Konstruierte Identitäten – inszenierte Realitäten. Bestattungen als Medium des sozialen Diskurses am Beispiel der skandinavischen Wikingerzeit (original) (raw)

2021, Schade, Tobias; Schweizer, Beat; Teuber, Sandra; De Vela, Raffaella; Frauen, Wulf; Karami, Mohammad; Ojha, Deepak Kumar; Schmidt, Karsten; Sieler, Roman; Toplak, Matthias S. (eds.), Exploring Resources. On Cultural, Spatial and Temporal Dimensions of ResourceCultures. RessourcenKulturen 13

Im Kontrast zu der lange in der Archäologie vorherrschenden Wahrnehmung von Bestattungen und Gräbern als Spiegel der Lebenswirklichkeit müssen Bestattungen als hoch dynamische und von einer Vielzahl multikausaler Einflüsse geprägte Zeremonien betrachtet werden. Die können in einem eingeschränkten Rahmen von den Angehörigen genutzt werden, um durch eine Vielzahl von Ausdrucksmöglichkeiten – Grabbeigaben, rituelle Handlungen, monumentale Grabbauten – vor der versammelten Lokalgemeinschaft ein bestimmtes, für sie vorteilhaftes Abbild der sozialen Identität des Verstorbenen zu präsentieren. Durch diese Darstellung einer konstruierten Identität im Bestattungskontext sind Bestattungen und in Folge auch Gräber und die Erinnerung daran geeignet, um die umgebenden sozio-kulturellen Strukturen zu modifizieren oder sogar zu manipulieren und so eine bestimmte Realität zu inszenieren. Der Neu-Konzeptualisierung des Ressourcenbegriffes im SFB 1070 RESSOURCENKULTUREN folgend, können demnach alle Aspekte, die auf die Ausprägung und öffentliche Perzeption einer Bestattungszeremonie einwirken, als Ressourcen bezeichnet werden, die intendiert zur Konstruktion eines bestimmten religiösen, kulturellen oder sozio-politischen Sachverhaltes eingesetzt werden können. Der vorliegende Aufsatz diskutiert diese Aspekte des ‚Embodiment‘ einer sozialen Identität im Bestattungsritual und die möglichen neuen Perspektiven dieses theoretischen Zugangs ausgehend von Fallbeispielen aus der skandinavischen Wikingerzeit und unter Aufgriff der zentralen Konzepte des SFB 1070.