Kubarev G.V. Bazylchan N.Die Türkischen Imperien des 6.–10. Jh. N. Chr. Ein Überblick zur Politikgeschichte, zu den ethnokulturellen Besonderheiten, den schriftlichen Quellen sowie archäologischen Denkmälern (original) (raw)

2013, Unbekanntes Kasachstan. Archäologie im Herzen Asiens. Katalog der Ausstellung des Deutschen Bergbau-Museums Bochum

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Die Ausstellung und der Katalog wurden ermöglicht mit freundlicher Unterstützung folgender Unternehmen und Stiftungen Die Entstehung moderner turksprachiger Völker Zentral-und Mittelasiens hängt direkt mit alttürkischen Nomaden zusammen, die in der Mitte des 6. Jh. n. Chr. das erste eurasische Imperium gründeten. Gerade deshalb nimmt in der Geschichte Kasachstans und des kasachischen Volkes die alttürkische Steppenzivilisation einen besonderen Platz ein. Nach dem faktischen Zerfall des Ersten Türkischen Khaganats (551-630) entstanden, koexistierten oder lösten auf seinem riesigen Territorium verwandtturksprachige Stämme, die eine ähnliche Lebensweise, materielle Kultur, Weltanschuung und staatliche Ordnung besaßen, einander ab. Dazu zählen das Khaganat der Chasaren (650-969) im Gebiet des Kaukasus und der Unteren Wolga, das Khaganat der Türgeschen (Ende 7. -Mitte 8. Jh.) im Siebenstromland, das Zweite Osttürkische Khaganat (687-744) in der Mongolei, Tuva (Tyva) und im Altai, das Khaganat der Uiguren (745-840) in der Mongolei und Tuva sowie das Reich der Kirgisen (Mitte 9.-11. Jh.) im Minusinsker Becken, Tuva und in der Mongolei. Dabei waren diese staatlichen Gebilde alle polyethnisch, d. h. sie vereinigten praktisch alle Stämme in den genannten Regionen. Die Ablösung eines Reiches durch ein anderes bedeutete keinen physischen Untergang der Menschen, die zur besiegten Stammesgruppe gehörten. Die einen wanderte in andere Gebiete aus, die anderen aber setzten das Leben auf ihrem bisherigen Land fort, wobei sie die Oberherrschaft der neuen Macht anerkannten. Der Vorgänger des Türkischen Imperiums, wie auch vieler anderer nomadischer Staatengebilde Zentralasiens, war das Hunnenreich (Hsiung-nu, 3. Jh. v. Chr.-1. Jh. n. Chr.). Es setzte sich aus 24 großen Stämmen zusammen, die unter ihrer Macht alle Nomaden Zentralasiens vereinigten. Die Hunnen führten zahlreiche Kriege gegen die Han-Chinesen und einen Kampf um die Kontrolle der Handelswege gegen die Yuezhi, die Wusun und die Kangju im Westen. In der Mitte des 1. Jh. n. Chr. zerfiel das Imperium der Hunnen, was den Beginn einer neuen histo-DiE türkiscHEN impEriEN DEs 6.-10. JH. N. cHr. EiN üBErBlick zur politikGEscHicHtE, zu DEN EtHNokulturEllEN BEsoNDErHEitEN, DEN scHriFtlicHEN QuEllEN soWiE arcHäoloGiscHEN DENkmälErN Gleb Kubarev & Napil Bazylchan rischen Epoche, der "Völkerwanderungszeit", markierte. Eine der charakteristischsten Besonderheiten der historischen Periode des 1.-6. Jh. stellte die Migration eines bedeutenden Teils der Bevölkerung Ost-und Zentralasiens dar. Das Spezifische dieser Periode ist die allmähliche Umgestaltung des ethnischen Milieus in den eurasischen Steppen zugunsten der Vorherrschaft turksprachiger Stämme. Die kriegspolitische und staatliche Struktur der Hunnen bereitete ein Fundament für alle nachfolgenden Reiche der Steppennomaden Zentralasiens. Die materielle Kultur der Hunnen und ihre Lebensweise wurden zu direkten Vorgängern der türkischen Steppennomaden. In den chinesischen Schriftquellen wird direkt auf die Verwandtschaft der Türken zu den Hunnen hingewiesen: "Bei den Vorfahren des Hauses Tujue […] gibt es einen gesonderten Zweig des Hauses Hunnen (Hsiung-nu) mit dem Namen A-shih-na" (Bičurin 1998, 224). Ein Teil der Hunnen unterwarf sich nach dem Zerfall ihres Reiches China, während der andere in Richtung Westen vorrückte und dabei ebenso verschiedene türkische (ogurische), uigurische und iranische Stämme in Bewegung versetzte. Gerade dieser Teil der Hunnen erreichte Europa und gründete hier mit Attila an seiner Spitze ein neues Hunnenreich. Das politische Vakuum in den zentralasiatischen Steppen füllten die Stämme der Xianbei. Allerdings war ihre Herrschaft nicht von langer Dauer, dieser Nomadenverband brach im Jahre 235 auseinander. Zu Beginn des 5. Jh. entstand das mächtige Reich der Rouran -der direkten Vorgänger des türkischen Imperiums. Die Herrscher der Rouran nahmen als erste den Titel Khan bzw. Khaghan an, welcher in der Folge bei der Mehrheit der türkund mongolischsprachigen Nomaden in Gebrauch kam. Der rouranische Khaghan She-lüan unternahm kriegerische Feldzüge gegen seine Nachbarn, die im Westen und Nordwesten lebten. Es handelte sich dabei um ein Gemisch turksprachiger