"Und es waren Hirten in demselben Land" Vom Verständnis der Hirten zu einer neuen Hermeneutik der lukanischen Weihnachtsgeschichte - Teil 2, Biblische Notizen 188, 2021, 3-25. (original) (raw)

Teil 2 6. Augustus in der Utopie des Lukas als heimlicher Christ? Am Ende von Jesu Leben ist es mit dem Hauptmann bei der Kreuzigung ein römischer Machthaber, der das Geschehen sieht und daraufhin Gott preist (23,47). Gleiches erzählt Lukas auch für den Anfang von Jesu Leben mit den Hirten, die er das Gesehene verkünden und Gott loben und preisen lässt, sie mithin gleichermaßen als Christen vorstellt. Dadurch dass der Evangelist damit "gewissermaßen einen doxologischen Rahmen um das Leben Jesu" 1 gelegt hat sowie das Preisen Gottes des römischen Hauptmanns bei der Kreuzigung Sondergut des Lukas ist, halte ich es für nicht unwahrscheinlich, dass der Evangelist bereits am Anfang seines Evangeliums seine Utopie einschaltet, wonach es mit den Hirten-sprich Augustus und Quiriniusebenfalls römische Machthaber sind, die Gott aufgrund des Gesehenen loben und preisen. 2 Bei dieser Utopie, die sich freilich an der historischen Realität in keiner Weise messen konnte, kam dem Evangelisten-abgesehen von der durchaus existenten Form eines paganen Mono-bzw. Henotheismus 3-wenigstens ansatzweise besonders für Augustus entgegen (für Quirinius sprudeln die Quellen ungleich ärmer, wobei aber angesichts seiner Rolle als Statthalter des Augustus Lukas theoretisch Gleiches für ihn voraussetzen konnte), dass dieser in der gesamten heidnischen Literatur besonders positiv beurteilt 1 So Wolter, Lukasevangelium, 133, der zwar die Hirten als Heiden versteht, aber das meines Erachtens parallele Detail, dass es sich auch bei ihnen um römische Machthaber handelt, nicht berücksichtigt. 2 Vielleicht ist bezeichnend, dass der Centurio unter dem Kreuz mit dem bestimmten Artikel vorgestellt wird, obwohl er bislang innerhalb der Kreuzigungsszene noch unerwähnt geblieben ist. Ist dies ein vorsichtiger Hinweis des Lukas, dass er ihn bereits unter den Hirten mit einbegriffen hatte, vgl. Anm. 22, Teil 1 in BN 187 (2020). 3 Vgl. hierzu neuerdings Gers-Uphaus, Monotheismus.