«Arachne, Pygmalion, Daedalus, Marsyas, Orpheus – der Künstler und sein Werk», in M. Möller (ed.), Ovid Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart: J.B. Metzler, 2021, 365–380. (original) (raw)
Eine ganze Reihe von Künstlern und Kunstwerken stehen im Zentrum einiger der bekanntesten und meistgelesenen Erzählungen der Metamorphosen: Daedalus, Arachne, Pygmalion, Marsyas, Orpheus. Auch in der Ovid-Philologie vielbeachtet, werden diese Erzählungen insbesondere als Momente der ästhetischen Selbstreflexion des Epos und seines Autors gelesen (grundist festzustellen, dass sich die Künstlergeschichten nicht trennscharf von anderen Erzählinhalten abgrenzen lassen. Einerseits sind sie integraler Bestandteil eines Epos, das sich programmatisch mit dem Phänomen des Gestaltwandels auseinandersetzt -mit spontanen Mutationen ebenso wie, häufiger, mit mutwilligen Eingriffen und eigentlichen Schöpfungsakten, die meist von Göttern herrühren -und dabei grundsätzlich Fragen der Ästhetik, und insbesondere das Verhältnis von Form und Inhalt, zur Debatte stellen. Andererseits gehen die Künstlererzählungen im anthropologischen Interesse der Metamorphosen auf: Facettenreich wie kein zweites poetisches Werk der Antike verhandeln diese die Frage nach dem Wesen des Menschen und seinem Ort im Kosmos -sein Hervortreten aus der Schöpfung, sein Verhältnis zur Natur, sein Sozial-und Geschlechtsleben, seinen Platz in der Geschichte. Die Idee der anthropologischen Differenz, von der belebten und unbelebten Umwelt ebenso wie von der Welt der Götter (die freilich ebenso oft anthropomorphisiert erscheinen, wie sie dem Menschen als ›das Andere‹ gegenüberstehen), wird in zahlreichen Verwandlungsgeschichten kritisch befragt (vgl. Schmidt 1991, 9-78; Gildenhard/Zissos 2013, 68-72); dabei ist es zuvorderst das Artikulationsvermögen des Menschen, das die Grenze des Menschseins markiert, aber auch über sie hinausweist: vom Zittern der Blätter der verwandelten Daphne zu den unartikulierten Schreien des Actaeon, von der Webelist der verstümmelten und verstummten Philomela zum Brief der Byblis erzählt Ovids Epos immer wieder von Akten der Selbstverständigung -in Wort, Schrift, Gesten, Mimik, Zeichen; es sind Akte, die oft scheitern, ihre Triftigkeit aber gerade in diesem Scheitern erweisen (met. 1, 553-57 Der Künstler und sein Werk: Arachne, Pygmalion, Daedalus, Marsyas, Orpheus J. B. Metzler © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature, 2021 M. Möller (Hg.), Ovid-Handbuch, https://doi.