Andrea Pető, Genderforschung in Ungarn in UNGARN-JAHRBUCH Zeitschrift für interdisziplinäre Hungarologie Herausgegeben von Zsolt K. Lengyel , 2020. 229-248. (original) (raw)

REVIEW Boka En, Sabine Grenz Beate Kortendiek/Birgit Riegraf/Katja Sabisch (Hrsg.), 2019: Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung. Wiesbaden: Springer VS. 1556 Seiten. 149,99 Euro

Das Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung, herausgegeben von Beate Kortendiek, Birgit Riegraf und Katja Sabisch, ist derzeit das aktuelle deutschsprachige Handbuch der Geschlechterforschung. Es enthält 155 kurze Artikel, die sich über ins-gesamt sieben Themenbereiche erstrecken, zwei Bände füllen und gleichzeitig in Form einer Online-Ausgabe verfügbar sind. Es bietet einen multidisziplinären Überblick über die (überwiegend gesellschaftswissenschaftliche) Geschlechterforschung in Deutsch-land und im deutschsprachigen Raum. Insofern stellt das Handbuch einen Meilenstein dar, dessen Lektüre einen sehr weitgehenden Einblick in die Produktivität und Breite der derzeitigen Geschlechterforschung ermöglicht. Im ersten Teil "Debatten: hinterfragte Dualismen und neue Sichtweisen der Ge-schlechterforschung" wird eine Reihe von Dualismen besprochen, von "Mann-Frau" über "Natur-Kultur" bis hin zu "Ökonomisierung-Privatisierung" oder "Opfer-Täter". Der zweite Teil "Denkströmungen: theoretische und methodologische Grundlagen der Geschlechterforschung" orientiert sich an theoretischen und methodologischen Per-spektiven. Im dritten Teil "Disziplinen: fachspezifische Entwicklungen und fachkul-turelle Perspektiven der Geschlechterforschung" werden unterschiedliche disziplinäre Entwicklungen u. a. aus den Geschichts-, Fernseh-, Film-, Literatur-, Medien-, Politik-, Rechts-, Sport-und Wirtschaftswissenschaften vorgestellt.

Post aus Ungarn - Gender-Studies im europäischen Hochschulraum

Blog https://www.gender-blog.de/beitrag/post-aus-ungarn---gender-studies-im-europaeischen-hochschulraum-/show/ 1/9  blog interdisziplinäre geschlechterforschung Post aus Ungarn -Gender-Studies im europäischen Hochschulraum 28. August 2018  Uta C. Schmidt Mit dem Dekret 42294/2018 verfolgt die ungarische Regierung die Absicht, Gender-Studies an den Universitäten ihres Landes abzuschaffen -an der renommierten privaten Zentraleuropäischen Universität (CEU) ebenso wie an der Eötvös Lorand University (ELTE), der größten staatlichen Universität in Budapest. Mit dem aktuellen Vorstoß zielt sie auf ein akkreditiertes, gut funktionierendes MA-Programm in Gender Studies mit konstant hohen Einschreibungen und mit internationaler Reputation. Die Osteuropaexpertin Andrea Pető [1] schrieb uns, seit 2006 habe die CEU 139 internationale Studierende aus der ganzen Welt graduiert. An der staatlichen ELTE startete im Jahre 2017 die erste Studiengruppe mit zehn Studierenden. Diesen Herbst sollten eigentlich die nächsten zehn im Gender-Studiengang in ungarischer Sprache beginnen. 10/23/2018 Blog https://www.gender-blog.de/beitrag/post-aus-ungarn---gender-studies-im-europaeischen-hochschulraum-/show/ 2/9

Wie geht es den Gender Studies in Ungarn. Tagesspiegel. 5 March 2021

Orbán dienen Gender Studies als politisches Feindbild. Aber ungarische Fachvertreter*innen finden Wege, weiter zu lehren und zu forschen. VON JUDITH LANGOWSKI Im September 2020 gingen Menschen auf die Straße, um für die Unabhängigkeit einer Kunst-Uni zu demonstrieren.  Wenn etwas verboten ist, wird es noch interessanter. Was die meisten Eltern wissen, funktioniert auch bei verbotenen Studienfächern. In Ungarn sind es die Gender Studies, oder Geschlechterwissenschaften, deren Akkreditierung die ungarische Regierung 2018 per Dekret zurückgezogen hatte. Praktisch bedeutet das: Im Land darf kein Diplom in Gender Studies vergeben werden. Forschung und Lehre dieses interdisziplinären Themengebiets gibt es jedoch an vielen Universitäten weiterhin. An der Corvinus-Universität in Budapest unterrichtet und forscht Professorin Beáta Nagy seit Jahrzehnten zu Geschlechterungleichheiten in Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt. Gender Studies ist weiterhin ein Pflichtfach in den Soziologie-Studiengängen der Universität. Seit dem Anti-Gender-Dekret habe das Interesse der Studierenden an der Thematik stark zugenommen, bemerkt Nagy. Das sei der einzige "Vorteil" dieses Verbots. Früher habe sie im Seminar erstmal erklären müssen, was Gender Studies sind und warum das Fach relevant ist. Nun hätten viele Studierenden schon von dem Verbot gehört und wüssten auch, warum es wichtig sei über geschlechterbedingte Ungleichheiten zu reden.

Anna Babka: Gender Revisited @ Elfriede Jelinek – Splitter in Theorie und Literatur, In: Elfriede Jelinek Jahrbuch. Wien: Praesens 2019, S. 150-157.

J elineks Oeuvre ist immer "mehr", ist literarische Gesellschaftskritik und Auseinander-setzung mit Identitätsdiskursen, ist Reflexion auf Kapitalismus, Nationalismus und Im-perialismus, auf Kolonialismus, Chauvinismus und Rassismus, auf Körperkonstruktionen und Normierungen im Rahmen biopolitischer Machtregime, auf die Frage von Autor_innen-schaft und Sprecher_innenpositionen, auf ästhetische Verfahrensweisen als avantgardisti-sche und politische Schreibpraxen im Spannungsfeld von Autorität und Subversion, Macht und Ermächtigung. Ihre radikale Gesellschaftskritik entäußert sich als progressiver Schreib-fluss, oft in Kleinschreibung und/oder "Flächenschreibung" (Textflächen) und willkürlicher Interpunktion. Geschlechtsidentitäten und ganz besonders Geschlechterverhältnisse stehen dabei beständig im Zentrum der Jelinek'schen Textwelten. 2 Ist nun Gender Revisited im Zusammenhang mit dem Jelinek'schen Oeuvre das Thema, so sind, qua relevanter Theoriebestände und Wissensformationen, nicht zuletzt Fragen der Identi-tätskonstruktion oder der Subjektivierung (subjectivation) angesprochen-wobei die Viel-stimmigkeit von Jelineks Texten, die Differenziertheit und oft auch Widersprüchlichkeit der Argumentationslinien verschiedene Formen kritisch feministischer Ansätze erfordern, zumal oftmals diskrepante Formen von Identitätskonstruktionen oder-dekonstruktionen in ein-und demselben Text lesbar werden. Das Spektrum der ertragreichen Ansätze reicht von gender-und queertheoretischen bis zurück zu klassisch feministischen dort, wo es um benachteiligte, diskriminierte oder unterdrückte Frauen geht-"Frau" also als Entität not

Babka, Anna: 'Rundum Gender' - Literatur, Literaturwissenschaft, Literaturtheorie, in: ide. Informationen zur Deutschdidaktik. Zeitschrift für den Deutschunterricht in Wissenschaft und Schule, Heft 3 - 2007, Gender, herausgegeben von Stefan Krammer und Andrea Moser-Pacher (31. Jahrgang), 8-21.

Literatur gilt trotz vielfältiger neuer Medienangebote als bedeutende kulturelle Pra-xis. Diese wurde und wird wissenschaftlich erforscht, wobei in den letzten Jahr-zehnten gendertheoretischen Ansätzen wachsende Bedeutsamkeit zugemessen wurde. Gendertheoretisch orientierte Forschung kann und soll die Literaturwissen-schaften unterstützen und begleiten. Sie kann zum Beispiel darüber nachdenken, wie literarische Texte funktionieren und wie geschlechtliche Identitäten in diesen konstruiert werden bzw. organisiert sind. 1 Diese Untersuchung erfolgt theoriegelei-tet, wobei Theorie und Praxis nicht als starre Oppositionen gefasst werden, sondern als in Wechselwirkung stehende verwobene dynamische Konzepte. Wenn von Theo-1 Literatur wird in jüngeren kulturwissenschaftlichen Ansätzen als »performativ« verstanden, also als textuelle Praxis, die nicht nur die Welt beschreibt, sondern vor allem etwas tut. Das heißt, dass jede literarische Äußerung nicht einfach einen vorgängigen Sachverhalt beschreibt, sondern die diskursiven Tatsachen konstituiert, auf die sie sich bezieht: Das können literarische Charaktere und ihre Handlungen sein, aber auch Ideen und Begriffe, die durch den literarischen Text über-haupt erst etabliert werden (z. B. das »romantische« Konzept der Liebe). Literatur als performativ zu verstehen trägt damit zugleich zur ihrer Legitimation und Verteidigung gegen positivistisch motivierte Abwertungsversuche bei: literarische Texte bestehen nicht einfach aus Pseudo-statements, sondern performieren Sprechakte, die die Sachverhalte hervorbringen, die sie be-nennen, und auf diese Weise die Welt verändern (vgl. Culler 2002, S. 140–155).