Schuld und Schulden (special issue), in: WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozialforschung, 16, 2/2019. (original) (raw)
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The Knowledge of Debt: Law, Media Technique, and Everyday Experience in Liberal Capitalism. Performing an object such as 'the economy' hinges on practices of formatting knowledge. The article proposes to look at such instituting moments in connection with social conflicts over the legitimate rules of exchange. This is exemplified by way of recounting the story of the codification of Swiss bankruptcy law in 1889. In order to homogenize the legal procedures of debt collection and bankruptcy, two subject categories were instituted: 'merchants' and 'non-merchants'. These different categories were thought to account for the diverging temporalities and spaces of credit exchange in everyday economic life. The introduction of the commercial register, a media-technical apparatus, enabled a formal distinction between 'merchants' and 'non-merchants'. However, this boundary was contested and proved to be porose. * Ich danke den Gutacherinnen oder Gutachtern für ihre hilfreichen Kommentare und die Ermutigung, zum Schluss verstärkt eine Theoretisierung zu wagen. Fehler und Ungenauigkeiten liegen allein bei mir.
Schulden - Eine Kultursoziologie der ökonomischen Dinge
Die Finanz-und Schuldenkrise hat eine Reihe von eindrücklichen Ruinen hinterlassen. Laut Walter Benjamin ist die Ruine die Geschichte, die sich "sinnlich in den Schauplatz verzogen" hat (Benjamin 1991: 253). Dieser Schauplatz moderner Geschichte zeigt uns allerdings nicht die Zerstörung vergangener Kriege oder die Stätten vergangener Industrieproduktion, wie es für moderne Ruinen typisch ist (Huyssen 2010; Hell/Schönle 2010; Edensor 2005). Stattdessen sind diese Ruinen materielle Zeugnisse einer oft als immateriell, technisch und opak beschriebenen Finanzwelt, die zusammengebrochen ist (Schulze-Dornburg 2010). Diese Häuser, die nie bezogen wurden oder die verlassen werden mussten, sind Ruinen vergangener Zukunftsentwürfe, die von einer Schulden-und Kreditökonomie bereitgestellt wurden. Als Ruinen stellen sie die Zerstörung dieser Zukunftsform aus. Können diese Ruinen den Ausgangspunkt für eine kultursoziologische Betrachtung von modernen Schuldenbeziehungen bilden? i Im Folgenden werde ich versuchen, die Ruine als ein Vexierbild der Schuldenökonomie sichtbar zu machen. Die These, die ich dabei vertreten werde, lautet, dass die Schuldenökonomie eine spezifische Form der Beziehung zu den Dingen unterhält, die sie ökonomisiert. Die kultursoziologische Betrachtung der Ökonomie hat bisher der Warenform eine herausragende Rolle für das Verständnis der Ökonomisierung beigemessen. Gleichzeitig scheint dabei in den Hintergrund zu rücken, dass Prozesse der Ökonomisierung nicht immer nur Prozesse der Kommodifizierung sind. Die Ruinen der Schulden machen dies deutlich. In meinem Vortrag möchte ich diese Variabilität des Dingbezuges und dessen Spezifik in der Schuldenbeziehung genauer zu betrachten. Ich hoffe zu zeigen, dass die Ruinen der Schuld uns ein breiteres Verständnis von den unterschiedlichen Formen der Ökonomisierung lehren. Das Vorhaben, eine Kultursoziologie der Schulden anhand der ausgesonderten, verlassenen und zwangsenteigneten "Dinge" zu entwickeln, antwortet auf zwei Desiderata und Aufgabenfelder der gegenwärtigen Kultursoziologie. Zum einen ist in den letzten Jahren eine Wiedereinbeziehung der Dinge und der Materialität in das kultursoziologische Programm verstärkt gefordert worden. Man habe, so der Tenor, jene Dimension zugunsten der symbolischen Ordnung und des Diskurses zu stark vernachlässigt. Dabei geht es im "material turn" nicht um ein Ausspielen des Symbolischen und Materiellen gegeneinander, sondern um die Konzeption deren Verschränkung. Die Analyse des Ökonomischen ist ein besonderer Schauplatz, um diese Verschränkung zu studieren. Ökonomie ist sowohl auf das engste mit dem 1 Der vorliegende Text ist ein Entwurf. Die endgültige Fassung erscheint in Fischer, Joachim/Moebius, Stephan