Zu ökonomischen Problemen einer sozialen Politik (original) (raw)
2020, Zweimal Deutschland. Soziale Politik in zwei deutschen Staaten - Herausforderungen, Gemeinsamkeiten, getrennte Wege
Das Soziale und dementsprechend die Sozialpolitik sind originär ökonomisch-wie auch das Ökonomische originär sozial. Trotz ihrer jeweiligen Eigengesetzlichkeit und Eigendynamik sind sie untrennbar miteinander verbunden. Beide Aspekte prägen soziale Aktivitäten in der Geschichte überhaupt-sei es die Armenpflege der europäischen Städte und der christlichen Kirchen, die spezifischen Formen der Fürsorge in der islamischen Welt, die Sozialreformen unter Bismarck oder das schwedische "Volksheim". Es ging bzw. geht immer um die Stabilisierung von Eigentums-und entsprechenden Machtverhältnissen sowohl in Politik wie in Wirtschaft. Bis heute geht es um die Frage, ob eine soziale Politik möglich ist, die sich nicht in den Grenzen des Bermuda-Dreiecks von Privateigentum, Markt und Konkurrenz bewegt. Diese Frage beschreibt den Ausgangspunkt der Sozialpolitik in der DDR und die damit verbundenen Möglichkeiten und Grenzen. 1 Mit dem Zerbrechen der bürgerlich-kapitalistischen Ordnung konnte man Formen der sozialen Absicherung (etwa die Sozialversicherungsträger, Kinderbetreuung, gesundheitliche Versorgung usw.) übernehmen. Ihre Ausrichtung musste sich jedoch verändern, wenn man über einen gut organisierten bürgerlichen Sozialstaat hinausgehen wollte. Für die proletarische und auch bürgerliche Linke waren soziale Forderungen vor allem Element des Schutzes der ArbeiterInnen und der Schwachen in der Gesellschaft überhaupt gewesen. Es war ein Kampf um einen größeren Anteil am gesellschaftlichen Reichtum. Der Sozialdemokratie erschien dies als Klassenkompromiss, der in einem Verteilungssozialismus auslaufen sollte, der kommunistischen Strömung als Klassenkompromiss auf dem Weg zur Klärung der Eigentums-und Machtfrage. Beiden Richtungen war gemein, dass Sozialpolitik über den Staatshaushalt und über Gesetzesprojekte gedacht wurde, die ihrerseits 1 "Möglichkeit" ist eine der unverständlicherweise wenig und wenn dann ungenau genutzten Kategorien gerade auf dem hier zu betrachtenden Feld. siehe Dietrich Wahl: Ernst Bloch über die Möglichkeit und linke Diskurse, in: Utopie kreativ, 195 (Januar 2007), S. 63-72.