Das Recht auf Rechte und die Pflicht zur Staatlichkeit. Kants Antwort auf Hannah Arendts Menschenrechtskritik (original) (raw)
2013, Full version published in: Bornmüller, Falk/Hoffmann, Thomas/Pollmann, Arnd (Hg.): Menschenrechte und Demokratie. Freiburg: Alber Verlag, pp. 161-182.
Beruht die Geltung der Menschenrechte auf realen Kommunikationen lädierbarer Subjekte und Akten wechselseitiger (sozialer, politischer) Anerkennung, oder ist sie diesen Verhältnissen und Akten vorgängig? Fällt sie mit ihrer politischen Wirksamkeit in einer Demokratie zusammen (Volkssouveränität und Menschenrecht verweisen wechselseitig aufeinander), oder ist dies nicht der Fall? Beruht die Geltung von moralischen und rechtlichen Normen auf (moralischen) Rechten, die andere Personen uns gegenüber haben? Oder sind Rechte und Pflichten primär Weisen normativer Selbstbeziehung? Im Folgenden möchte ich den Versuch unternehmen, auf einige bedenkenswerte Aspekte der vernunftrechtlichen Begründung der Menschenrechte aufmerksam zu machen, so wie sie sich in Kants Rechtslehre finden, die 1797 als erster Teil der Metaphysik der Sitten erschienen ist. Als Ausgangspunkt meiner Überlegungen dient Hannah Arendts einflussreicher und viel diskutierter Aufsatz »Es gibt nur ein einziges Menschenrecht« 2 , in dem sie sich kritisch mit der neuzeitlichen Menschenrechtstradition auseinandersetzt und die These vertritt, dass es nur ein einziges Menschenrecht gibt, nämlich ein Recht auf Rechte. Ihrer Ansicht nach scheitert das neuzeitliche Naturrecht grundsätzlich, weil es ungeeignet ist, dieses Recht auf Rechte auch nur zu formulieren. Im ersten Abschnitt meines Beitrags möchte ich zu verstehen versuchen, was genau Arendt mit ihrer Rede von einem Recht auf Rechte meint und unterscheide diverse politische Dimensionen ihrer postmetaphysischen Konzeption des Rechts. In einem zweiten Schritt möchte ich zeigen, dass sich das Recht auf Rechte in der komplexen und vielschichtigen 1 Leicht gekürzte Fassung.