Erst Ethik dann Politik, oder Politik statt Ethik? Zur Grundlegung der Tierrechte im political turn (original) (raw)

Die tierliche Perspektive in der Politik - ein begrifflicher und ein institutioneller Vorschlag

Jahrbuch Praktische Philosophie in globaler Perspektive, 2019

DringendegesellschaftlicheAnforderungenrichtensichandieNutzung von nicht-menschlichen Tieren (im Folgenden kurz: Tiernutzung) zu Nahrungszwecken. Da die Folgen der Tiernutzung globaler Natur und dieAgrarmärkteweltweitvernetztsind,mussdenAnforderungennicht nuraufnationalstaatlicher,sondernauchaufinternationalerEbeneentsprochen werden. Internationale Klimaabkommen, zum Beispiel, werden künftig eine Regelung zur Begrenzung der weltweiten Tierhaltung integrierenmüssen,wennambitionierteKlimazieleerreichtwerdensollen. Die Repräsentation tierlicher Ansprüche in internationalen VerhandlungenzurUmwelt-,Wirtschafts-oderEntwicklungspolitikkönnte einen zentralen Einfluss auf Verhandlungsergebnisse nehmen. Jedoch mangeltesbislanganeinerentsprechendenöffentlichenInstitution,die sichdieserAufgabevollumfänglichannimmt.BeiderEntwicklungeiner solchenInstitutionsollteausFehlernnationalerTierschutzpolitikengelerntwerden.EineindemArtikelvorgestellteLehreaussolchenFehlern lautet, die politische Berücksichtigung von Tieren nicht mehr nur an den Konzepten „Tierschutz“ bzw. „Tierwohl“ (animal welfare), sondern anderumfassenderen„Perspektive“derTiereauszurichten.Dasverhindert die drohende missverständliche Verstrickung menschlicher und tierlicherAnsprücheinTierschutz-undTierwohl-Ansätzenundermöglicht, anspruchsvollere normative Konzepte wie Interessen, politische Repräsentation oder juridische Rechte politisch auszubauen. Die Perspektive der Tiere bietet moderaten Tierschutz- bzw. Tierwohlanforderungen, die aufgrund demokratischer Mehrheitsverhältnisse am ehesten Erfolg versprechen, ebenso Raumwie weitergehenden Ansprüchen, auch wenn diese sich nicht in Einklang mit der wirtschaftlichen Nutzung von Tieren bringen lassen. An den Vorschlag, wie die Perspektive der Tiereentsprechendverstanden werden sollte, schließt sich der Vorschlag zur Gründung einer Wissensplattform an, die diese Perspektive aufbereitet. Deutlich wird bei diesen Überlegungen. dass die Ermittlung tierlicher Ansprüche DringendegesellschaftlicheAnforderungenrichtensichandieNutzung von nicht-menschlichen Tieren (im Folgenden kurz: Tiernutzung) zu Nahrungszwecken. Da die Folgen der Tiernutzung globaler Natur und dieAgrarmärkteweltweitvernetztsind,mussdenAnforderungennicht nuraufnationalstaatlicher,sondernauchaufinternationalerEbeneentsprochen werden. Internationale Klimaabkommen, zum Beispiel, werden künftig eine Regelung zur Begrenzung der weltweiten Tierhaltung integrierenmüssen,wennambitionierteKlimazieleerreichtwerdensollen. Die Repräsentation tierlicher Ansprüche in internationalen VerhandlungenzurUmwelt-,Wirtschafts-oderEntwicklungspolitikkönnte einen zentralen Einfluss auf Verhandlungsergebnisse nehmen. Jedoch mangeltesbislanganeinerentsprechendenöffentlichenInstitution,die sichdieserAufgabevollumfänglichannimmt.BeiderEntwicklungeiner solchenInstitutionsollteausFehlernnationalerTierschutzpolitikengelerntwerden.EineindemArtikelvorgestellteLehreaussolchenFehlern lautet, die politische Berücksichtigung von Tieren nicht mehr nur an den Konzepten „Tierschutz“ bzw. „Tierwohl“ (animal welfare), sondern anderumfassenderen„Perspektive“derTiereauszurichten.Dasverhindert die drohende missverständliche Verstrickung menschlicher und tierlicherAnsprücheinTierschutz-undTierwohl-Ansätzenundermöglicht, anspruchsvollere normative Konzepte wie Interessen, politische Repräsentation oder juridische Rechte politisch auszubauen. Die Perspektive der Tiere bietet moderaten Tierschutz- bzw. Tierwohlanforderungen, die aufgrund demokratischer Mehrheitsverhältnisse am ehesten Erfolg versprechen, ebenso Raumwie weitergehenden Ansprüchen, auch wenn diese sich nicht in Einklang mit der wirtschaftlichen Nutzung von Tieren bringen lassen. An den Vorschlag, wie die Perspektive der Tiereentsprechendverstanden werden sollte, schließt sich der Vorschlag zur Gründung einer Wissensplattform an, die diese Perspektive aufbereitet. Deutlich wird bei diesen Überlegungen, dass die Ermittlung tierlicher Ansprüche an die Politik eine in ihrer Komplexität unterschätzte Aufgabe ist, die es von der Aufgabe eines interessenunabhängigen Tierschutz-Sachverstandes zu differenzieren gilt.

Bioethik und Biopolitik. Auf dem Weg zur "Ethisierung" der Politik? (Aus: Z-Pol)

Unter dem Begriff der „Ethik“ wird in medialen und politischen Debatten meist das geführt, was vornehmlich im Bereich der Bioethik an biomedizinischen Anwendungsmöglichkeiten und den daraus resultierenden moralischen Fragen behandelt und reflektiert wird. Die moralischen Fragen der Bioethik führen zu einer besonderen Form des politischen Prozesses: (1) der Institutionalisierung bioethischer Fragen, in Deutschland etwa durch die Einsetzung des Deutschen Ethikrates, und (2) einer verstärkten Emanzipation der Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Der Fraktionszwang weicht hier dem freien Abgeordnetenmandat. Die prozessualen Besonderheiten der „Biopolitik“, so die in diesem Beitrag vertretene These, werden verstärkt auf andere Problem- und Themenfelder übertragen. Die Folgen dieser „Ethisierung“ sind noch nicht absehbar, gleichwohl aus politikwissenschaftlicher Perspektive bedenkenswert. in: Ezazi, Gordian (2014): Bioethik und Biopolitik. Auf dem Weg zur „Ethisierung“ der Politik, in: Bieber, Christoph/Grundmann, Sven (Hrsg.) (2014): Ethik und Politikmanagement, Zeitschrift für Politikwissenschaft (ZPol), Sonderband 2013, S. 139-152.

Menschen und Tiere: ein politisches Verhältnis

Haben Tiere Rechte?, 2019

Die meisten Menschen wissen über die Bedingungen Bescheid, unter denen Tiere in der Regel in der industriellen Landwirtschaft gehalten wer-den. Vielen graut es vor ihnen. Die meisten kennen ebenfalls die bru-talen Transportbedingungen und wissen, was in Schlachthöfen vor sich geht. Gleichzeitig scheuen viele davor zurück, ihr Urteil über die Miss-stände auch im Alltag handlungsleitend werden zu lassen. Sie essen weiter-hin Fleisch oder Käse und erfreuen sich an der Ammenkuhhaltung auf der Weide. Tierschützer_innen und Tierrechtler_innen nehmen diese Wider-sprüche von zwei Seiten in die Zange, in reformistischer oder »abolitionis-tischer« Absicht. Beide setzen dort an, wo die Missstände mit konkretem und unabweisbarem Leid verbunden sind: am Schicksal des individuellen »erlebensfähigen« Tiers. 1 Beide stellen ökologische Fragen der Umweltbe-lastung oder Biodiversität durch Tierhaltung zunächst zurück und rücken das, was Menschen existierenden Tieren antun, in den Mittelpunkt. Das ist ein wichtiger erster Schritt, der »die Tierwelt« nicht als Umwelt betrachtet, sondern sich auf ein wie immer abstraktes Verhältnis zwischen Menschen und Tieren bezieht. In der Interaktion zwischen Menschen und Nutztie-ren, auf die ich mich hier konzentriere, sind die Verhältnisse alle men-schengemacht. Obwohl die öffentliche Debatte zwischen Tierschützer_innen und Tierrechtler_innen seit Jahrzehnten andauert, hat sich keiner der beiden Ansätze als belastbare Grundlage für politische Entscheidungen erwie-sen. Die tierrechtliche Position verlangt einen veganen Lebensstil und die annähernd vollkommene Abschaffung der Nutztierhaltung, deren zivilisa-torische und sozialstrukturelle Bedeutung sie ausblendet. Sie schützt Farm-tiere, indem sie eine kleine Anzahl von ihnen zu Haustieren macht, und hat damit weitgehend »abolitionistische« Folgen. 2 Diese Position ist von großer Folgerichtigkeit und Radikalität, aber ebenso umstritten in ihrer Begründung wie in ihren Konsequenzen. Sie spiegelt kaum die fundamen-talen Meinungsverschiedenheiten über den Status von Tieren, von denen

Theorie in Bewegung - Tagungsbericht zu: Animal Politics. Politische Theorie des Mensch-Tier-Verhältnisses der DVPW-Sektion Politische Theorie und Ideengeschichte, Universität Hamburg vom 12.–14. März 2014

organisierte Frühjahrstagung der Theoriesektion war anders. Erlebten die Teilnehmenden in Hamburg doch zuweilen das, was man einen Irritationsmoment nennen könnte. So lassen sich jene Momente beschreiben, in denen man beispielsweise ungläubig den Begriff "Dinosaurier-Erotik" 1 vernahm. Derlei Irritationen verweisen auf ein Wagnis. Ein Wagnis, das die Veranstalter bewusst eingegangen sind, indem sie die Versammlung zu einem Thema einberufen haben, das bisher kaum von der Politischen Theorie bearbeitet wurde. Diese Konstellation weist die Richtung für das, was wir ‚Theorie in Bewegung' nennen möchten; zunächst verstanden als ein Bemühen der Sektion, die Animal Studies, die in anderen Disziplinen wie der Soziologie, Philosophie, Rechts-und Literaturwissenschaft längst nichts Ungewöhnliches

Politische Ethik unter Realitätsbedingungen

Politische Ethik unter Realitätsbedingungen, 2017

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Politik der Antwort. Zum Verhältnis von Politik und Ethik in Neuen Materialismen

In debates on new materialisms, politics is usually discussed with a reference to the distinction between political materiality and material politics. The former expresses the description of matter as agentic, that is, as political in the sense that it stabilizes and destabilizes social phenomena. In contrast, the latter formulates programs for a politics and in some cases political systems that take the material and non-human actors into account. It is important to see, however, that many positions within the heterogeneous new materialisms not only engage with politics but also with ethics. The article explores how the relation between politics and ethics is thought in two conceptions: the micropolitics of Rosi Braidotti and the cosmopolitics of Isabelle Stengers. In a consideration of their accounts the article carves out a perspective of a politics of response as programmatic in new mate-rialisms. This positive reference to a responding in and with the world is a productive orientation for a post-anthropocentric politics. The notion of response, however, also tends to a possessive gesture that fails in theorizing antagonisms. This tendency prospectively should be addressed from a radical democratic perspective.

Die Abstände von Ethik, Ästhetik und Politik

Aesthetics, ethics and policy are entangled in certain ways. Though artists once in a while actively claim to be political in their artistic endeavours, it has to be asked, how art does not translate into political action, how politics are not artistic at all. The underlying problem of aesthetics is discussed as a mode to request one's fellow human an accordance about what the common ground of communication might be, based on Kant's Critique of Judgement.