Bilder der Angst? Visuelle Anthropologie Islamophober Objekte in Berlin (original) (raw)

Ikonografie der Angst. Deutsche Tatarenbilder im Wandel: Barbaren, Alliierte, Migranten

2017

1.1. Einleitung "Добрый день, Германия! Die Russen kommen!" so titelte 2006 die FAZ 1 und ihr Redakteur Winand von Petersdorff-Campen, der "gerne über die Energiewirtschaft, Globalisierung und darüber, was ihm sonst noch einfällt und auffällt", schreibt 2 , berichtete über die neureichen russischen Oligarchen Miller, Goryayev, Abramowitsch und Aksenenko. Schon im ersten Satz fällt das Wort Wodka, ein schönes altes Russen-Klischee. Russen? Klang da nicht auch etwas mit von "Die Tataren kommen!"also gleich drei Assoziationen in Überschrift und erstem Satz: Wilde Horden, getarnt als Millionäre, überrennen den Westen und bringen ihre Wodka-Unkultur mit? Doch auf den zweiten Blick verrät dieser platte Artikel mehr, als man meint: Er spiegelt nämlich nichts weniger als die komplexe Materie von Ethnizität und Fremdwahrnehmung in transkulturellen Räumen wieder. Er machte mich hellhörig. Denn für mich tat sich die Frage auf: "Sehen alle Deutschen diese Russen als Russen an oder machen sie auch Unterschiede zwischen Leuten wie Miller mit russlandeutschem, Abramowitsch mit jüdischem und Aksenenko oder Goryayev mit muslimischem Hintergrund?". Und wie sehen denn die Russen selbst ihre Nachbarn und Mitmenschen im Osten? Auf diese Fragen kam ich nicht von ungefähr. Bei vielen Treffen mit tatarischen Kollegen kamen immer wieder Stereotype zur Sprache, die sich auf das Ich und das Andere bezogen: "Ungebet´ner Besuch ist schlimmer als die Tataren" oder "Kratze an einem Russen, so scheint ein Tatar hervor" sind wohl die gebräuchlichstenund halmloseren-Redewendungen in diesem Kontext. Auf letzteren Spruch beziehen sich wohl auch die Zeilen von Marat Abrarov in der Islamischen Zeitung "Ich bin kein Russe, ich bin Tatare." Diese Wörter, die er oft wiederholen müsse, schreibt Abrarov, "ernten meist großes Erstaunen, als ob man uns für ein längst ausgestorbenes Volk hält oder sich uns ganz und gar anders vorstellt. Tatsächlich sind Tataren physiognomisch von Russen (oder Europäern) eigentlich nicht zu unterscheiden, zumal es bereits zum Sprichwort geworden ist, dass jede russische Familie mindestens eine tatarische Großmutter habe." 3. Das Gegenüberstellen von Europäern und den Tataren als dem asiatischen Anderen sowie die Verortung der Russen als zwittriges Dazwischen, dem beide Ethnizitäten inne sind, ist ein immer wiederkehrender Topus in der deutschen Literatur. Werden Schweden, Franzosen, Türken oder Polen in den letzten Jahrhunderten mal als Barbaren stigmatisiert, mal als Alliierte und Mit-Europäer beschrieben oder als orientalische

Refigurationen der Angst. Typologien des terroristischen Monsters im Gegenwartskino.

Gegenwartskino (erschienen in: Limbus. Australisches Jahrbuch für germanistische Literatur-und Kulturwissenschaft, Jg. 2011: Terror und Form) Die Frage nach dem Zusammenhang von Angst, Terror und Gegenwartskino ist schwieriger zu beantworten als es zunächst scheint. Aktuelle Publikationen, die einen Nachweis über die ideologische Imprägnierung populärer Spielfilme im Dienste einer Politik der Angst erbringen wollen, reduzieren die Komplexität der Aufgabenstellung, weil sie schon voraussetzen zu wissen, was die Begriffe Angst, Terror und Gegenwartskino bedeuten (vgl. Bürger; Prince; Cettl). Gegenüber einer solchen Ideologiekritik ist der nachfolgende Ansatz bescheidener perspektiviert. Er versteht sich als Versuch, exemplarisch Aspekte des kulturellen Imaginären des gegenwartsaktuellen Terrors zu rekonstruieren. Er will in diesem Sinne zeitdiagnostisch Arbeit an Begriffen leisten und zeigen, dass insbesondere das Gegenwartskino ein Ort ist, an dem das Phänomen "Terror" in seinem ambivalenten Changieren zwischen Faszination und Angst zur Sprache und ins Bild kommen kann. In einem zweiten Schritt geht es darum, den Inhalt des Begriffs "Terror" genauer auszudifferenzieren. Jenseits politischer Adressierungen soll deutlich werden, dass sich ein tertium comparationis aller Emanationen des Terrors aus seiner konstitutiven Relationierung von Gewalt und kollektiver Angst ergibt. Die Wirkung des Terrors besteht in einer Entgrenzung von Bedrohungsgefühlen. Legt man den Fokus auf seine Affekt-und Wirkungsgeschichte, dann zeigt sich, dass er eine narrative Qualität aufweist, mit Hilfe derer man ein allgemeines Unbehagen in der Kultur zur Sprache bringen kann. Im Zeitalter der "global flows" hat Angst Hochkonjunktur. Filmische Inszenierungen von Terror und Gewalt berichten in diesem Sinne immer auch davon, dass die Topografien der Gegenwart unübersichtlich und individuelle Zukünfte problematisch geworden sind. In der Imagination des Attentäters, der jederzeit zuschlagen und jedermann treffen kann, verdichten sich die Verunsicherungen der "flüssigen Moderne" (Baumann) zu einer medial organisierten "Sozialfigur" (Moebius, Schroer), die diffuse Angst in ein konkretes Furchtszenario zurückübersetzt. Aus dieser Überlegung resultiert der Ansatz, dem terroristischen Schläfer eine zweite Angst-Figuration zur Seite zu stellen: den Amokläufer. Wie der Schläfer, so ist auch der Amokläufer eine Chiffre absoluter Feindschaft, die ihren phantasmatischen Mehrwert daraus schöpft, nicht lesbar und nicht lokalisierbar zu sein. Schläfer wie Amokläufer personalisieren jene Friktionen, von denen Michel Foucault mit Blick auf die westliche Moderne behauptet, sie zögen sich wie "eine Schlachtlinie [...] durchgängig und dauerhaft durch die gesamte Gesellschaft" (Foucault, In Verteidigung der Gesellschaft, 67). Beide Figuren erlauben im Sinne einer "Heuristik der Furcht" (Jonas, 63) einen Blick auf die subkutanen Konfliktkonstellationen der Gegenwart. Ihr filmisches In-Aktion-Treten markiert einen diagnostischen Störfall, der als "reentry" die diskursiven Voraussetzungen von Normalitätsvorstellungen und Ordnungen des Politischen sichtbar werden lässt. Geht man davon aus, dass an das Auftreten von Schläfern und Amokläufern Narrative der Transgression geknüpft sind, die von Ereignissen der Denormalisierung berichten, dann stellt sich unweigerlich die Frage nach Strategien und Politiken der Renormalisierung.

Maßlose Bilder: Visuelle Ästhetik der Transgression

Maßlose Bilder: Visuelle Ästhetik der Transgression, 2009

Bildern wird überraschend viel zugetraut. Hinter der vielfach erhobenen Rede von der Macht der Bilder steht eine noch wenig erforschte Faszination für die Kraft von Bildmedien, die sich kaum in den engen Grenzen eines Bilderrahmens, einer Kinoleinwand oder eines Bildschirms bändigen lässt. Die Beiträge dieses Bandes, die von der Kunstgeschichte bis zur Kulturwissenschaft, von der Astrophysik bis zur Philosophie und Medienwissenschaft reichen, erörtern die vielfältigen Phänomene einer Transgression solcher Rahmungen. Das gemeinsame Interesse richtet sich hierbei auf Formen der Überschreitung des Visuellen und deren ästhetische, epistemologische, soziale und medientheoretische Funktionen; kurz: auf maßlose Bilder.