Heroische Kollektive zwischen Norm und Exzeptionalität (original) (raw)

Heroische Kollektive zwischen Norm und Exzeptionalität. Editorial

2019

Heldinnen und Helden sind in der Regel Einzelne, die als exzeptionelle Figuren einer bewundernden Masse gegenüberstehen. Was aber, wenn mehrere Figuren – bis hin zur nicht mehr unterscheidbaren Vielzahl einer Masse – als Kollektiv heroisiert werden? Das E-Journal widmet sich dieser Fragestellung. Unter heroischen Kollektiven werden hier Gemeinschaften verstanden, die erst als solche heroisiert werden – deren Mitgliedern in der Regel also keine individuellen heroischen Eigenschaften zugeschrieben werden. Heroische Kollektive werden in ihrer konkreten Erscheinungsform beschrieben, von anderen Formen abgegrenzt und Analysemodelle dieser speziellen Heroisierungsform entwickelt.

Heldenkult und das kollektive Gedächtniss

Acta Ethnographica Hungarica, 2014

A total of twenty-six monuments were erected in Szeged in the interwar years and further fi ve in its catchment area. They were paid for by individual donations, religious denominations, regiments, schools, associations (for example, the commemorative tablet to Heroic Firemen), or were commissioned by the city. Most were created from public contributions, or with the support of the municipality. At the unveiling ceremonies the speakers referred to the monuments as though they were altars where people could come to pray and gather strength. Because of their lasting nature the monuments would forever proclaim the heroism of the soldiers who took part in the First World War. Approaching the phenomenon from the angle of the civil-religion, collective memory, and places of remembrance, the author examines the subject in newspapers, denominational materials and the minutes of general assemblies in the interwar years. She selects as a particular example the Gate of Heroes (Szeged) that illustrates the predominant national view of history and the civil religion of the period.

Die Kollektivierung der Norm und kollektive Normen

Kollektivierung als Herausforderung für das Strafrecht, 2021

Das Thema der Kollektivierung setzt, insbesondere wenn eine Ausländerin versucht, dazu etwas Logisches zu sagen, eine Verständigung über den Begriff voraus. In einem Rechtslexikon 2 steht der Begriff nicht, also handelt es sich wohl nicht um einen Rechtsbegriff. Suchen wir in einem allgemeinen Wörterbuch 3 , finden wir zwei Deutungen: die ältere, traditionelle, und die alltägliche, »normale«. Der normale Gebrauch des Wortes meint die Überführung privater Produktionsmittel in die Gemeinwirtschaft, üblicherweise im landwirtschaftlichen Kontext. Für unser Thema in einem juristischen Arbeitskreis fällt es allerdings schwer, dies als die ausschlaggebende Bedeutung zu akzeptieren, was uns dann zu der zweiten, vom lateinischen collectivus abstammenden Bedeutung führt, nämlich der des organisierten Zusammenschlusses von Menschen zu Gemeinschaften, Vereinen oder Genossenschaften. Mit dieser Bedeutung werde ich im Folgenden arbeiten. Dieser organisierte Zusammenschluss muss sich dennoch im Rahmen des Themas als eine Herausforderung für das Strafrecht darstellen, besonders aus der Perspektive der Normentheorie. Es stellt sich hier keine einfache Aufgabe, deswegen nähere ich mich ihr in mehreren Schritten. Auf der einen Seite wird das Problem der Kollektivierung der Norm behandelt, nämlich die Frage, inwiefern dieser Zusammenschluss von Menschen zu Gemeinschaften etwas mit dem Individuationsprozess bzw. Entstehungsprozess der Norm zu tun hat. Auf der anderen Seite wenden wir uns I.

Helden gestalten. Zur Präsenz und Performanz des Heroischen

2013

Der Held ist ein zentraler kultureller Archetypus. Von der antiken Mythologie bis zum zeitgenössischen Computerspiel prägt er nicht nur gesellschaftliche Handlungs-und Orientierungsmuster, sondern bringt auch spezifische Bild-und Darstellungskonzepte in Kunst und Medien hervor. Mehr noch: Erst durch die ästhetische Rezeption wird der Einzelne zum exzeptionellen Heroen, mutiges Handeln zur Heldentat. Die Beiträge des Bandes präsentieren solche heroisierenden Ästhetisierungsformen modellhaft. In vier Perspektiven auf den Diskursraum des Heroismus werden phänomenologische Merkmale, ästhetische Inszenierungsformen, historisch-politische Funktionalisierungen und mediale Codierungen des Helden neu systematisiert. Nikolas Immer (Dr. phil.) lehrt Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Trier. Mareen van Marwyck (Dr. phil.), freie Autorin und Literaturwissenschaftlerin, arbeitete zuletzt als Lektorin bei der Frankfurter Verlagsanstalt. Weitere Informationen und Bestellung unter: www.transcript-verlag.de/ts2253/ts2253.php

Zwischen Stereotypisierungen und Lebenswirklichkeit

Jahrbuch Migration und Gesellschaft 2021/2022

Wenn Probleme von eingewanderten Gruppen thematisiert werden, richtet sich der Blick immer noch häufig auf die jungen Frauen mit Migrationshintergrund 1 und hier wiederum auf solche mit muslimischer Religion. Ihre Lebens-und Verhaltensweisen werden als Beispiele für das ‚Anderssein' und sogar für die fehlende Integrationsfähigkeit der Einwandererfamilien 1 Der Terminus "mit Migrationshintergrund" wurde wahrscheinlich im Zehnten Kinder-und Jugendbericht eingeführt und fand 2005 über seine Verwendung durch die statistischen Landes-und Bundesämter Eingang in den wissenschaftlichen und politischen Sprachgebrauch. Grund für die Einführung war, dass die alten Termini bezogen auf die Staatsangehörigkeit nicht mehr aussagefähig waren. Die Einführung und Verwendung der Kategorie "mit Migrationshintergrund" wurde und wird bis heute-teils heftig-diskutiert und kritisiert. Das Wort wird erstens als unschön bezeichnet-aber es gelang bisher nicht einen anderen Begriff zu verbreiten. Vor allem aber nicht ausschließlich in lokalen und regionalen Diskussionen werden zweitens die Zahlenangaben in Frage gestellt, vermutlich mit der Intension den einheimisch deutschen Bevölkerungsteil nicht zu verunsichern oder um Ansprüche nach Partizipation als ungerechtfertigt zurückweisen zu können. Methodisch bedeutsam ist drittens der Sachverhalt, dass zur Bestimmung des Migrationshintergrundes in den unterschiedlichen Statistiken eine Fülle und sehr unterschiedliche Verfahren verwendet werden, so dass die Aussagen immer unklarer werden. Viertens wird kritisiert, dass seine Verwendung die Gefahr der Ethnisierung fördert (vgl. Boos-Nünning 2019, S. 19-22). Auch unter Berücksichtigung der Kritik ist mir die Berücksichtigung einer Dif ferenzkategorie ausgerichtet auf die politische oder ethnische Herkunft, auch wenn sie die Eltern und Großeltern betrifft, wichtig: Sie erlaubt Ausdifferenzierung der Werte und Orientierungen, vor allem aber ermöglicht sie die ungleiche Behandlung in Form von Benachteiligung und Diskriminierung nachzuweisen.

Gölz, Olmo. “Kollektive.” In Compendium heroicum. Hg. von Ronald G. Asch et al. publiziert vom Sonderforschungsbereich 948 „Helden – Heroisierungen – Heroismen“ der Universität Freiburg. Freiburg, 01.07.2019.

Unter Helden werden Einzelpersonen verstanden, in denen sich Diskurse zu Exzeptionalität, Exemplarität, Agonalität und Transgressivität verdichten und über gesellschaftliche Konstitutionsprozesse in Vorstellungen und Repräsentationen von einer Person zusammengeführt werden. Die heroische Figur verweist somit auf Phänomene des Singulären. Heroische Figuren fordern „dazu auf, sie als Einzelne zu betrachten. Als heroisch gilt eine Tat nur dann, wenn sie einzigartig ist und somit den Helden aus der Menge heraushebt.“ Dieser Aspekt mag dazu verführen, Helden und Kollektive lediglich in komplementären Begrifflichkeiten zueinander zu denken und so die Rede vom ‚heroischen Kollektiv‘ als ein Paradoxon abzutun, das es der Natur der Sache nach gar nicht geben kann. Zugleich aber zeigt sich, dass Kollektive in verschiedenen Formen mit Semantiken des Heroischen in Verbindung gebracht werden und dass es sich hierbei nicht um exotischen Einzelfälle handelt. Es soll daher im Folgenden eine Systematisierung vorgenommen werden, die sich der Frage stellt, auf welchen Ebenen sich über die Phänomene der Interaktionen einer heroischen Figur mit dem Kollektiv der Gewöhnlichen hinaus das Beziehungsgeflecht von Singularität und Pluralität – in ihren Extremfällen also Held und Masse – denken lässt. Dies erfolgt über eine Typologie, die sich in Heldenkollektiv, heroisches Kollektiv und kollektives Heldentum unterteilt. Die Reihenfolge der Begriffe richtet sich dabei danach aus, wie sehr in der Logik des jeweiligen Phänomens die Identität des Einzelnen hinter das Kollektiv zurücktritt.

Erotomanie im Zerrspiegel von Fiktion und Wirklichkeit

The history of erotomania is very old, starting with the first concrete records of this phenomenon in Hippocrates, Plutarch or Galen. However, the history of reception may have started in Arab medicine long before. But was erotomania in antiquity really the same phenomenon as that in the late 19th century? Did the Greek doctor Galen, who lived in the 2nd century AD, really refer to the same disease entity as Bénédict August Morel, a French degeneration theorist of the late 19th century in France, when he used the term erotomania? The terms that seem to refer to the same phenomenon are legion: erotomania, delusion of love, psychosis passionelle, melancholia erotique, erotic paranoia, Amor insanus or De Clérambault syndrome. The latter eponym bears the named phenomenon since the 20th century after the French psychiatrist Gatian de Clérambault, who wrote the work Les Psychoses Passionelles about it in 1921. De Clérambault also distinguished primary erotomania from symptomatic erotomania. The latter could be part of another underlying psychiatric illness. Die Geschichte der Erotomanie ist sehr alt, beginnend mit ersten konkreten Überlieferungen dieses Phänomens bei Hippokrates, Plutarch oder Galen. Allerdings vollzog sich die Rezeptionsgeschichte womöglich schon lange zuvor in der arabischen Medizin. Aber handelte es sich bei der Erotomanie in der Antike tatsächlich um dasselbe Phänomen wie bei derjenigen im späten 19. Jahrhundert? Bezog sich der griechische Arzt Galen, der im 2. Jahrhundert nach Chr. lebte, wirklich auf dieselbe Krankheitsentität wie beispielsweise Bénédict August Morel, ein französischer Degenerationstheoretiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Frankreich, wenn er den Begriff Erotomanie verwendete? Die Begrifflichkeiten, welche scheinbar auf dasselbe Phänomen Bezug nehmen, sind Legion: Erotomania, Liebeswahn, Psychose passionelle, Melancholia erotique, Erotische Paranoia, Amor insanus oder De Clérambault Syndrome. Letzteres Eponym trägt das benannte Phänomen seit dem 20. Jahrhundert nach dem französischen Psychiater Gatian de Clérambault, der 1921 hierüber das Werk Les Psychoses Passionelles schrieb. De Clérambault unterschied ferner eine primäre Erotomanie von einer symptomatischen Erotomanie. Letztere könne Teil einer anderen psychiatrischen Grunderkrankung sein.

Kollektive Metaphern des psychosozialen Helfens

report psychologie, 1995

"Klären" wir die Probleme unserer Klientinnen? "Lösen" wir ihre "Verstrickungen"? Oder sollten wir sie besser nur "begleiten", damit sie ihren "Weg" selbst "finden"? Wir könnten allerdings versuchen, diese Prozesse (lat.: procedere, processi: vorwärts schreiten) zu "erleichtern", wenn die Menschen es zu "schwer" haben. Oder? Was machen wir eigentlich? "Machen" wir denn etwas? Es gibt sehr differierende Antworten auf diese Fragen; in sozialpädagogischen Handlungsanweisungen und psychotherapeutischen Fortbildungen, in vergleichenden Therapiestudien (z.B. Zimmer 1983, Thommen et al. 1988, Grawe et al. 1994) und qualitativen Untersuchungen des psychosozialen Helfens (Beerlage et al. 1989) werden sehr unterschiedliche Formen und Inhalte des psychosozialen Helfens diskutiert. Eine Antwort, die so sehr an der Oberfläche des Phänomens liegt, daß sie fast immer übersehen wird, besteht darin, dem Volk der HelferInnen "auf das Maul zu sehen" (Luther) 1. Die amerikanischen Linguisten und Sprachphilosophen George Lakoff und Mark Johnson behaupten, daß unsere sprachlichen Bilder nicht nur Oberflächenphänomene des Redens sind, sondern Modelle des Denkens und der Interaktion offenbaren 2. Die Untersuchung, die ich hier vorstelle, nutzte die Theorie der beiden Autoren, um in systematischer Weise kollektive Sprachbilder, sog. "Metaphern", im psychosozialen Bereich zu sammeln und zu analysieren. Ich fand neun verschiedene metaphorische Modelle des Helfens, die uns vor jeder Theorie schon vertraut sind, aus unserer Alltagspraxis stammen und unsere Interaktionen wahrscheinlich schon steuerten, als wir noch keine professionellen HelferInnen waren. Als Gegenstand wählte ich eine Form des psychosozialen Helfens, die sowohl von den Aufgaben wie von den Beschäftigten ein sehr breites Spektrum beruflicher Logiken versammelt: Einzelfallhilfe in der Form, wie sie in Berlin seit 1973 praktiziert wird. Das meint aufsuchende und oft im Milieu der Klienten stattfindende Hilfe für psychisch und sozial auffällige Kinder, bei körperlichen und geistigen Behinderungen und für Menschen, die an einer psychiatrischen Erkrankung leiden. Verschiedene Untersuchungen zeigen, daß sowohl sozialpädagogische wie psychologische bzw. therapeutische Herangehensweisen genutzt werden (Fritzsche et al. 1994, Schmitt 1995). Statt einer Einführung in die Theorie

Kritik und Verteidigung der Normativitäts-Hegelianer

Auinger, Thomas: Kritik und Verteidigung der Normativitäts-Hegelianer. Anmerkungen zu Markus Gabriel, in: Christian Danz / Jürgen Stolzenberg (Hrsg.), System und Systemkritik um 1800, Band 3: System der Vernunft. Kant und der deutsche Idealismus, Kant-Forschungen Bd.19, Hamburg (Felix Meiner) 2011, S. 227-237.