"Orthodoxe Kirchen und Europa. Positionen zur europäischen Integration", Osteuropa (Berlin) 59/6 (Juni 2009) 79-92 (original) (raw)
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Die vielfältigen und komplexen Beziehungen zwischen Religion und Moderne, genauso wie das Thema der potentiellen Modernisierung einer Religion, wurden und werden weltweit, und nicht nur heute, aufmerksam verfolgt und diskutiert. Dies betrifft sowohl eine Religion mit vielen Anhängern wie den Islam, auf dessen Modernisierung viele, insbesondere politische Akteure aus der westlichen Welt pochen, als auch kleinere religiöse Gruppen wie etwa Kulte und Sekten, deren Legalisierung oftmals mit einer Akzeptanz der Errungenschaften der Moderne aufs Engste verbunden ist. Es erübrigt sich gesondert zu erwähnen, dass diese Diskussionen oftmals kontrovers verlaufen, nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Ausgangspositionen, Perspektiven oder Prognosen der beteiligten Akteure und Beobachter. Es gibt zum Beispiel diejenigen, die auf die langfristige, nicht immer explizite, doch unausweichliche Anpassung der Religionen an die Moderne bzw. auf ihre Veränderung aufgrund der Bedingungen der Moderne hinweisen (so etwa der Soziologe José Casanova) -das wäre die "optimistischere Variante". Andererseits gibt es die diejenigen, die eher auf Probleme, Spannungen und Konflikte zwischen Religion und Moderne hinweisen (man sollte hier etwa an den Politologen Samuel P. Huntington denken) -das wäre die "pessimistischere Variante". Angesichts dieses breiteren Interesses für diese Thematik ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch das Orthodoxe Christentum (oftmals einfach die Orthodoxie genannt), das historisch und geographisch meistens im Osten und Südosten Europas Fuß fasste, das aber heute Diasporagemeinden in der ganzen Welt von Westeuropa bis zu den USA und Australien hat, in diese Diskussionen einbezogen wurde. Ist dieser historische Flügel des Christentums mit der Moderne kompatibel oder mit dieser völlig unvereinbar? Das ist die zentrale Frage, um die der vorliegende Beitrag sich dreht. Bevor ich aber in medias res gehe, seien zunächst einige terminologische Klärungen in Bezug auf die Hauptthematik vorangestellt: Erstens: Spricht man von Moderne, dann meint man -historisch gesehen -hauptsächlich eine besondere westeuropäische Entwicklung, die geistesgeschichtlich mit der Renaissance (15. Jh.) eingeleitet wurde. Moderne wird hier in einem breiteren Sinne gefasst, obwohl es auch andere Begriffe, wie frühe oder späte Neuzeit, für UNA SANCTA 1/2011 15 * Dieser Text basiert auf einem an der Universität Innsbruck im Mai 2009 gehaltenen Vortrag im Rahmen der Raymund Schwager Religionspolitologischen Vorlesungen.