Das Zeitalter der Interdependenz. Globales Denken und internationale Politik in den langen 1970er Jahren, Göttingen 2020. (original) (raw)

Weltbilder in der Politik [1989]

Conceptus, 1989

Zunächst wird geklärt, was unter einem Wcltbild generell zu verstehen ist. Anschließend werden die Elemente, aus denen wissenschaftliche Weltbilder aufgebaut sind, in ihrem Funktionszusammenhang dargestellt. Aufgrund dieses Zusammenhangs kann es zwischen Vertretem verschiedener wissenschaftlicher Weltbilder zu Kommunikationsschwierigkeiten kommen. Ganz ähnliche Schwierigkeiten lassen sich auch in der Kommunikation zwischen Vertretern vcrschiedener politischer Positionen feststellen, exemplarisch vorgestellt an einem (fiktiven) Streit über SDI. Wie bei den wissenschaftlichen Weltbildem gibt es auch hier ein Geflecht von einander ergänzenden und stützenden Annahmen und Bewertungen, wie es für Weltbilder charakteristisch ist.

Sprute, Sebastian-Manès: Weltzeit im Kolonialstaat : Kolonialismus, Globalisierung und die Implementierung der europäischen Zeitkultur in Senegal, 1880-1920. Bielefeld, 2020

2021

Der Kolonialismus habe nicht zu einer globalen Homogenisierung der Weltzeit geführt, sondern sei im Senegal nur sehr fragmentarisch implementiert worden. Sebastian-Manès Sprute schildert mit einem sehr bewanderten und durchweg kritischen Stil die Geschichte der Zeitpolitik im kolonialen Senegal. Sprute widmet sich dem bisher wenig betrachteten Themenfeld der Zeit auf sehr profunde und innovative Weise. Er verbindet das Thema mit zentralen Debatten der Kolonialgeschichte und liefert einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des französischen Kolonialismus. Die Abhandlung ist sehr umfassend und anschlussfähig an zahlreiche Forschungsfelder wie die koloniale Arbeitspolitik, Religionsgeschichte und Urbanität.

Humanität – Globalität – Politik

Bonner Enzyklopädie der Globalität, 2017

Wir befinden uns auf der Suche nach der Bedeutung der Entstehung einer weltweiten Globalitätskultur und ihrer Auswirkung auf das, was man als das Humane bezeichnen kann. Die menschliche Entwicklung im gegenwärtig anhaltenden Zeitalter der Globalität hat dabei ein Stadium der Annäherung erreicht, das zur Klärung der Frage nach der Humanität nachgerade führen muss. Dabei steht die These im Raum, dass der Globalisierungsprozess auch als ein Prozess der Humanisierung verstanden werden kann. Globalität als Zustand globaler Vernetzung und Verdichtung, als Ergebnis oder Zwischenergebnis eines weltweiten Integrationsvorganges bedeutet gleichzeitig auch einen reflexiven Vorgang, der transportiert, wie wir die Welt neu betrachten können, wie sie im Globalisierungsprozess entstanden ist beziehungsweise wie sie sich entwickelt. Wir reflektieren auf eine Ganzheit, Globus, den es als kosmische Erscheinung gibt, gleichwohl aber als reflektierte Größe uns immateriell sozusagen vielfältig vor Augen steht. Diese Vielfalt wahrzunehmen ist das, was die Perspektive nach dem global turn ausmacht. Damit geht einher, dass Fragen nach Deutungen und Begriff lichkeiten aus dem Fokus der in erster Linie westlich geprägten Gesellschaften der Postmoderne genommen und als durch globale Aushandlungsprozesse geformt oder beeinflusst verstanden werden. Gleichzeitig wird dabei jedoch der Anspruch von Deutungsmustern ebenfalls eine Art post-postmoderner, das heißt, man kehrt zurück zur Universalität im Geltungsanspruch eigener Deutungen, die in die Diskussion eingehen. Was heißt dies nun für Humanität, einfach verstanden zunächst als Menschlichkeit im Sinne des Humanismus, der seine moderne Erneuerung zur Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts in Europa nahm ? Wie können Globalität und Humanität heute kompatibel gemacht werden ? Es ist an dieser Stelle die Politische Philosophie als kritische Wissenschaft in Erinnerung zu rufen. Seit Sokrates bestehen Regierungsfor

„Erinnerung im globalen Zeitalter. Warum die Vergangenheitsdebatte gerade explodiert,“ Merkur 75, Nr. 867 (2021), 5-17.

Warum die Vergangenheitsdebatte gerade explodiert Geschichte lebt wieder in Deutschland, ist präsent im öffentlichen Raum wie lange nicht mehr. Konflikte und polemische Debatten überall: das Humboldt-Forum und koloniale Beutekunst; die Umbenennung der M-Straße; einhundertfünfzig Jahre Deutsches Kaiserreich; Achille Mbembe, Holocaust und Kolonialismus, die Deutschen mit »Nazihintergrund« und nicht zu vergessen die Machenschaften der Hohenzollern. So unterschiedlich die Debatten im Einzelnen sind, immer wird dabei die Deutung der NS-Zeit oder des Kolonialismus mitverhandelt; häufiger sogar beides. Kein Tag, an dem das Feuilleton nicht bebt, die Twitter-Sphäre ohnehin. Die Dinge, um die es geht, liegen alle lange zurück, sehr lange; manche waren beinahe vergessen. Jetzt sind die Diskussionen gleichwohl so heftig, als ginge es um alles. Warum regen sich gerade alle so auf? In dem gegenwärtigen Kampf um die historische Deutungshoheit mangelt es nicht an Kommentaren, Einlassungen, Deutungen. Aber meist geht es dabei um normative Fragen: Soll koloniale Kunst zurückgegeben, Immanuel Kant aus den Lehrplänen verbannt, sollen Straßen umbenannt werden? Sollte die deutsche Gesellschaft auf der Einzigartigkeit des Holocaust bestehen, oder gibt es eine Verantwortung für die Opfer des Kolonialismus? Diese normativen Fragen-was sollen wir tun?-sind wichtig; sie werden die Feuilleton-Öffentlichkeit noch auf absehbare Zeit beschäftigen. Bislang wird jedoch viel zu wenig thematisiert, worin die Gründe für die aktuelle Aufmerksamkeitsexplosion bestehen. Warum jetzt? Was sagt es über die Gegenwart, wenn die Geschichte wieder zum Gegenstand einer erbitterten, häufig polemischen Auseinandersetzung wird? Was wir im Kern beobachten, sind die Effekte der Ablösung eines Erinnerungsregimes durch ein anderes: Das historische Narrativ der Nachkriegszeit (Erinnerung I) wird durch einen veränderten Erfahrungshaushalt in der globalisierten Gegenwart herausgefordert oder zumindest ergänzt (Erinnerung II). Die Erinnerungsdebatte ist dabei nur die Oberfläche, unter der grundlegende gesellschaftliche Veränderungen liegen, die keineswegs auf Deutschland beschränkt bleiben.