Der Fall Jerusalem, Timiou Staurou 104 (12. Jh.): Eine Untersuchung zur Herkunft patristischer Exzerpte in den Tetraevangelien (original) (raw)

Origenes und die Quadragesima in Jerusalem: Ein Diskussionsbeitrag

Adamantius 13, 2007

Origenes hat nachweislich auf Einladung von Bischof Alexander von Jerusalem über den Anfang von 1 Sam gepredigt; es ist nicht ausgeschlossen, daß diese Predigt mit der von Eusebius bezeugten Predigttätigkeit des Origenes während seines ersten Aufenthaltes in Palästina zu identifizieren ist. Weiters ist es plausibel, aber nicht bewiesen, daß diese Homilie eine ganze Serie von Predigten eröffnet hat; eine derartige Praxis würde sich gut ins Bild seiner caesareensischen Predigttätigkeit fügen. Zusammenhängend erhalten ist zwar nur eine weitere Predigt, der eine Lesung von 1 Sam 25–28 zugrunde lag, und ein Fragment zur selben Stelle; es existieren aber einige Katenenfragmente. Deren Herkunft ist allerdings unklar, und innere Widersprüche verbieten, sie sämtlich auf eine einzige homogene Serie von Homilien zurückzuführen; nach Ausschluß der Dubletten lassen sich die verbleibenden Fragmente aber dennoch zu einer Reihe von hypothetischen Perikopen gruppieren. Wie weit eine auf diese Weise rekonstruierte Bahnlesung ursprünglich gereicht haben mag, muß offenbleiben. Belegt, aber nicht erhalten ist eine nicht in Caesarea gehaltene Predigt des Origenes zu 1 Kön 3; die Katenenfragmente reichen bis gegen Ende der Königsbücher. Von den derart teils belegten, teils erschlossenen Lesungen findet sich die erste exakt in einer Bahnlesung von 1 Sam wieder, die das Georgische Lektionar für die Jerusalemer Quadragesima des 5.–8. Jahrhunderts vorsieht; zwei weitere weisen Überschneidungen damit auf. Eine historische Kontinuität zwischen den beiden Lesungsreihen erscheint dennoch unwahrscheinlich: erstens sind die faktischen Berührungen nicht sehr signifikant; die einzige exakte Übereinstimmung stellt die ziemlich selbstverständliche Abgrenzung der Hanna-Perikope 1 Sam 1,1–2,11 dar. Zweitens gibt es für mehrere Perikopen des Origenes überhaupt keine Entsprechung in den späteren Jerusalemer Lektionaren, und weder die von Eustathius bezeugte Abhaltung zweier Predigten zu 1 Sam 28 noch die aufgrund der Quellenlage nicht unwahrscheinliche Fortsetzung der Homilienreihe läßt sich mit der quadragesimalen Leseordnung vereinen. Drittens läßt sich die vom Georgischen Lektionar vorgesehene Bahnlesung von Teilen des ersten Samuelbuches nur dann auf das dritte Jahrhundert zurückführen, wenn man annimmt, daß sie schon zur Zeit der Egeria nicht mehr praktiziert worden wäre, vom Armenischen Lektionar als literarische Kryptotradition festgehalten und im Georgischen Lektionar wieder in der ursprünglichen Abgrenzung ans Licht der Liturgiegeschichte getreten wäre, wenn auch nur zum Teil und an veränderten Daten. Einfacher als durch ein derart komplexes Modell ist die Entwicklung der Jerusalemer Leseordnung als Geschichte eines kontinuierlichen Wachstums zu erklären. Die nicht vor der Konstantinischen Wende belegte Quadragesima hätte zunächst keine anderen Lesegottesdienste gehabt als die in der Fastenzeit nichteucharistischen, ansonsten aber auch im übrigen Jahr übliche Stationsfeiern am Mittwoch und Freitag und eine Vigil in der Nacht vom Freitag auf den Samstag, die allerdings nach Egeria nicht mehr belegt ist. Zwischen 383 (Egeria) und 417 (terminus a quo des Armenischen Lektionars) hätte dann die Ausstattung auch der anderen Wochentage mit Lesegottesdiensten begonnen, die sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte auch in den übrigen Wochen durchgesetzt hätte; in dieser ersten Erweiterungsphase wäre auch die Bahnlesung von 1 Sam eingeführt worden. Der Anfang dieses Prozesses ist schon im Armenischen Lektionar zu erkennen; abgeschlossen ist er in der älteren Schicht des Georgischen Lektionars. In einem zweiten, von der Pariser Handschrift des Georgischen Lektionars dokumentierten Erweiterungsschritt wäre das liturgische Programm aller Tage um zusätzliche Lesungen erweitert worden. Entspricht diese Erklärung der historischen Wirklichkeit, können die Lesegottesdienste jenseits der alten Stationstage Mittwoch und Freitag jedenfalls nicht vor dem Ende des vierten Jahrhunderts ausgeprägt worden sein; eine Vorgeschichte der Bahnlesung von 1 Sam im dritten Jahrhundert wäre dann genauso ausgeschlossen wie ein genetischer Zusammenhang mit jenen Perikopen, zu denen Origenes in Jerusalem gepredigt hat.

Der archimedische Punkt der Pentateuchkritik – zur josianischen Datierung des Deuteronomiums, In: Jahrbuch für evangelikale Theologie 20 (2006) 115-137

Im 19. Jahrhunderte wurden wichtige Entscheidungen über die historischen Glaubwürdigkeit von Pentateuch und Chronik gefällt. Die Rekonstruktion der Geschichte unter dem Einfluss naturalistischer Voraussetzungen und die dieser folgenden Exegese gewann einen großen Einfluss. De Wettes These lieferte der Pentateuchkritik den archimedischen Punkt um die synagogal-kirchliche Tradition aus den Angeln zu heben. Doch wenn dieser Punkt nicht fest steht, ist es nicht mehr möglich, aufgrund dieser Argumente eine bestimmte Datierung des Pentateuchs und seiner Teile zu liefern. Heute hat das Interesse an diachronen Fragen nachgelassen, doch ist an manchen Stellen der Einfluss dieser Rekonstruktion noch spürbar, betrachtet man die neuen Formen der Exegese, speziell in Datierungsfragen. Darum ist es gut, die Geschichte der Exegese zu kennen. In English: The decisive point in pentateuchal criticism: dating Deuteronomy in the time of Josiah For centuries is has been assumed, in synagogue and church, that the authorship of the book of Deuteronomy rests with Moses himself. Yet in 1805 Wilhelm Martin Leberecht de Wette defended a thesis expressing a completely different view. According to him, the book of Deuteronomy is of a more recent date. He states that is was written in the 7th century B.C., shortly before the reformation of king Josiah. More and more the view expressed in this thesis has gained widespread approval. J. Wellhausen in particular contributed to this by his book Prolegomena zur Geschichte Israels (1878). In this article Mart-Jan Paul gives some observations from the history of exegesis. The arguments of De Wette were partly exegetical, but were also influenced by the Enlightment. The author cites several forerunners of the Enlightment, who were characterised by a rationalistic and deistic slant, and question the integrity of the high priest Hilkiah with regard to the finding of the old book of the law. De Wette assumes that there was no centralisation of the cult in the oldest history of Israel, and therefore the law of Ex 20,24-26 has to be much older than the obligation for centralisation in Dtn 12. The book of Chronicles is untrustworthy and a tabernacle did not exist. Only after the elimination of these stumbling blocks could De Wette and Wellhausen give an alternative history of the cult in Israel. In the second part of this article Paul gives a critical evaluation of the main arguments for this view on the centralisation of the cult. He assumes two levels in the cult in ancient Israel: a local level (Ex 20; Dtn 16, 27, 33) and a national level (Tabernacle in Ex 25-40; Dtn 12). It is not necessary to see a tension between the two levels and to attribute them to different ages in history. In the last century many archaeological finds give us a better understanding of the cult in the Ancient Near East. There is no longer any necessity to question the historicity of the tabernacle. The late dating of Deuteronomy is thus open for reconsideration.

Kult- und redaktionsgeschichtliche Psalmendeutung. Der Fall des Zionshymnus Ps 87 im hinteren Korachpsalter

Gunkel/Begrich, Einleitung, 449; namentlich die Asaph-und Korachpsalmen wurden "für den Tempeldienst zusammengestellt'' (ebd.), und Analoges gilt für Ps 42-83 mitsamt ihrem Anhang (a. a. O., 451). 8 Wie wichtig Gunkel diese Kategorie der "kultfreien, geistlichen Dichtung'' geworden ist (Gunkel/Begrich, Einleitung, 398; s. a. 29f.446 u. ö., sowie zu Vorläufern Hammann, Gunkel, 166.363ff.), tritt an Schlüsselstellen der Einleitung noch deutlicher hervor als im Kommentar: Obwohl die Psalmen mit ihrer kollektiven Volkspoesie zwar "ursprünglich dem Kultus Israels entstammen'' (Gunkel/Begrich, a. a. O., 10), also "ursprünglich zum G o t t e s d i e n s t gehören und bei bestimmten heiligen Begehungen desselben ihren ‚S i t z i m L e b e n ' gehabt haben'' (Gunkel, Psalmen, IX), erhält der vorliegende Psalter auch eine beachtliche Anzahl geistlicher Dichtungen (Gunkel/Begrich, Einleitung, 444, nennen die Zahl 40 als Minimalschätzung). Mit dieser Ambivalenz, die für den feinsichtigen Exegeten unübersehbar ist, ringt Gunkel: Der Psalter und seine Sammlungen sind nämlich nur zum Teil für kultische Zwecke zusammengestellt worden, denn grundsätzlich ist "ein Schluss von Psalmen, die solche [sc. im Kult verhafteten, M. L.] Überschriften tragen, auf das Ganze des Psalters offenbar nicht zwingend'' (Gunkel/Begrich, a. a. O., 444, s. 443f.), obwohl das für manche Teilsammlungen wie den asaphitischen, korachitischen und elohistischen Psalter sehr wohl zutrifft (s. o. Anm. 7). Aber auch umgekehrt kann der Psalter nicht ausschließlich als "religiöses Volksbuch […], das bestimmt war zur Erbauung und Andacht der Laien'' (a. a. O., 445), entstanden sein, weil die Befunde widersprüchlich sind und zu einem "non liquet'' nötigen (a. a. O., 446): So hat noch "die abschließende Sammlung der Psalmen der kultischen wie der geistlichen

Der Pentateuch und seine Theologiegeschichte, ZThK 111 (2014), 239–271

Die Pentateuchforschung 1 gilt traditionell als unübersichtlich, was aber nur zum Teil in ihr selbst begründet ist. Vor allem außenstehende Beobachter überliefern und verstärken diesen Eindruck, der seit einiger Zeit ein Eigenleben zu führen begonnen hat. Als ein wichtiger Grund der Unübersichtlichkeit wird oft die Kontroversität der Zugänge zur Komposition des Pentateuch hervorgehoben. Doch dieses Element ist zu relativieren: Es verdankt sich -global gesehenvor allem einer übertriebenen Beachtung der Zugangsweise der kleinen, aber aufmerksamkeitserregenden Gruppe der sogenannten »neo-documenta rians«, 2 die im Grunde die von Julius Wellhausen als »verrückt« klassifizierte Pentateuchhypothese, die »mechanische Mosaikhypothese« vertreten 3 und den vorliegenden Text des Pentateuch in der Erwartung einer nahezu vollständigen Distributionsmöglichkeit auf die traditionellen Quellenschriften verteilen und widerwillig noch einen Redaktor in ihre Theorie einbauen, da ja jemand die Quellen kombiniert haben muss. 4 Innerhalb der europäischen, vor allem der deutschsprachigen Forschung lassen sich aber durchaus Konturen bestimmter 1 Vgl. zuletzt Th. Römer, Zwischen Urkunden, Fragmenten und Ergänzungen. Zum Stand der Pentateuchforschung (ZAW 125, 2013, 2-24); Ders., Einleitung in das Alte Testament. Die Bücher der Hebräischen Bibel und die alttestamentlichen Schriften der katholischen, protestantischen und orthodoxen Kirchen, 2013, 120-164, sowie die Beiträge in T. Dozeman / K. Schmid / B. , hält zum Redaktor fest: »[H]e is a necessary side-effect of the recognition of multiple sources in the text, not a primary feature of the theory. The theory demands a redactor, because the source were evidently combined by someone -but no more than one« (vgl. auch 289. 305 sowie die detaillierte Beschreibung 255-286). In gleicher Weise bestimmt auch Ba-

Edition und Erforschung lateinischer patristischer Texte

2014

Die folgenden Bemerkungen sind einer Anzahl von sprachlichen und literarischen Quisquilien gewidmet, wie sie sich beim Edieren spätlateinischer Texte natürlicheroder aber auch bedauerlicherweise immer wieder finden und dem gedeihlichen Fortschritt der Werke in den Weg stellen: Sätze, die keinen Sinn ergeben, Wörter, die es in den Lexika nicht gibt, zweideutige grammatikalische Formen, unklare Zitate und dergleichen mehr. Quisquilien zudem, die auch nach vielfachem Durchdenken eigentlich nicht ‚lösbar' scheinen; keine auf der Hand liegende Konjektur, keine schlagende Parallelstelle, kein Gedankenblitz verheißt Aufschluss und stiftet den ersehnten Sinn, sowohl für die Textstelle selbst als auch jene höhere Bedeutung, welche die deprimierende Mühe des Philologendaseins ein ums andere Mal wieder rechtfertigt. Wie schön wäre es, könnte die Editorin solche Passagen einfach überspringen, um sich statt dessen der Suche nach höheren und spannenderen Wahrheiten zu widmen! "Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet, / Der immerfort an schalem Zeuge klebt, / Mit gier'ger Hand nach Schätzen gräbt, / Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!" So ruft Faust (ersichtlich kein Editor) aus angesichts der Pedanterie seines Schülers Wagner. Ist aber Faustens Verachtung so ganz gerechtfertigt? Immerhin ist es Wagner, nicht Faust, der im Verlaufe des Dramas das einzige konkrete wissenschaftliche Resultat, den Homunkulus, erbringt, wohl eben durch seine Detailtreue und seine Konzentration auf das vermeintlich Unwesentliche. Und nicht nur Schätze, auch Regenwürmer haben den Blick des Forschers verdient. Im Folgenden also eine kleine Sammlung sorgfältig präparierter und klassifizierter Regenwürmer. Mögen sie dem CSEL Freude bereiten, insbesondere aber seinem früheren Leiter Kurt Smolak, dem Detailarbeit nicht fremd und geringfügige Resultate nicht verächtlich sind-und den man dem wissenseifrigen Wagner wenigstens in einem getrost vergleichen darf: Mit Eifer hat er sich der Studien beflissen; zwar weiß er viel, doch möcht' er alles wissen. * * * Die anonyme Vita (vel regula) Pacomii iunioris (BHL 6411/6412) ist der Gegenstand einer ausführlichen Analyse von Albrecht Diem und einer künftigen Neuedition im CSEL (CSEL 98). 1 Der in vielfacher Hinsicht, nicht nur wegen seiner Genusmischung, interessante Text ist schwer zu datieren und zu lokalisieren, gehört aber vermutlich || 1 DIEM-MÜLLER, Vita, Regula, Sermo (Edition: pp. 258-272); zu (spärlicher) älterer Literatur siehe dort.