Raum: Antike (original) (raw)
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Sozialtheorie, 2008
Gelegentlich trachtete die Geographie danach, eine Raumwissenschaft zu sein; manchmal wollte sie sich durch räumliche Differenzierung oder die Synthese verschiedener Faktoren in bestimmten Umgebungen definieren. 1 In der Tat verhält es sich nach allgemeiner Auffassung so, dass die Fragestellungen der Geographie an Definitionen ausgerichtet sind, die den Raum in ihr Zentrum stellen. Wenn wir aber Studierende im ersten Studienjahr danach fragen, was Raum sei, gehen die konstruktivsten Antworten in Richtung letzte Grenze. Tatsächlich ist es wahrscheinlich, dass die meisten Studierenden der Geographie in einem bis zu neun Jahre dauernden Studium sich nur selten mit explizit theoretischen Diskussionen des Raums befassen. Raum gilt als offensichtlich, als evident und scheint nicht wirklich weiterer Untersuchung zu bedürfen. Unsere Sicherheit im Gebrauch des Wortes Raum wie auch unser Unvermögen, das Besondere dieses Begriffs zu bestimmen, erinnert an die Diskussion des Begriffs der Zeit durch Augustinus, Bischof von Hippo, 397 n. Chr.: "Was also ist die Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich es; wenn ich es jemandem auf seine Frage hin erklären soll, weiß ich es nicht." 2 Sowohl Zeit als auch Raum sind alltägliche Begriffe, die jedermann aus der Alltagserfahrung heraus versteht, und so bleiben sie oft undefiniert. Dieses Definitionsmanko wird durch die fachwissenschaftliche Arbeitsteilung verschlimmert, denn die Geographie tendierte immer dazu, sich als Raumwissenschaft zu begreifen und daher sich in Bezug auf die Zeit für unzuständig zu erklären. Befragt man Studierende der Geographie nach ihren Begriffen von Raum, ergibt sich eine große Mannigfaltigkeit
Raum als Medium und als Amme : zur Raumdiskussion um 1300
2010
Raum als Medium und als Amme. Zur Raumdiskussion um 1300 Karin Leonhard Raum als Medium und als Amme. Zur Raumdiskussion um 1300 In seinem Perspektivaufsatz hatte Panofsky versucht, ein antikes von einem mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Raumsystem zu unterscheiden, wobei ihm die hellenistische künstlerische Imagination, wie er schreibt, an den Einzeldingen zu hängen und den Raum als bloßen Zwischenraum aufzufassen schien-"diese bereicherte und erweiterte Welt [ist] noch keine vollkommen vereinheitlichte, d.h. keine solche, innerhalb derer die Körper und ihre freiräumlichen Intervalle nur die Differenzierungen und Modifikationen eines Continuums höherer Ordnung wären." 1 Es ist kein Zufall, dass eine Kritik an seinem Essay wiederholt an dieser Stelle ansetzte (kurz zuvor hatte er Cassirers "Symbolische Form" eingeführt), haben wir mit ihr doch das Thema und Anliegen des Aufsatzes in nuce vor uns: die Diagnostik einer historischen Entwicklung von Raumauffassungen, verbunden mit dem erkenntnistheoretischen Anspruch, eine Korrespondenz von Denkraum und Bildraum zu belegen. Und obwohl Panofsky als gewissenhafter Riegl-Leser von der historischen Arbitrarität jeder künstlerischen Darstellungsform wusste und diesen Gedanken sogar in seinen Aufsatz aufnahm, blieb es bei einem Lippenbekenntnis. Denn für den Kant-Leser Panofsky war der Raum vor allem eine apriorische Kategorie, unter der jede individuelle Anschauungsform subsumiert werden konnte. In seinem Aufsatz zeigt er dann, wie sie innerhalb des Geschichtsverlaufs zu ihrer eigenen autonomen Darstellung durch die zentralperspektivische Konstruktion drängt und dabei quasi zu sich selbst kommt. Analog ihrem jeweiligen Entwicklungsstand weist Panofsky den Denkformen von Epochen und Kulturräumen symbolische Bildformen zu. Dadurch werden sie zu Äquivalenten logischer Aussagen aufgewertet und zugleich abgewertet, denn man unterstellt ihnen eine eigentliche Bedeutung hinter ihrer phänomenalen Oberflächlichkeit, vergleichbar der ikonographischen Bildanalyse, die sich in letzter (ikonologischer) Instanz ebenfalls als umfassende Kulturanalyse verstehen will und die individuelle visuelle Darstellung darüber vernachlässigt.
Kunstlabore: Für mehr Kunst in Schulen!, 2020
Karin Leonhard_Raum als Medium und als Amme : zur Raumdiskussion um 1300
2010
Panofsky hat in seinem Aufsatz viel geleistet, mit seiner Einführung historisch strukturierender Raumbegriffe (Aggregatraum -Systemraum) jedoch auch viel verunklärt. Bereits mit der Feststellung, die Antike habe sich auf ein Raumverständnis als Zwischenraum beschränkt, führt eruns auf eine falsche Fährte. Platons Raumkonzeption beispielsweise hatte ganz andere Prämissen gesetzt und wurde im Mittelalter stark rezipiert; so haben wir es u.a. im späten 13. Jahrhundert mit einer großartigen Stimmenvielfalt innerhalb der Raumdiskussion zu tun. In diesem Sinne möchte ich die Frage nach dem Raum noch einmal -und anders -stellen und als ordnendes Prinzip den Begriff der Medialität ins Zentrum führen.
Zur historischen Epistemologie des Raumes
2019
In den letzten Jahren seines Lebens hat Peter Damerow ein Forschungsprojekt begleitet und mit eigenen Beiträgen bereichert, das mir sehr am Herzen lag: Die historische Epistemologie des Raumes, ein Projekt zur langfristigen historischen Entwicklung räumlicher Begriffe, das ich mit einer Forschergruppe im Rahmen des Projektclusters TOPOI am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte durchgeführt habe. Ich möchte hier zu Peters Gedenken einige Forschungsergebnisse dieses Projektes umreißen. Eine ausführliche Darstellung unserer Ergebnisse, die auch zwei bisher unveröffentlichte Beiträge von Peter enthält (Damerow 2016a, Damerow 2016b), ist kürzlich erschienen (Schemmel 2016b). Eine monographische Darstellung der historischen Epistemologie des Raumes ist Schemmel 2016a. Das Thema der Gruppe war die langfristige Transformation räumlicher Begriffe in der Wissenschaftsgeschichte. Nun sind langfristige Wissensentwicklungen nicht allein auf der Ebene wissenschaftlichen Wissens zu verstehen. Wissenschaftliches Wissen, das ist eine Grundannahme, die sich wie ein roter Faden durch Peters Werk zieht, ist Teil einer komplexen Wissensarchitektur, in der sich verschiedene Wissensformen gegenseitig beeinflussen. 1 In etwas vereinfachender Weise können wir drei Wissensebenen unterscheiden: elementares, instrumentelles, und theoretisches Wissen. Elementares Wissen erwirbt ein jedes Individuum erneut für sich im Prozess der Ontogenese, d. h. des Aufwachsens in seiner Umwelt. Aufgrund der Übereinstimmungen in der biologischen Konstitution und in den elementaren Eigenschaften der physikalischen Umwelt sind große Teile dieses Wissens kulturunabhängige Universalien. Dieses Wissen ist jedoch im Allgemeinen nicht begrifflich strukturiert, sondern bleibt, zum Beispiel als Handlungsschema, unbewusst. Instrumentelles und, ganz allgemein, praktisches Wissen wird durch den Umgang mit Instrumenten und durch das Ausüben kultureller Praktiken erwor
transcript Verlag eBooks, 2017
Raum ist ein Welterkenntnis- und Weltbeschreibungssystem sowie Weltvermittlungs- und Weltgestaltungssystem.1 Die Arbeit des Architekten ist politischer Natur, da er mit der Gestaltung des menschlichen Lebensraums zugleich auch die Wahrnehmung von Gesellschaft formt, die wiederum seinen Handlungsspielraum vorgibt. Wir nehmen Raum mit allen Sinnen, unserem Gefühl und Verstand wahr. Daher ist es nicht nur von Bedeutung, wie ein Raum aussieht, sondern ebenso wie er sich anfühlt, wie er riecht, klingt, sich verändert oder sich verhält, wenn wir mit ihm interagieren. 2 In Bezug auf unsere Wahrnehmung funktioniert Raum wie eine Sprache, da die Wechselwirkungen zwischen Körper und Umwelt nicht nur unser Überleben gewährleisten, sondern auch zum Gegenstand von Wissen und Erkenntnis werden können. Der Mensch ist in der Lage, die Bedingungen seiner Existenz in der Umwelt wahrzunehmen, zu kommunizieren und willentlich zu gestalten. Jeder Eingriff in die Umwelt verändert die Form unseres Lebensraums und hat damit zugleich Konsequenzen auf die Form unseres Zusammenlebens, die Entwicklungsdynamik von Individuen und Gesellschaften.3 Durch das Erleben und den Gebrauch des Kulturraums erschließen wir uns die überlebenswichtigen Praktiken und Funktionen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die Raumwahrnehmung initiiert und fördert einen generationsübergreifenden Lernprozess, der stetiger Erneuerung bedarf und daher niemals abgeschlossen sein kann. Junge Menschen nehmen wahr, wie Gesellschaft funktioniert und wo sie versagt. Am Gebrauch des Raums zeigt sich, was uns wichtig und nützlich ist oder seinen Zweck verloren hat, was es zu bewahren oder zu erneuern gilt. Die psychologisch-ästhetische Erforschung der Raumwahrnehmung ist daher die Leitwissenschaft der Umweltgestaltung, von der Stadtplanung über die Architektur bis zur Innenarchitektur und Szenografie.