. die rückblickenden Beobachtungen in Curtius: Deutsche und antike Welt, S. 495-502. 2 Curtius: Deutsche und antike Welt, S. 526. 392 4 Die Philosophische Fakultät die Interessen des Volkes und des Staates als dorische und altrömische Tugenden gepriesen, Rom als Kristallisationspunkt eines Weltreiches bewundert, das heroische Idealbild in Literatur und Kunst mit dem Militarismus verknüpft. 3 Unter den Altertumswissenschaften war vor allem die Ur-und Frühgeschichte angesichts ihrer Bedeutung für die Geschichte der Germanen stark ideologisiert, schon lange Zeit vor der Machtergreifung. 4 Die Unterstreichung der Aktualität und der Relevanz einer altertumswissenschaftlichen oder historischen Disziplin für die jeweilige Gegenwart gehörte und gehört zu den -legitimen -Förderungsstrategien eines Faches. Im Dritten Reich wandelte sich jedoch der Gegenwartsbezug der Altertumswissenschaften in vielen Fällen zu einer bedingungslosen Anpassung der Forschungsprojekte und des Lehrstoffes an die ideologischen Interessen und die Bildungsideale des NS-Staates -in Heidelberg wird dies besonders im Wirken von Dozenten wie Bilabel, Oppermann und Schachermeyr deutüch. Zu Beginn der dreißiger Jahre genossen die Heidelberger Altertumswissenschaften einen guten Ruf. Neben der traditionsreichen und personell sehr gut ausgestatteten Klassischen Philologie (mit zwei Ordinarien und vielen Assistenten, Lehrbeauftragten und außerplanmäßigen Professoren für die Pflege von Hilfsdisziplinen) und dem bedeutenden Archäologischen Institut, dessen Direktor Ludwig Curtius 1928 auf die renommierte Stelle des Direktors des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom gewechselt hatte, entwickelten sich gerade in den letzten Jahren der Weimarer Republik neue dynamische Institute. Die altgeschichtliche Abteilung des Archäologischen Instituts wurde 1925 in das Seminar für Alte Geschichte umgewandelt, 1928 begründete Hermann Ranke das Ägyptologische Institut und seine Sammlung. Das Spektrum der Altertumswissenschaften wurde durch den »Lehrapparat für Vorgeschichte« im Archäologischen Institut (1932) und die intensive Pflege der Papyrologie ergänzt. Im Umkreis der Altertumswissenschaften wirkten die Indogermanisten Güntert und von Kienle, 5 der Philosophiehistoriker Franz Josef Brecht und der Rechtshistoriker Ernst Levy, der zusammen mit dem Latinisten Meister römische Rechtstexte für Philologen und Juristen interpretierte. Zu den prominentesten Vertretern der Altertumswissenschaften zählten neben Curtius eben Meister und der Gräzist Regenbogen, der Epigraphiker Christian Hülsen (1858-35), der als ordent-3 S. die Forschungsberichte und detaillierte Bibliographien von Näf: Zu den Forschungen, und
beschrieben. Aber, so hüBner weiter, die Rekonstruktion von kontextuellem Wissen habe ihre analytischen Grenzen: Rhetorische Strategien des Glaubhaftmachens seien nicht an ein lateinisches Regelsystem gebunden, sondern davon unabhängige universelle Argumentationsmuster, genauso wie auch niemand narratologische Kenntnisse brauche, um zu erzählen. 26 Daher könne "[e]in rhetorisch angeleitetes Interesse an der älteren deutschen Literatur [...] Zusammenhänge zwischen glaubhaft Gemachtem, Verfahrensweisen des Glaubhaftmachens und als glaubhaft Vorausgesetztem nachgehen, um kulturelle Wissenspraktiken zu rekonstruieren." 27 Eine derartige Arbeit muss für den 'Tristan' noch geschrieben werden.
Seit den 1970er Jahren haben frauengeschichtliche Studien für die antiken Gesellschaften nachgewiesen, dass fehlende Sichtbarkeit von Frauen in den Quellenmaterialien weder mit Bedeutungslosigkeit noch mit Abwesenheit gleichgesetzt werden kann; die weibliche Gegenwärtigkeit in den politischen, religiösen und ökonomischen Praktiken der antiken Kulturen ist heute nicht mehr zu bestreiten. Kaum untersucht jedoch ist die Bedeutung der Arbeit von Frauen in den Institutionen und Prozessen der Produktion von Wissen über das mediterrane, vorderasiatische und nord- -n°6 -2016