Kein "Zurück zu Humboldt" - Nietzsches Ekel-Didaktik und die Zukunft unserer Lehranstalten (original) (raw)
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Bildungsanstalten‘ beim frühen Nietzsche
Nietzscheforschung, 2005
HOLGER GUTSCHMIDT ,Bildungsanstalten' beim frühen Nietzsche Die Universitätsidee Nietzsches zwischen Fichte und Humboldt I Die Bildungsidee ist in Deutschland seit jeher mit dem Universitätsgedanken verknüpft. So ist die Aufklärung durch das Wirken von Christian August Wolff und des Ministers von Münchhausen bedeutend gefordert worden, nicht nur durch die Schriften des ersteren, sondern auch durch beider Tätigkeit bei der Gründung und Gestaltung der bedeutendsten deutschen Universitäten im 18. Jahrhundert, der Universität von Halle (gegründet 1694) und der von Göttingen (gegründet 1734). 1 Bekannter noch und wichtiger wurde die Universitätsgründung durch Wilhelm von Humboldt in Berlin (gegründet 1810), deren Ausstrahlung weit über Deutschland auf ganz Europa wirkte. Für sie wurden neben den Gedanken der deutschen Reformpädagogik, besonders Johann Heinrich Pestalozzis 3 , die Ergebnisse einer intensiven Diskussion um 1800 bedeutsam, an der durch Denkschriften und Veröffentlichungen
Sensazione e proto-storia nel pensiero di Christoph Türcke, hrsg. v. Vincenzo Cuomo und Luca Scafoglio, Kaiak Edizioni, Pompei, 2023
In den 1980er Jahren hat Christoph Türcke gezeigt, dass der philosophische Begriff des Absoluten auf die Verabsolutierung von etwas schlechthin Relativen hinausläuft, nämlich auf die Absolutsetzung der Vermittlung. Dabei machte er deutlich, wie sich die Vermittlung unter dem Namen Didaktik anschickte, die Gestalt einer weitgehend anerkannten Wissenschaft anzunehmen, obwohl sie keinen genuinen Gegenstand hat. 30 Jahre später spiegeln neuere Ansätze in der Bildungstheorie, die im Namen eines demokratischen Unterrichtsstils auftreten, die neoliberale Deregulierung und Individualisierung. Dabei, so Türcke, zeichne sich ab, dass Lehrerinnen und Lehrer für überflüssig erklärt werden.
Zu Nietzsches Zukunftsphysiologie
Nietzsche betont immer und immer wieder dass statt unseren "kleinen Vernunft" wie er unsere "höher" kognitives Vermögen oder Vernunft nach Kants Kritik der reinen Vernunft beschreibt und damit die Fähigkeiten so wie die Grenzen unsere menschlichen Vernunft -und wir können sofort ahnen das Nietzsche diese Kritik eben viel kritischer fortsetzt -es ist unsere "grossen Vernunft", wie er unsere Leib samt seiner Beschaffenheiten: unsere Warhnehmungsapparat (wie wir unsere Sinnen ganz zu recht nennen, wiederum mit all ihren Grenzen oder Einschränkungen), was uns an unmittelbarsten bringt an das was wir die Wahrheit -und hier ist ein lieblings erkenntnistheoretischen Wort Nietzsches -so weit es uns irgendwie angeht, nennen kann. Und wir bemerken dabei, seiner kleine Geschichte der Philosophie (Götzen-Dämmerung) sieht am Ende verbluffend ähnlich wie einem Kantischen Antinomie -nur feiner, wie gesagt kurzer ausgedruckt: "6. Die wahre Welt haben wir abgeschafft: welche Welt blieb übrig? die scheinbare vielleicht?... Aber nein! mit der wahren Welt haben wir auch die scheinbare abgeschafft! (Mittag; Augenblick des kürzesten Schattens; Ende des längsten Irrtums; Höhepunkt der Menschheit; INCIPIT ZARATHUSTRA.)" Danach lesen wir: "Die »Vernunft« ist die Ursache, daß wir das Zeugnis der Sinne fälschen. Sofern die Sinne das Werden, das Vergehn, den Wechsel zeigen, lügen sie nicht..." (GD, Die »Vernunft« in der Philosophie, §2) Gerade deshalb behauptet Nietzsche das wir von heute besitzen "genau so weit Wissenschaft, als wir uns entschlossen haben, das Zeugnis der Sinne anzunehmen -als wir sie noch schärfen, bewaffnen, zu Ende denken lernten." (Ibid., §3) Und gerade wie wir anfangen zu versuchen, eine wissenschaftliche Grundlage für die Wissenschaft selbst zu sorgen, das heißt, um eine Grundlage für die Wissenschaften in Sicherheit festzustellen, wie Descartes das bekanntlich versuchte, finden wir das die Quelle alle Irrtümer liegen in die Unvernunft der Vernunft selber, der Theorie oder in der schiere Idee der Wahrheit, oder das apodiktischen "Überhaupt", wobei man kann die ungewöhnliche, aber philosophisch grundlegende und Welt-Schaffenden Behauptung machen, dass "Was ist, wird nicht; was wird, ist nicht..." (GD Die »Vernunft« in der Philosophie, §1) und was beweist uns dies, was dient als Folk-Psychologie -und Philosophen reden heute noch wie zu Nietzsches Zeit ähnlich darüber -ist wiederum nur die Sinnlichkeit. Deshalb beginnt Nietzsche seiner Vernunftsbesinnung in der Philosophie in seiner Götzendämmerung in dem er eine gewisse und unentbehrlichen Lebensfeindlichkeit in der Philosophie diagnostizert: "Ehemals nahm man die Veränderung, den Wechsel, das Werden überhaupt als Beweis für Scheinbarkeit, als Zeichen dafür, daß etwas da sein müsse, das uns irreführe." (GD Die »Vernunft« in der Philosophie, §1) Wechsel und werden sind an sich auszuhalten weil, wie Nietzsche schon sehr fruh beobachtet hat (mit Bezug auf Kant) in seiner Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen ( §11), So lesen wir das "Denn das bloß logische Kriterium der Wahrheit, wie Kant lehrt, nämlich die Übereinstimmung einer Erkenntnis mit den allgemeinen und formalen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft, ist zwar die conditio sine qua non, mithin die negative Bedingung aller Wahrheit: weiter aber kann die Logik nicht gehen, und den Irrtum, der nicht die Form, sondern den Inhalt betrifft, kann die Logik durch keinen Probierstein entdecken. ... Durch Worte und Begriffe werden wir nie hinter die Wand der Relationen, etwa in irgendeinen fabelhaften Urgrund der Dinge, gelangen, und selbst in den reinen Formen der Sinnlichkeit und des Verstandes, in Raum, Zeit und Kausalität gewinnen wir nichts, was einer veritas aeterna ähnlich sähe. Es ist unbedingt für das Subjekt unmöglich, über sich selbst hinaus etwas sehen und erkennen zu wollen, so unmöglich, daß Erkennen und Sein die sich widersprechendsten aller Sphären sind." (PtZG 11) 1 So sagt Nietzsche auch in seiner Nachgelassen Notizen "die Annahme der Seinenden ist nöthig" weil der "Charakter der werdenden Welt als unformulirbar, als ‚falsch', als ‚sichwidersprechend'", geradade weil, wie er es später ausdrucken wird, "Erkenntniß und Werden schließt sich aus." 2 1 Nietzsche, Kritische Studien-Ausgabe, Giorgio Colli und Bekanntschaft, aber wie könnte ich beweisen das ich nicht eine davon wäre? Meine güte Note? Doch wir wissen es das güte Note sind vielerlei zu kriegen und entsprechend zu deuten -aber dieses weiter zu besprechen bedürfe eine Ethnologie des Wissenschaftlichen-und, breiter oder höher noch, des Universitäten-oder Akademischen-Kultur, wie Bruno Latour und anderen, mit eher scheiternden Ergebnisse schon versucht haben: bis jetzt sind wir immer noch zu nah (zu nah zu unselber) um dieses noch anzufangen). Hier, aber können wir zumindest sagen das Nietzsche zieht die
"Faszination Humboldt. Die Humboldtsche Wissenschaft als Zukunftsmodell."
2010
In: Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Hg.): Auf Humboldts Spuren. Forschungsabenteuer in anderen Welten. Bücher aus Deutschland. / In Humboldt's Footsteps. Explorations in Other Worlds. Books from Germany. Frankfurt am Main: Ausstellungs- und Messe GmbH des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels 2010, pp. 5-11.
(1) Der Humboldt-Mythos ist tot. Es lebe Humboldt! Bei allen größeren Debatten über die deutsche Universität wird wie eine Monstranz vorangetragen, was man von Wilhelm von Humboldt zu wissen meint: Da fallen dann Schlagworte wie "Einheit von Lehre und Forschung" oder "Universitas litterarum", in Wahrheit eher Pseudo-Humboldt-Formeln. Humboldt intendierte aber niemals "Einheit von Lehre und Forschung" in dem Sinne, daß jeder Professor ungeachtet seiner jeweiligen Talente je zur Hälfte forschen und lehre solle -dem preußischen Kultuspolitiker ging es vielmehr um das Individuum und seine spezifi sche Begabung. Mit dem alten Stichwort "Universitas litterarum" konnte Humboldt nicht sehr viel anfangen: Er wollte nicht die streng in Fakultäten getrennte Universität der Barockzeit und intendierte sicherlich auch nicht das in Disziplinen segmentierte und Kleinstfächer wie Spezialstudien zerrissene Fächersammelsurium der heutigen Universität. Er wünschte sich vielmehr eine gemeinsame Bemühung von Lehrenden und Studierenden um das Ganze, selbst wenn das in der Wissenschaft noch nicht aufgefunden ist und auch nie aufzufi nden sein wird (vgl. dazu auch These 4). Im Jubiläumsjahr der Humboldtschen Universität sollten endlich die Pseudo-Humboldt-Formeln außer Gebrauch kommen! Die originalen Gedanken Wilhelm von Humboldt s (und seines Bruders Alexander ) sind viel zu spannend, als daß man sich mit schlechten Referaten aus Sekundär-und Tertiärliteratur begnügen könnte! (5) Sorgfältiger reformieren und vor allem wissenschaftsgeleiteter reformieren! Im zwanzigsten Jahrhundert hat die deutsche Universität unter immer neuen, radikalen Reformversuchen gelitten, die das Steuer des Schiffs jeweils bis zum Anschlag herumzureißen versuchten. Auf den Versuch, die Universität nach dem Modell des Führerprinzips zu reformieren, folgte die Konservierung der klassischen Ordinarienuniversität mit neuen, aufgrund des Wirtschaftswunders eingestellten Scharen von dienstbaren Geistern. Ende der sechziger Jahre erstickte die Universität in Massen von Studierenden und endlosen Gremiensitzungen. Die jüngsten Reformen seit den späten achtziger Jahren verdanken sich meist oberfl ächlichen Kenntnissen der Leitungs-und Studienstrukturen großer amerikanischer Universitäten. Der deutschen Universität ist nur geholfen, wenn sensibler, weniger radikal und zugleich wissenschaftsgeleiteter reformiert wird.