Zwischen Design und Wissenschaft: (Re)Konstruktionen prähistorischer Kleidung (original) (raw)
2019, R. Karl, J. Leskovar [Hrsg.] (2019), Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 8. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich, Folge 49, Linz, 241–251.
Rekonstruktionen (prä-)historischer Kleidung sind ein wesentlicher Bestandteil der experimentellen Archäologie, der Textilarchäologie und der Museumsarbeit. Rekonstruktionen von Kleidungsstücken dienen zur Visualisierung der jeweiligen textilen Kultur, der Kleidung und den dazugehörigen Trachtbestandteilen aus Metall, aber auch in der Vermittlungsarbeit als Anknüpfungspunkt an eine vertraute Alltagskultur. Rekonstruktionen von Textilien oder Gewändern werden in Museen herangezogen, um über einen Alltagsbezug eine Verbindung zwischen Wissenschaft und BesucherInnen herzustellen. Meistens werden Gewandrekonstruktionen im Kontext zum menschlichen Körper dargestellt und vermitteln dadurch Trageweise, Passform, Ästhetik und Kleidungsdesign. Gerade im Bereich der prähistorischen Kleidung stoßen Rekonstruktionen aufgrund der geringen archäolo-gischen Befunde von Kleidungsstücken auf Kritik. Scheint es auf der einen Seite unwissenschaftlich zu sein, aufgrund der raren Funde überhaupt Aussagen über die Kleidung zu machen, werden andererseits oft stereotype Kleidungsrekonstruktionen, wie der Kelte mit der karierten Hose, ausgestellt. Wenn Kleidung nicht das eigentliche Thema einer Illustration ist, wird dennoch Kleidung zwangsläufig dargestellt. Da das Hauptaugenmerk nicht auf der Kleidung liegt, sind diese Darstellungen ebenfalls sehr stereotyp. Der Modellcharakter von beidem wird selten vermittelt, wodurch für den Betrachter und die Betrachterin sowohl die Rekonstruktion als auch die Abbildung als wissenschaftliche Erkenntnis wahrgenommen wird. Es existieren in den meisten Fällen genügend Quellen, um ein Modell von Kleidung zu rekonstruieren. Methodisch müssen die Informationen aus verschiedenartigen Quellen zusammentragen werden, um die herausgearbeiteten Ein-zelaspekte zu einem möglichen Bild zusammen zu setzen. Ein Modell kann durch neue Erkenntnisse, z.B. neue Funde, jederzeit falsifiziert werden und dadurch auf neuesten Stand gebracht werden. Voraussetzungen dafür sind die kritische Auseinandersetzung mit den Quellen sowie ein breites Wissen über das Textilhandwerk, Ökonomie und praktische Erfahrung in der Herstellung von Textilien. Um den Modellcharakter derartiger Rekonstruktio-nen zu vermitteln ist es zudem unerlässlich, den Entstehungsprozess sowie die einzelnen Entscheidungen für die Gestaltung darzulegen.