Europäische Geldpolitik (original) (raw)
1995, Europäische Geldpolitik zwischen Marktzwängen und neuen institutionellen Regelungen
Einleitung Die Erfahrung, daß die vertragliche bzw. gesetzliche Festschreibung eher als Schlußstrich unter ein Reformprojekt denn als ein Schritt zur Vollendung derselben zu betrachtet ist, scheint sich im Falle der Maastrichter Verträge erneut zu bestätigen. Kaum war der Ratifizierungsprozeß abgeschlossen, setzte eine Debatte ein, in deren Verlauf das eigentliche Ziel der Verträge -eine alle Mitglieder der Europäischen Union umfassende Währungsunion -in den Hintergrund gedrängt wurde. Begriffe wie 'Europa der zwei (oder mehr) Geschwindigkeiten', 'variable Geometrie', 'konzentrische Kreise' 'Kerneuropa' usw., die alle in den Maastrichter Verträgen nicht vorkommen, kennzeichnen die neue Ebene der Diskussion. Ziel des Buches ist es, zu der notwendigen Verständigung über die grundlegenden geldpolitischen Optionen und ihre institutionellen Implikationen beizutragen. Die in diesem Buch vorgestellten Analysen von Vertretern monetär-keynesianischer und/oder institutionalistischer Ansätze aus Großbritannien, Italien, Kanada, Österreich und Deutschland unterscheiden sich vom Tenor der herrschenden Debatte, insofern sie -aus je spezifischen Blickwinkeln -das Vertrauen in die integrative Wirkung offener Währungs-und Finanzmärkte in Frage stellen. Sie zeigen, daß die Konflikte, die die europäischen Integration heute gefährden, nicht auf externe Schocks oder Unzulänglichkeiten der Wirtschaftspolitik einzelner Länder zurückgeführt werden können, sondern auf den utopischen Charakter bzw. die Einseitigkeit des dem Maastricht-Prozeß zugrundeliegenden Integrationsmodells selbst verweisen. Und sie geben Anstöße für die Entwicklung institutioneller Neuregelungen, die dem veränderten sozialen, politischen und ökonomischen Kontext der neunziger Jahre gerecht werden. Das Buch ist in vier Abschnitte gegliedert. Im ersten Teil werden die historischen, wirtschaftspolitischen und institutionellen Aspekte der europäischen Wirtschafts-und Währungsintegration näher beleuchtet. Teil zwei geht näher auf die innere Struktur und die Widersprüche des EWS sowie die Ursachen und Hintergründe der Währungsturbulenzen 1992/93 ein. Der dritte Teil setzt sich kritisch mit dem Projekt der Europäischen Währungsunion auseinander, wobei Probleme der Peripherisierung, Fragen der geldpolitischen Handlungsspielräume und Schwierigkeiten des Übergangs thematisiert werden. Im abschließenden vierten Teil schließlich wird -ausgehend von der Analyse der Wirkungen zunehmenden Wettbewerbs im Banken-und Finanzsystem einerseits, wachsender Konkurrenz auf den Währungsmärkten andererseits -die Bedeutung politisch-institutioneller Neuerungen herausgearbeitet.