Brigitte Sölch_„Action Architecture“. Vom Forum Romanum zum Bürgerforum, in: Die Stadt im Schatten des Hofes, hg. von Matthias Müller und Sascha Winter, Ostfildern: Thorbecke 2020, S. 87-102 (original) (raw)

Wenn heute vom Forum die Rede ist, dürfte eine breite Assoziationskette ins Spiel kommen, da das Forum längst zum Synonym für Öffentlichkeit geworden ist . Es darauf zu reduzieren, wäre jedoch zu kurz gegriffen und würde seinem Einfluss auf Architektur und Stadt nicht gerecht. Dies gilt auch für die folgende Annäherung an einen Strang der Forumsidee, der auf das ‚Bürgerforum‘ zielt. Der zu Beginn vielleicht irritierend wirkende Begriff ‚Action Architecture‘ ist als abgewandelte Allusion auf seine manifestartige Definition von Gerhard Kallmann im Jahr 1959 zu verstehen . Der Architekt war ein Protagonist der von Kallmann, McKinnell & Knowles in den 1960er Jahren errichteten City Hall in Boston, die dem Stil des Brutalismus verpflichtet ist. Konzipiert war sie als ein city forum und urban theater, als ein Ort für Demonstrationen und für Feierlichkeiten. Es ging den Architekten um ein Rathaus, das auf sich aufmerksam macht, um eine Architektur, die im Sinn einer ‚Action Architecture‘ in den Stadtraum aus- und eingreift, um eine Architektur, die der modernen Angst vor dem Nichts etwas entgegenstellen sollte, wie der Architekturhistoriker David Monteyne schreibt. Aufgrund dieser bewussten architektonischen Haltung gegenüber der bestehenden sozialen Realität erweist sich ‚Action Architecture‘ als anregende Kategorie für das Nachdenken über das Potenzial der Forumsidee. Sie steht, so die These, für die Suche nach kommunaler bzw. bürgerlicher Teilhabe, Macht und Repräsentation. Da die Forumsidee an die Antike als Dispositiv gebunden ist, gehen mit deren Reaktivierung auch besondere Erwartungen an die soziale Kraft und emotive Wirkung von Architektur- und Stadträumen einher.

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Brigitte Sölch_Das Rathaus, der Stadtplatz und die Revitalisierung der Forumsidee – mit einem Ausblick auf das ‚Humboldt Forum' in Berlin, in: Dialoge mit dem Altertum, hg. von Gernot Michael Müller, Michael Rathmann et al., Heidelberg 2019, S. 271-320

Die Forumsidee ist gekennzeichnet durch die Dialektik zwischen Tradierung und dem Prozess fortlaufender Veränderung, Differenzierung und Neujustierung. Ihre systematische Erfassung und Historisierung ist jedoch noch immer ein Desiderat der Forschung, dem mit einer Entwicklungsgeschichte formal-typologischer Prägung allein kaum Rechnung zu tragen ist, da es auch struktureller Fragen bedarf. Was sind zum Beispiel die besonderen Potenziale der Forumsidee und die Problemlagen, in denen diese aktiviert und ausgestaltet wird? Auf welche Traditionsstränge wurde hierbei Bezug genommen, oder anders herum gefragt: Welche Konzepte des Forums konnten sich über größere Zeiträume hinweg behaupten? Viele dieser Fragen lassen sich erst aus einer diachronen Perspektive beantworten, die die Rezeption der Antike genauso berücksichtigt wie deren Nachleben, das auch dem antizyklischen und nicht-intentionalen ‚Auf‘- und ‚Abtauchen‘ von Bildern gerecht wird – wie es George Didi Huberman anhand von Aby Warburgs Nachdenken über den „Phantomcharakter“ von Bildern gezeigt hat. Dass das Konzept des Nachlebens auch für die Erfassung der Forumsidee relevant ist, wird der abschließende Ausblick auf Berlins neue historische Mitte zeigen, handelt es sich hierbei doch um ein Projekt, dessen städtebauliche Position von einer erstaunlichen und kaum thematisierten Dichte, ja geradezu Schichtung staatlich-kultureller Forumsprojekte geprägt ist. Diese erinnern noch an einen der zentralen Traditionsstränge, nämlich den politisch-administrativen, der Rezeption und Nachleben des Forums als öffentliche Bauaufgabe bis weit in das 18. Jahrhundert hinein prägte. Nur dieser Traditionsstrang wird im Rahmen des Beitrags berührt, wenn die Bedeutung der Forumsidee für das ‚Selbstverständnis‘ öffentlicher Rathäuser und Regierungsbauten in der Vormoderne diskutiert wird, und zwar am Beispiel der Kommunikation zwischen Innen und Außen, was in diesem Fall heißt: zwischen dargestellter und gebauter Platz-Architektur. Darauf wird in aller Kürze eingegangen, bevor die Forumsidee als Beziehung zwischen Innen und Außen sowie das Bild des (Forums-)Platzes in neuzeitlichen Rathäusern im Zentrum der Betrachtung steht.

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