Godard zum Anfassen, Le Livre d'image exposé (original) (raw)

Der Mann mit der Kamera. Zur Kritik am dokumentarischen Realismus in Jean-Luc Godards Kurzfilm Caméra-oeil

Georg Peter / Reuß-Markus Krauße (Hgg): Selbstbeobachtung der modernen Gesellschaft und die neuen Grenzen des Sozialen, 2012

Aus dem Kaleidoskop der 11 überwiegend dokumentarischen Episoden des von Chris Marker editierten Kooperativ-Films Loin du Viet-nam (1967), 2 welche das Geschehen in Vietnam, Protest-und Unterstützungsaktionen in den USA, historische Aufnahmen aus Französisch-Indochina und Streiks wie Protest im zeitgenössischen Frankreich zeigen, ragt Godards Beitrag Caméra-oeil, der nach rund 50 Minuten Spieldauer eingefügt ist, heraus; nicht nur, weil er die Rolle des Intellektuellen bzw. des Künstlers im politischen Kampf problematisiert, also die Möglichkeit seiner Chance zum wirksamen Engagement hinterfragt. Diese Problematik thematisiert auch schon der lange, von dem Schauspieler Bernard Fresson vorgetragene Monolog des Schriftstellers Claude Ridder im Beitrag Alain Resnais' , insofern er die innere Widersprüchlichkeit, ja die unwillentliche und unaufhebbare Verstricktheit der Protestbewegung in den von ihr bekämpften Herrschaftsapparat eindringlich beschreibt. 3

Godard/Godard – Reflexion und Resonanz

Jean-Luc Godard, 2020

Schon die Abwendung vom klassischen Erzähl kino im Frühwerk, im Kontext der Nouvelle Vague, hat Bedeutung für eine Psychoanalyse des Films-und für die Psychoanalyse schlecht hin. Geht es im Erzählkino um die Inszenierung

Jean-Luc Godard und Anne-Marie Miéville, Foto und Co. (Photo et Cie), Vorwort und Transkription von Thomas Helbig, in: Franca Buss und Philipp Müller (Hrsg.), Hin- und Wegsehen. Formen und Kräfte von Gewaltbildern („Imaginarien der Kraft“, Bd. 1), Berlin/Boston 2020, S. 215–232

Zusammen mit Anne-Marie Miéville gründete Jean-Luc Godard Anfang der siebziger Jahre in Grenoble die Videogesellschaft Sonimage. Unter dem Eindruck der technischen Möglichkeiten des Videoformats entstehen zahlreiche Filmprojekte, die anstelle des Kinos das Fernsehen adressieren. Die experimentell angelegte zwölfteilige Serienproduktion Six fois deux [sur et sous la communication] (R: Godard/Miéville, FR 1976, 610 Min.) skizziert formal und inhaltlich neue Wege, das Fernsehen als diskursives Medium zu etablieren. Die Episode Photo et Cie (45 Min.) handelt von der Herstellung und dem Vertrieb von Kriegsfotografien sowie ihrem Verhältnis zur Werbung und Amateurfotografie. ...

Silent Pictures. Photography in selected works by Jean-Luc Godard

2014

Jean-Luc Godard is an essayist. Not an essayist in the literal sense, Godard is more like a time-traveling filmmaker in the great history of the arts and our world. Many of his films remain fragments, veritable assemblages of eclectic quotations in which he presents any aspect of culture. Godard's films are like small personal museums of his outstanding knowledge and one finds images and references that he has collected and categorized in numerous of his yellow notebooks. He brings together different arts, literature, painting, photography, and philosophy. As a former critic for cahiers du cinéma, he sees cinema as a central development of our time whose mission is to "bear witness to his century with his images of the pure presence of things." The title "Silent Pictures" first refers to the use of the still and stationary image in the moving medium of the film. These "silent pictures" can be understood as the raw material of Godard's films; they are dissected, separated, alienated and then (re)contextualised in another context. In this sense, the photographs are first of all quotes. Godard primarily uses found footage, imagery such as newspaper photos, postcards or advertisements, and uses them contrapuntally in his films. By doing so, he transforms the pictorial world of pop, art and news as if it were part of the flow of the film. This approach to the photographic image within the film allows Godard not only to be understood as a "iconoclast" of cinema, but also as a critic of the still image. But iconoclasm is meant as a research for the image behind the image, to show the "incrustations" of cinema. He makes visible the pure materiality of the moving image.

Einleitung: In der Nische Zentralfigur. Jean-Luc Godard und die historische Geometrie des Kinos

Jean-Luc Godard. Film Denken nach der Geschichte des Kinos, 2023

Dass Jean-Luc Godard ein zentrale Figur der Filmgeschichte sei, ist keine leere Behauptung. Sie lässt sich mit einem geometrischen Beweis belegen. Faltet man die bisherigen 127 Jahre Filmgeschichte – verstanden als Kinogeschichte, also beginnend mit der ersten öffentlichen Filmvorführung in Paris 1895 – in der Mitte zusammen, dann liegt in der Falte das Jahr 1959, in dem Jean-Luc Godards Erstlingsfilm A bout de souffle in die Kinos kommt und die Nouvelle Vague ihren Lauf nimmt. Faltet man die zweite Hälfte der Kinogeschichte noch einmal, so liegt in der zweiten Falte das Jahr 1990, in dem Godard, ziemlich genau in der Mitte seiner bisherigen Kinolaufbahn, einen Film ins Kino bringt, der den Titel Nouvelle Vague trägt. Dieser Film ist seinerseits in der Mitte zweitgeteilt und erzählt zwei Mal mit Variationen die Geschichte einer Paarbildung zwischen Alain Delon und Domiziana Giordano: erst gewinnt Delon als geheimnisvoller Wanderer die Zuneigung der reichen Geschäftsfrau mit Villa am Genfersee (die ihn im See ertrinken lässt), und dann noch einmal als selbstbewusster vermeintlicher Zwillingsbruder des Wanderers. Der Film beginnt zudem mit einem Zitat – „Mais c’est un récit que je voulais faire, et je le veux encore“ – aus dem Hyperion von Hölderlin, zu dessen Werken ein Gedicht mit dem Titel „Hälfte des Lebens“ gehört, dem Godard den Titel seines nächsten Films entlehnt, Hélas pour moi (Weh mir) von 1993. Mehr Mitte der Filmgeschichte, so zeigt die doppelte Faltung, als bei Jean-Luc Godard im Jahr 2022 ist kaum denkbar.

Jean Baudrillard und die Abwehr des Realen, in: Kathrin Busch / Iris Därmann (Hg.): Bildtheorien aus Frankreich. Ein Handbuch, München: Fink 2011, S. 49–56.

wurde in Reims geboren und studierte Germanistik an der Sorbonne in Paris, später Philosophie und Soziologie an der Université de Paris-X Nanterre, wo er 1966 mit der von Henri Lefebvre betreuten Arbeit Le système des objets promoviert wurde. 1972 habilitierte er mit L'autre par lui-même und erhielt einen Lehrstuhl für Soziologie. Von 1986 bis 1990 war er directeur scientifique am Institut de Recherche et d'Information Socio-Économiques (IRIS) an der Université de Paris-IX Dauphine. Bis zu seinem Tod unterrichtete er an der European Graduate School in Saas-Fee in der Schweiz. Zu seinen wichtigsten Schriften, in deren Zentrum die Ausarbeitung einer Theorie des Simulakrum und der Hyperrealität steht, zählen Le système des objets: la consommation des signes (1968), Pour une critique de l'économie politique du signe (1972), L'échange symbolique et la mort (1976), Simulacres et simulation (1981), Amérique (1986), La guerre du Golfe n'a pas eu lieu (1991) und L'esprit du terrorisme (2002).

Frühe Videoarbeiten von Jean-Luc Godard, Filmvorführung und Gespräch, fsk Kino, Segitzdamm 2, 10969 Berlin, 21. Oktober 2018, 21 Uhr („Der Essayfilm – sichtbares Denken”, 19.–21. Oktober 2018)

Zusammen mit Anne-Marie Miéville gründete Jean-Luc Godard Anfang der siebziger Jahre in Grenoble die Videogesellschaft „Sonimage“. Unter dem Eindruck der technischen Möglichkeiten des Videoformats entstehen zahlreiche Filmprojekte, die anstelle des Kinos das Fernsehen adressieren. Die experimentell angelegte Serienproduktion „Six fois deux [sur et sous la communication]“ (R: Godard/Miéville, FR 1976, 610 Min.) skizziert formal und inhaltlich neue Wege, das Fernsehen als diskursives Medium zu etablieren. // Gezeigt werden die Episoden „Photos et cie“ und „Marcel“ (Deutsche Synchronfassungen) sowie Ausschnitte aus einem Interview, das Wilfried Reichart Ende November 1976 mit Godard in Grenoble führte. Der Vorführung geht eine Einführung von Wilfried Reichart und Thomas Helbig voraus.

André Félibien: Das Porträt eines Porträts. Le portrait du Roy (1663)

2019

// est vray, qu 'ayant ä parier du plus grand Roy du monde, c 'est un sujet tellement au dessus de mesforces, qu 'on peut accuser mon entreprise de temerite, si ce n 'est que le sujet mesme serve d'excuse ä cette entreprise; piusque je ne puis mieux satisfaire d mon devoir, qu 'en employant toutes mesforces ä parier de ces grandes qualitez, que toute la terre admire dans vostre auguste personne, et qui sont si mysterieusement peintes dans le Tableau que je veux decrire. Je scay qu 'il n 'estoit permis qu 'ä Lysippe et d Appelles de travailler au Portrait d'Alexandre; mais il n 'estoitpas defendu d tous les Grecs d'admirer les Ouvrages de ces deux excellens hommes, d'en conserver l'idee, et de faire sur leurs originaux des copies quifussent comme autant de glorieux monumens consacrez ä la memoire de ce grand Prince. Le Ciel, qui a repandu dans Votre Majeste tant de graces et de tresors, et qui semble avoir entrepris en la formant de faire un Chef-d'oeuvre de son pouvoir, en donnant ä la terre un parfait modele d'un grand Roy; le Ciel, dis-je, qui rend visible en vostre personne un Monarque accompli, a voulu produire en mesme temps des Ouvriers capables de le dignement representer; et il a repandu dans l'esprit de ces savans hommes des lumieres si penetrantes, que l'on voit dans leurs Ouvrages la beaute de leurs conceptions exprimee d'une maniere si rare et si extraordinaire, que je me sens doucement force de faire un Portrait du Portrait de Votre Majeste et de le donner au public, non pas comme une marque de ma Süffisance, mais comme un temoignage de ma passion et de mon respect pour sa personne sacree. [...] Mais voicy comme le Peintre a täche de faire le Portrait de V. M. lla peinte sur une toile d 'une moyenne grandeur I 'Image de V. M. et a renferme dans un espace fort mediocre le Portrait d'un Roy, dont le nom remplit toute la terre. La vous estes represente arme de toutes pieces, et monte sur un Cheval, qui temoigne par son action combien il se tient glorieux de vous porter. Il y dans l'air et sur des nuages doux et agreables trois figures de Femmes, qui accompagnent vostre royalepersonne. [...] L'on juge assez que ce trois Figures representent L'Abondance, la Renomee, et la Victoire. Et parce que les plus grands Peintres, aussi bien que les Philosophes les plus scavans, cachent souvent leur sience, et la hauteur de leurs pensees sous des formes et des figures mysterieuses, lors qu'ils traitent des sujets extraordinaires et revelez. C'est aussi sous le voile de ces Figures que le Peintre a cache les grandes choses qu 'il a eü dessein de representer. [...] Apres avoirparle de ces Figures qui accompagnent I 'Image de Votre Majeste ilfaut 356

Die dadaistische Befreiung des Bildes

Hanne Bergius: Die Befreiung des Bildes, 2021

Vortrag Institut der DPG Frankfurt, Ringvorlesung: Das Lachen Frankfurt, 5. November 2021 Hanne Bergius: Die Befreiung des Bildes 20. Ringvorlesung 2021/2022: Das Lachen Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft, Frankfurt Das Lachen Wir möchten mit dieser Ringvorlesung dem Lachen auf den Grund gehen und ihm in einige seiner Abgründe folgen. Angeboren – beginnend mit dem Lächeln des satten Säuglings, das wir als reinen Reflex oder auch als Ausdruck wohligen Behagens, vollkommener Befriedigung verstehen können – setzt es sich in einer sozialen Funktion im reziproken Anlächeln fort – Urgrund einer Beziehungserfahrung des Willkommenseins – um uns in zahlreichen Varianten weiter zu begleiten: heiter, übermütig, bitter, spöttisch, leise, kichernd oder laut und gellend, triumphierend, verächtlich, ansteckend oder auch kränkend, ausgrenzend. Wir amüsieren uns über die Schwächen und Unzulänglichkeiten anderer – und unsere eigenen. Witz, Komik und Humor ermöglichen Grenzüberschreitungen, Regel- und Tabubrüche, verkleidet in Anspielungen und Wortspiele. Freud sah einen Lustgewinn im „ersparten Hemmungsaufwand“ ansonsten verpönter Impulse, die so zum Ausdruck kommen können. Dem Lachen kann ein Aufbegehren zu Grunde liegen – gegen die Unterdrückung durch äußere Mächte oder innere Instanzen, wir zeigen „Zähne“, auch gegen die Zumutungen des Lebens überhaupt. Versuchsweise und spielerisch wehrt sich das Lustprinzip gegen die Anforderungen des Realitätsprinzips. Freud schrieb dem Humor als Haltung etwas Großartiges zu: „im Triumph des Narzissmus, in der siegreich behaupteten Unverletzlichkeit des Ichs. Das Ich verweigert es, sich durch die Veranlassungen aus der Realität kränken, zum Leiden nötigen zu lassen, es beharrt dabei, daß ihm die Traumen der Außenwelt nicht nahe gehen können, ja es zeigt, daß sie ihm nur Anlässe zu Lustgewinn sind.“ (1927, GW XIV, S. 385) Das Lustprinzip behauptet sich trotzig, in Verkehrungen, Verschiebungen, Verdichtungen, Verrücktheiten, allerdings ohne die Anbindung an die Realität ganz aufzugeben. Das Über-Ich – sonst ein gestrenger Herrscher – wendet sich in diesem Fall milde oder wie ein gutes mütterliches Objekt, dem strauchelnden Protagonisten – Ich – zu, versöhnlich, tröstend. Angesichts der Tollpatschigkeit des Komikers, lachen wir einerseits über ihn aus der sicheren Distanzierung – selbst nicht betroffen, überlegen zu sein – andererseits identifikatorisch mit ihm im Wiedererkennen unserer eigenen Unzulänglichkeiten. Letztlich gilt ihm unsere Sympathie. Als Beitrag zur Spannungsreduktion, dient das Lachen der Befreiung und Versöhnung mit den Zumutungen der Realität. So kann es in der Psychotherapie nicht nur als Abwehrmechanismus, sondern auch als Integrationsleistung eines reifen Ich verstanden werden. Stets ambivalent, bleiben Trauer und Tragik präsent. Provozierend, subversiv zielt es in Satire und Groteske durchaus aggressiv, radikal und unversöhnlich auf Veränderung, Dekonstruktion bestehender Verhältnisse, zeitweise ist es aus abgrundtiefer Verzweiflung geboren. Entsprechend unseres interdisziplinären Ansatzes werden unterschiedliche psychoanalytische Perspektiven, Kunst und Literatur zu Wort kommen.