Human-Animal Studies, Tierrechte und die Notwendigkeit eines Wandels in den Verhältnissen zwischen ‚Mensch und Tier' (original) (raw)
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Menschen und Tiere: ein politisches Verhältnis
Haben Tiere Rechte?, 2019
Die meisten Menschen wissen über die Bedingungen Bescheid, unter denen Tiere in der Regel in der industriellen Landwirtschaft gehalten wer-den. Vielen graut es vor ihnen. Die meisten kennen ebenfalls die bru-talen Transportbedingungen und wissen, was in Schlachthöfen vor sich geht. Gleichzeitig scheuen viele davor zurück, ihr Urteil über die Miss-stände auch im Alltag handlungsleitend werden zu lassen. Sie essen weiter-hin Fleisch oder Käse und erfreuen sich an der Ammenkuhhaltung auf der Weide. Tierschützer_innen und Tierrechtler_innen nehmen diese Wider-sprüche von zwei Seiten in die Zange, in reformistischer oder »abolitionis-tischer« Absicht. Beide setzen dort an, wo die Missstände mit konkretem und unabweisbarem Leid verbunden sind: am Schicksal des individuellen »erlebensfähigen« Tiers. 1 Beide stellen ökologische Fragen der Umweltbe-lastung oder Biodiversität durch Tierhaltung zunächst zurück und rücken das, was Menschen existierenden Tieren antun, in den Mittelpunkt. Das ist ein wichtiger erster Schritt, der »die Tierwelt« nicht als Umwelt betrachtet, sondern sich auf ein wie immer abstraktes Verhältnis zwischen Menschen und Tieren bezieht. In der Interaktion zwischen Menschen und Nutztie-ren, auf die ich mich hier konzentriere, sind die Verhältnisse alle men-schengemacht. Obwohl die öffentliche Debatte zwischen Tierschützer_innen und Tierrechtler_innen seit Jahrzehnten andauert, hat sich keiner der beiden Ansätze als belastbare Grundlage für politische Entscheidungen erwie-sen. Die tierrechtliche Position verlangt einen veganen Lebensstil und die annähernd vollkommene Abschaffung der Nutztierhaltung, deren zivilisa-torische und sozialstrukturelle Bedeutung sie ausblendet. Sie schützt Farm-tiere, indem sie eine kleine Anzahl von ihnen zu Haustieren macht, und hat damit weitgehend »abolitionistische« Folgen. 2 Diese Position ist von großer Folgerichtigkeit und Radikalität, aber ebenso umstritten in ihrer Begründung wie in ihren Konsequenzen. Sie spiegelt kaum die fundamen-talen Meinungsverschiedenheiten über den Status von Tieren, von denen
Dieser Artikel ergründet das Potential des jungen Forschungsfeldes der Human-Animal Studies, unter veränderten Blickwinkeln neue Fragen an die Westasiatische Altertumskunde zu stellen. Nach einer kurzen Darstellung zum Selbstverständnis der Human-Animal Studies und ihrer Entwicklung im deutschsprachigen Raum werden die Quellen der Westasiatischen Altertumskunde hinsichtlich einer Verwertbarkeit für die Human-Animal Studies vorgestellt. Die beispielhafte Besprechung einer kritischen Domestikationsforschung schließt den Artikel ab. This article explores the potential of the young field of Human-Animal Studies to raise new questions originating from changed perspectives within West Asian Archaeology. After a brief introduction to human-animal studies and their development in German-speaking countries, the available evidential sources for West Asian archaeology are presented in terms of their potentials for Human-Animal Studies. A critical view on domestication offers a concrete example that concludes the article.
Wenn aus Tieren Personen werden Ein Einblick in die deutschsprachigen «Human Animal Studies» 1
In den letzten Jahren haben sich in den deutschsprachigen Kultur-und Sozialwissenschaften die «Human Animal Studies» als eine neue Forschungsrichtung etabliert. In Perspektivverschiebung zu den bisherigen Studien über das Mensch-Tier-Verhältnis in diesen Disziplinen geht es in diesem interdisziplinären Forschungsfeld um eine grundsätzliche Neubestimmung des wissenschaftlichen Blicks auf das Tier. Das Tier wird als ein mit eigener Handlungs-und Wirkungsmacht ausgestattetes Lebewesen betrachtet. Der Beitrag stellt diese Forschungsrichtung mit Blick auf seine Herausforderungen für die Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie vor. Kühe und Rinder als Personen von öffentlichem Interesse Im Sommer des Jahres 2011 machte eine Kuh namens Yvonne in den Medien von sich reden. Das Tier hatte auf dem Weg zu einem bayerischen Schlachthof die Flucht ergriffen und war in die Wälder geflohen. Dort verbarg es sich über mehrere Monate hinweg erfolgreich vor seinen Häschern. Alsbald füllte die flüchtige Kuh das mediale Sommerloch: Die überregionale deutsche Tageszeitung Bild setzte beispielsweise 10 000 Euro Belohnung aus, um Yvonne einzufangen und vor der Schlachtung zu retten. 2 In Grossbritannien berichtete CBC news über die «Bavarian cow, [which] makes great escape». 3 Die britische war nicht die einzige internationale Pressestimme. Der Personalartikel, den Yvonne inzwischen in der digitalen Enzyklopädie Wikipedia erhalten hat, weist internationale Berichterstattung über Yvonne für Frankreich, Dubai, Indien und Südafrika nach. 4 In Bayern wurde die Kuh derweil zur Volksheldin: Der Liedermacher Theo Bachschmid und die Sängerin Petra Schauer huldigten dem tapferen Rind, das die Einsamkeit der Wälder dem Tode im Schlachthof allemal vorzog. «Muh, muh, ich bin die Kuh und hab' ein Herz genau wie du»; «muh, muh, ich heiss' Yvonne, und wenn ich will, lauf' ich davon» -der Refrain ihres Schlagers stilisiert die Kuh zu einer Person mit Gefühlen und eigenem Willen. 5 Dank zünftiger bayerischer Musik gerieten das Lied zum «Wiesnhit» auf dem Münchner Oktoberfest 2011 und die Kuh zur Volksheldin. Yvonne wurde Identität stiftendes Symbol bayerischen Wir-Gefühls. Die Selbstermächtigung der Kuh oder -je nach favorisierter Deutung -ihr Überlebenstrieb und günstige Gelegenheit retteten dem Tier schliesslich das Leben: Yvonne wurde unter grosser medialer Begleitung auf einem Biobauernhof in Bayern untergebracht. Gegen diese neue Unterbringung wehrte sie sich übrigens ebenso tapfer wie zuvor vor dem Schlachter. Yvonne ist nicht das einzige Rind, das öffentliches Interesse erregt hat. In Grossbritannien entdeckte man 2006 im Cornwall Centre in Redruth «Jenny the heifer», Jenny die Färse, also ein gerade geschlechtsreifes junges Rind als klug
Der Mensch in der Natur. Die Doppelrolle des Menschen als Schlüssel zur Tier- und Umweltethik
Naturethik ist abhängig vom Natur- und Menschenbild. Ausgehend von der Bestimmung des Menschen als Teil und Gegenüber der Natur werden Tier- und Umweltethik naturgeschichtlich-anthropologisch begründet. Die Frage der Tierrechte und das Eigenrecht der Natur werden im Gegenüber zu utilitaristischen, biozentrischen und physiozentrischen Ansätzen erörtert. Mit der Erkenntnis, daß die Natur nicht ohne den Menschen zu denken ist, wird die Ausklammerung des Menschen aus der Naturethik abgewiesen, anthropozentrische Ethik aufgehoben, und es werden menschliche Maßstäbe einer Ethik der Natur formuliert. Summary: Ethics of nature depends on the images of nature and the human being. Proceeding from the definition of humans as part and partner of nature the ethics concerning the treatment of creatures und environment is based on reasons of natural history and anthropology. The questions of annimal rights and nature as subject of law are discussed in confrontaion with arguments derived from utili...
Eine Einführung in Gesellschaftliche Mensch-Tier-Verhältnisse und Human-Animal Studies
http://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-1824-2/human-animal-studies, 2011
Das Verhältnis des Menschen zum Tier stellt eine der großen Debatten der Gegenwart dar. Mit dem jungen Forschungsfeld der Human-Animal Studies leisten die Kulturund Sozialwissenschaften einen wertvollen Beitrag zu dieser Frage der Zeit und weisen auf die Gesellschaftlichkeit der herrschenden Mensch-Tier-Verhältnisse hin. Dieser Band versammelt als eine der ersten deutschsprachigen Veröffentlichungen transdisziplinäre Beiträge, die nicht nur theoretische Fragen der Konstitution von Mensch und Tier erörtern, sondern auch daran anschließende Diskussionen über Geschlecht, Identität und politische Praxis aufzeigen. Thesen bekannter Denker_innen wie Foucault und Haraway sowie aktuelle Ansätze, u.a. aus der Intersektionalitätsforschung und den Queer Studies, werden neu rezipiert und durch eigene theoretische und empirische Analysen ergänzt. Der Chimaira -Arbeitskreis für Human-Animal Studies hat sich der transdisziplinären Erforschung gesellschaftlicher Mensch-Tier-Verhältnisse verschrieben. Weitere Informationen und Bestellung unter: www.transcript-verlag.de/ts1824/ts1824.php