POSTJUGOSLAWISCHE ANTIKRIEGSPROSA. EINE EINFÜHRUNG (original) (raw)

2014, POSTJUGOSLAWISCHE ANTIKRIEGSPROSA. EINE EINFÜHRUNG

Wie fanden die soziale, politische und ökonomische Realität und die Kriegssituation in den letzten 20 Jahren Eingang in die postjugoslawischen Literaturen und welche Deutungen hinsichtlich der Kriege und Krisen der 1990er Jahre nehmen sie vor? Der vorliegende Band ist die bislang erste Zusammenschau der Antikriegsliteratur aus Kroatien, Serbien, Bosnien und Montenegro. Über 100 Prosatexte, die seit 1995 entstanden sind, werden in dieser Einführung vorgestellt. Der vorliegende Überblick zielt darauf ab, eine engagierte Antikriegsliteratur aus Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien sowie Montenegro vorzustellen und sie im Hinblick auf eine ihrer zahlreichen Funktionen zu lesen, nämlich als kritisches Beobachtungs- und Reflexionsmedium von Gesellschaft und Politik. Der Hauptfokus des vorliegenden Buchs lag auf der Frage, wie die soziale, politische und ökonomische Realität und die Kriegssituation in den letzten 20 Jahren Eingang in die postjugoslawischen Literaturen fanden, welche literarischen Mittel AutorInnen entwickelten, um diese darzustellen, und welche Deutungen hinsichtlich der Kriege und Krisen der 1990er Jahre sich in ihren Texten finden lassen. Es wurde deutlich, dass die postjugoslawische Antikriegsprosa der letzten 20 Jahre als ein sich nationalem Pathos und der Kriegsverherrlichung widersetzendes Textkorpus durchaus eine Einheit bildet. Diese Prosa thematisiert nicht nur Front-, Kampf oder Schlachtereignisse, sondern auch Flucht, Vertreibung, Exil, zivilen Alltag im Krieg, Belagerung, Flüchtlingslager und Gefangenenlager, eine militarisierte Gesellschaft, Diktatur und Widerstand sowie Desertion bzw. Kriegsverweigerung. Sie reflektiert auch Fragen von Nationalismus und Multikulturalismus/Multiethnizität in der Region oder die Mythologien von Freund- und Feindschaft. Sie richtet sich gegen jene in einer nationalistischen Literaturproduktion verarbeiteten oder gesellschaftlich und medial vermittelten Denkmuster, die Gewalt legitimieren und an der Konstruktion eines Feindbildes partizipieren: Bedrohungsszenarien, Sündenbock- und Verschwörungstheorien, Verteidigungsphantasien und Heldenklischees. Diese Prosa über einen heute bereits historisch gewordenen Krieg ist dabei immer auch eine über die unmittelbare Gegenwart und Fragen danach, wie diese zu gestalten sei.