Wir basteln uns eine Großepoche: Die literarische Moderne (original) (raw)

Die Modernitätsfalle der Lyrik

Die Modernitätsfalle der Lyrik. Erschienen in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, 1995, Heft 551, S. 171-178., 1995

Die Krise der Lyrik ist die Krise der modernen Lyrik – es gibt keine andere. Das legt die Frage nahe, warum es sie gibt. Eine solche Frage klingt polemisch, aber sie hat einen rationalen Kern: Warum gibt es, unter den Bedingungen der Moderne, Lyrik und nicht nur Prosa?

Die „grande Dame“ der deutschen Literatur. Ricarda Huchs Werk nach 150 Jahren Cord-Friedrich Berghahn, Jörg Paulus, Jan Röhnert Hrsg.: Geschichtsgefühl und Gestaltungskraft. Funktionalisierungsverfahren, Gattungspoetik und Autorreflexion bei Ricarda Huch. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 201...

Germanica Wratislaviensia, 2018

Symposions gehalten wurden, das vom Institut für Germanistik der Technischen Universität Braunschweig und vom Fachbereich Kultur der Stadt Braunschweig veranstaltetet wurde. Die Herausgeber des Sammelbandes gehen in ihrem Vorwort von der Annahme aus, dass Ricarda Huch es ihren heutigen Lesern nicht leicht mache und verweisen zugleich darauf, dass eine "Leküre prima vista" (S. 7) in ihrem Fall nicht aufschlussreich sei, da sogar die elfbändige Werkausgabe von Wilhelm Emrich aus den Jahren 1966-1970 auf unterschiedlichen Ausgaben basiere und die Aufnahme von Texten von Herausgebern oft willkürlich erfolgt sei (siehe Schubert: 249). Aus dieser Tatsache ergebe sich für den heutigen Huch-Leser eine schwierige Aufgabe. Ihm werde eine anspruchsvolle geistige Arbeit abverlangt (vgl. Reich-Ranicki 1985: 1-10). Die Herausgeber des vorliegenden Bandes bieten diesen dabei als wegweisende Hilfe an (vgl. Jelitto-Piechulik 2013: 201-216). Huch wird attestiert, sie habe "aus dem Narrativen des Vergangenen […] einen Standort in der Gegenwart" gewinnen können (S. 7). Sie wird als eine "Zeitgenossin der Moderne" und deren "schärfste […] Kritikerin" (S. 7) präsentiert. Es wird auf die zeitgenössische Komponente des Huch'schen Verständnisses für die Geschichte verwiesen, da für die dichtende Historikerin "eine Gegenwart ohne die ihr vorausgegangene Geschichte […] undenkbar" sei (S. 7), und gerade dieser Ansatz mache die Lektüre von Huch'schen Texten schwierig, denn sie erscheinen dem potentiellen Leser oft zu kompakt und verschlüsselt, als dass er überhaupt die Mühe auf sich nähme, diese entschlüsseln zu wollen. Dieser Aufgabe stellt sich der vorliegende Band, indem er Forschungsergebnisse versammelt, die sich auf unterschiedliche Textarten von Huch beziehen, die auch unterschiedlich biographisch, historisch, politisch und lebensweltlich zu verankern sind, was sich auch in der Aufbaustruktur des Bandes widerspiegelt. Er setzt sich aus vier Teilen zusammen. Der erste Teil ist den Zeit-und Schreibfiguren einer Autorin gewidmet. Diesen leitet Hiltrud Häntzschel mit ihrem Beitrag Die Unzeitgemäße. Ricarda Huch-eine Schriftstellerin der Grenzüberschreitungen: lebensgeschichtlich, poetisch, wissenschaftlich, politisch ein. Die Beitragsautorin zeichnet lebendig das Bild einer Intellektuellen, die dank 1 Zitate aus diesem Band werden im Folgenden mit der Seitenzahl in Klammern angegeben.

Gegenwartsliteratur historisieren - oder: Gegenwart versus Literatur (Angelika Meier zum Beispiel)

Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes, 2020

>Gegenwart<, so heißt es im Grimmschen Wörterbuch, ist ein »vielfach merk-würdiges wort« (Grimm 1897, Sp. 2282) und, wenn man erstmal darüber nach-denkt, ist es auch eine recht merkwürdige Sache. Versteht man unter >Gegen-wart<, wie seit Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend üblich, eine abkürzende Bezeichnung für >die Zeit der Gegenwart<‚ dann ist dies wiederum eine meto-nymische Abkürzung für all das, was in oder zu dieser Zeit >da< und >los< ist, was in veränderlicher Weise anwesend und wirksam ist.1 >Gegenwart< ist ein Contai-nerbegriff, der auf einen zeitlich veränderbaren Inhalt verweist, von dem man nicht weiß, wie er jeweils und immer anders beschaffen ist. Analog ist der be-griffsgeschichtliche Befund im Englischen: Das Substantiv »The present«, das in englischen Wörterbüchern erstmals 1755 verzeichnet ist, wird dort als »an elliptical expression for the present time« (Johnson 1755, 382) eingeführt. Wozu braucht man aber einen solchen Begriff, für welche Sprachspiele ist er notwendig und seit wann werden sie gespielt? Und was ist, wenn schon >Gegenwart< in diesem Sinne eine merkwürdige Sache ist, dann erst die >Gegenwartsliteratur<? Redeweisen konstituieren Gegenstände, und so kann man zunächst nach der Konstitutionsgeschichte von >Gegenwart< in Diskursen und begrifflichen Üb-lichkeiten fragen. Die neuere Forschung hat hierzu-im Zuge eines allgemeinen Trends der Problematisierung und Historisierung von Zeitbegriffen und gerade auch Gegenwartsbegriffen2-gezeigt, dass der substantivische Begriff von >Ge-genwart< im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts entsteht. Erst seither wird das Sprachspiel von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in der uns vertrauten Weise gespielt.3 Die Semantik des substantivischen Begriffs lässt sich doppelt 1 Damit wird in den neuen Zeitbegriff >Gegenwart<, wie er sich seit Ende des 18. Jahrhundertsausbildet, die alte Bedeutungvon Gegenwart im Sinne »eines feindli-chen entgegenstehens« (Grimm 1897, Sp. 2285) bzw. wirksamer, räumlicher Anwesen-heit mit aufgenommen, aber temporalisiert. Siehe hierzu: Krauthausen/Kammer(2016).

Literatur nach der Digitalisierung. Zeitkonzepte und Gegenwartsdiagnosen – Einleitung

In: Elias Kreuzmair/Eckhard Schumacher (Hg.): Literatur nach der Digitalisierung. Zeitkonzepte und Gegenwartsdiagnosen. Berlin: De Gruyter, 2021

Digitale Medien und weltweite Vernetzung verändern die Wahrnehmung und Reflexion von Gegenwart und Aktualität, Form und Modus von Zeitdiagnosen wie auch die Möglichkeiten und den Status von Gegenwartsliteratur. Ziel des vorliegenden Bandes, der aus dem DFG-Forschungsprojekt "Schreibweisen der Gegenwart. Zeitreflexion und literarische Verfahren nach der Digitalisierung" hervorgegangen ist, ist eine Bestandsaufnahme und Analyse der Schreibweisen, mit denen unter den Bedingungen der Digitalisierung Gegenwart reflektiert, veranschaulicht und profiliert wird. Ausgehend von der These, dass Begriff und Verständnis von Gegenwart auch Ergebnis je spezifischer Schreibweisen sind, 1 sollen zeitdiagnostische und literarische Texte aus den letzten 15-20 Jahren im Zusammenhang untersucht und vor dem Hintergrund medien-und kulturwissenschaftlicher Zeitreflexion aufeinander bezogen werden. Dabei gilt es, Semantiken der Gegenwart und literarische Verfahren als Formen der Zeitreflexion in Auseinandersetzung mit digitalen Medien und digitaler Kultur zu untersuchen. Seit Mitte der 2000er Jahre erscheinen im Umfeld der Kultur-und Medienwissenschaften auffallend viele Texte, die Veränderungen in der Auffassung von Zeit konstatieren und diese Verschiebung kausal mit dem Phänomen ‚Digitalisierung' in Verbindung bringen. Im Modus einer Zeit-bzw. Gegenwartsdiagnostik, die sich als hybride Wissensform zwischen fachwissenschaftlichen und allgemeinen Diskursen bewegt, wird dabei Gegenwart als dominante Zeitform und dominantes ‚Thema' ins Zentrum gerückt. 2 Schon eine knappe Auflistung der relevanten Schlagworte zeigt, dass die zum Teil deutlich divergierenden Ansätze gleichwohl einen Zusammenhang bilden: "breite Gegenwart", 3 "infinite digital

Das Gattungskonzept in der neueren deutschen Literaturwissenschaft : ein historisch-systematischer Abriss

2008

Dem literaturwissenschaftlichen Begriff der ‘Gattung’ wird seit jeher Skepsis entgegengebracht. Neben der Fundamentalkritik des italienischen Philosophen Benedetto Croce verweist in den 1960er Jahren auch der Germanist Peter Szon-di im Rahmen seiner Untersuchungen zur Zwittergattung des lyrischen Dramas im Fin de Siècle auf den Fassadencharakter von Gattungsetiketten, wenn er konstatiert, dass der Name oder Begriff einer Gattung eine Identität in der Sache vortäusche, die er mitnichten verbürgen könne. Angesichts solch pointierter Auffassungen, die Gattungskonzepte als pure Begriffsfiktionen vollständig infrage stellen, ist es sinnvoll, sich einen Überblick über die unterschiedlichen Auffassungen von dem, was Gattungen sein sollen, zu verschaffen und sich die historische Bedingtheit dieser Konzeptionen zu verdeutlichen. Spricht man von literarischen Gattungen und deren Beschreibung, so hat man es immer mit theoretischen Konstrukten sowie mit unterschiedlichen Textbegriffen zu tun. B...

Literaturwissenschaft heute? Ein neuer Sammelband fragt nach Perspektiven einer Disziplin und vergisst dabei zeitweise seinen Gegenstand

Es ist kaum zu übersehen, dass die Literaturwissenschaften sich seit einigen Jahren in einer Phase der Selbstverortung befinden. In Zeiten der Globalisierung, des medialen Wandels, der zunehmenden Bedeutung digitaler Inhalte und Medien verändern sich der Blick auf und der Umgang mit Literatur. Diesen Veränderungen auch konzeptuell Rechnung zu tragen versuchen sowohl die Nationalphilologien wie auch die Komparatistik mit aktuellen Standortbestimmungen. Die Siegener "Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik" fragte im vergangenen Jahr, ob die Germanistik eine "germanistische Wende" brauche,[1] ein Paderborner Kongress war 2010 den Fragen nach der Stellung von Literatur in der Gegenwart nachgegangen[2] und in Mainz fand im Mai 2013 ein Workshop zur "Komparatistik im 21. Jahrhundert" statt, der Vorschläge zu einer zukünftigen Konturierung der Vergleichenden Literaturwissenschaft zusammentragen wollte. Dergleichen Beispiele ließen sich in großer Zahl anführen und so unterschiedlich die Ergebnisse auch sein mögen, sie alle zeigen doch, dass die Literaturwissenschaft sich selbst und ihren Gegenstand hinsichtlich Relevanz und Perspektiven hinterfragen muss, hinterfragen will. Im Dezember 2011 fand an der Universität Graz unter der Leitung von Susanne Knaller und Doris Pichler der bis dato vielleicht wichtigste und facettenreichste Versuch einer wissenschaftlichen Standortbestimmung der Disziplin statt, der ausschließlich renommierte LiteraturwissenschaftlerInnen verschiedenster Provenienzen zu Wort kommen ließ. 2013 sind bei V&R Unipress nun die Ergebnisse der Tagung unter dem programmatischen Titel "Literaturwissenschaft heute. Gegenstand, Positionen, Relevanz" erschienen. Der Band bietet, untergliedert in die schon im Untertitel angesprochenen Kategorien Gegenstand, Positionen und Relevanz, insgesamt 13, teilweise recht umfangreiche Beiträge zur Frage nach der "Literaturwissenschaft heute" und will damit "eine grundsätzliche Diskussion zu möglichen Bestimmungen eines Faches" anstoßen, "dessen Selbstverständnis im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zwischen traditionell-philologischen Ansätzen und einer großen Bandbreite unterschiedlichster Zugriffe changiert".

Otto Julius Bierbaum – Akteur im Netzwerk der literarischen Moderne [hg. mit Bernd Zegowitz]

An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zählte Otto Julius Bierbaum (1865–1910) zu den zentralen Figuren der deutschen Literatur. Die Entwicklung der literarischen Moderne um 1900 ist wesentlich von seinem Wirken geprägt – auch wenn Bierbaums Name in literaturgeschichtlichen Darstellungen der letzten Jahrzehnte oftmals nur am Rande oder gar keine Erwähnung gefunden hat. Ohne sein vielfältiges Schaffen als Lyriker, Prosa- und Theaterautor, als Essayist und Übersetzer, als Herausgeber literarischer Zeitschriften wie der Insel und als Förderer junger Autoren wie Rainer Maria Rilke wäre die Kultur der Jahrhundertwende jedoch eine andere als diejenige, die wir heute kennen. Die Beiträge dieses Bandes beleuchten die zahlreichen Facetten von Bierbaums Werk und zeigen ihn als einen durchaus ambivalenten, aber nachhaltig prägenden Akteur im Netzwerk der literarischen Moderne, den es ins literarhistorische Bewusstsein zurückzuholen gilt.