Mikrofon, Videotape, Datenbank. Überlegungen zu einer Mediengeschichte der Zeitzeugen (original) (raw)

Zeitgeschichte ohne Bild und Ton? Probleme der Rundfunk-Überlieferung und die Initiative "Audiovisuelles Erbe

Noch immer wird Zeithistorikern gelegentlich nachgesagt, sie hätten ein gestörtes Verhältnis zu den modernen audiovisuellen Medien, und in der Tat hat die Disziplin erst mit einiger Verzögerung auf deren Ausbreitung reagiert. Dies galt lange für die Massenmedien ganz allgemein, deren Quellenwert aus der Perspektive einer klassischen, staatszentrierten Politikgeschichte äußerst begrenzt erschien. Aber auch die Wendung hin zur Gesellschaft, zur Erfahrungs-und Erinnerungsgeschichte hat zunächst überraschenderweise kaum dazu geführt, dass die Präsenz von Medien im Alltag in diesen Ansätzen besondere Berücksichtigung gefunden hätte. 1 Zwar ist diese traditionelle Zurückhaltung-von einigen Residuen abgesehen-inzwischen erodiert: "Mediengeschichte" hat sich als Subdisziplin innerhalb der Zeitgeschichte etabliert. 2 Aber jenseits eines Verständnisses als Spartengeschichte verbreitet sich erst sehr langsam die Erkenntnis, dass die Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts generell nicht mehr angemessen geschrieben werden kann, ohne die ubiquitäre Verbreitung und Rezeption der Massenmedien zu berücksichtigen. Das gilt keineswegs nur für die sozial-und erfahrungsgeschichtliche Dimension des Mediengebrauchs. Wenn sich, um nur ein Beispiel zu nennen, die Darstellungsseite von Politik bereits seit geraumer Zeit maßgeblich in populären Medien wie dem Fernsehen vollzieht und Repräsentationen und Wahrnehmungen mit dem politischen Prozess rückgekoppelt sind, dann muss auch die Politikgeschichtsschreibung diesem Umstand Rechnung tragen. Nun ist die Präsenz von massenhaft verbreiteten Medien und der damit verbundenen Vergesellschaftungsprozesse kein exklusives Merkmal des letzten Jahrhunderts, sondern nahm bereits im Verlauf des 19. Jahrhunderts ihren Anfang. 3 Die eigentliche Herausforderung für die Zeitgeschichtsschreibung, verstanden als "Epoche der Mitlebenden" (Hans Rothfels), liegt vielmehr im Ende der "Gutenberg-Galaxis"-also der Dominanz gedruckter Schriftmedien. 4 Der Übergang von einer weitgehend textzentrierten Kultur zu technisch reprodu

Mediumgeschichten/Mediengeschichte. Oder: Warum braucht ein Medium die Medien?

Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg/SFB 485. Diskussionsbeiträge, Nr. 50, 2004

Ist die Erfindung des Films durch die Brüder Lumière ein Ereignis der Filmgeschichte oder der Mediengeschichte? Muss eine Mediengeschichte die Einrichtung ortsfester Kinos berücksichtigen? Muss sie die Nouvelle Vague erwähnen und Die Nacht der lebenden Toten? Sollten umgekehrt in einer Geschichte des Films auch die Dokumentarfotografie, der Videorecorder und das Satellitenfernsehen vorkommen? Jede dieser Fragen nach der Zuordnung lässt sich umstandslos dahingehend beantworten, dass jedes der genannten Ereignisse selbstverständlich sowohl der Geschichte des einzelnen Mediums als auch der Geschichte der Medien insgesamt zugerechnet werden kann. Auf den zweiten Blick zeigt sich allerdings, dass die Antwort womöglich zusätzliches Nachdenken lohnt. Eine plausible Vermutung könnte nämlich lauten, dass die genannten Ereignisse sehr wohl in beiden historiographischen Kontexten auftauchen mögen, aber wohl kaum in der selben Hinsicht. Wenn man mit Unterschieden zwischen den unterschiedlichen Modi medienhistorischer Praxis rechnet, dann stellt sich nicht mehr die Frage, ob, sondern inwiefern ein gegebenes Ereignis als Teil einer Geschichte eines bestimmten Mediums oder einer übergreifenden Geschichte der Medien fungiert.

Diesseits der Bilder. Der Videorekorder und die Geschichte medialen Wissens um 1980

2020

Der Videorekorder gab den Startschuss zu einer globalen Medienkultur – vom zeitversetzten Fernsehen über das individuelle und eigensinnige Aneignen von Bewegtbildern bis hin zum unüberschaubaren Markt von Programmen jenseits der klassischen Massenmedien. In einem sich gegenseitig bedingenden und hervorbringenden Wechselspiel zwischen Medien, Gesellschaft und Subjekten unterliefen sich dabei vermehrt klassische binäre Modelle wie Medium und Welt oder Fiktion und Realität. Indem die Nutzerinnen und Nutzer begannen, Filme und Fernsehprogramm zu kontrollieren, legten sie den technischen und artifiziellen Charakter der bewegten Bilder frei. Aus dem ehemaligen Fenster zur Welt, wurden zahllose Fenster in der Welt. Es entstand eine neuartige mediale Kompetenz, die ein auf den ersten Blick widersprüchliches Verhältnis zwischen Subjekt und Medium zur Folge hatte: Mit der Entzauberung des Mediums vergrößerte sich der Abstand zwischen beiden ‚Polen‘, löste sich aber gleichzeitig auf. Es entwickelte sich eine universale Kulturtechnik des Bildes, die sich nicht auf einzelne Medien reduzieren lässt, sondern viel mehr mit zahlreichen nicht-medialen Bereichen korrespondierte. Der Begriff der Postmoderne drängt sich hier förmlich auf. Anstatt jedoch die Argumentation mit Schlagwörtern einer banalen Ästhetisierung oder gar dämonisierenden Entfremdung zu verkürzen, folgt die Arbeit den weit verzweigten Spuren des medialen Wissens: Ausgehend von der technischen Durchdringung der Haushalte, der gesellschaftlichen Suche nach Authentizität, Konsummustern, Körperpraktiken, fernsehinstitutionellen Debatten sowie zahlreichen Filmen und Fernsehsendungen, setzt sie das Mosaik eines historischen Wandels zusammen, dessen Wegbegleiter der Videorekorder war.

Zeitzeugen-Interviews zur Dokumentation historischer Sammlungen

2014

Die Arbeit bietet Sammlungsmitarbeitenden in museumsahnlichen Institutionen einen praxisnahen Leitfaden zur Planung, Durchfuhrung, Bearbeitung und Archivierung von Zeitzeugen-Interviews. Schritt fur Schritt wird ein mogliches Vorgehen fur die Realisierung von Zeitzeugen-Interviews zur Objekt- und Sammlungsdokumentation in Museen und verwandten Einrichtungen erlautert. Museumsobjekte und Sammlungsgegenstande konnen nicht selbst fur sich sprechen. Informationen zu ihrer Entstehung, ihrer Funktion, ihrem sozialen und historischen Stellenwert u.v.m. mussen gesammelt und verwaltet werden. Eine Objekt- bzw. Sammlungsdokumentation entsteht. Sie ist massgebend fur den wahrnehmbaren Wert eines Objektes beziehungsweise einer ganzen Sammlung. Fur eine Dokumentation jungerer Sammlungen und Objekte (junger als ca. 60 Jahre) bietet sich das Zeitzeugen-Interview als reiche Informationsquelle an. Damit ein Interview aber auch spateren Generationen noch wertvolle Informationen zum Objekt liefern kan...

Christoph Pallaske: Medien machen Geschichte. Überlegungen zu Medienbegriffen des Geschichtslernens. In: ders. (Hrsg): Medien machen Geschichte. Neue Anforderungen an den geschichtsdidaktischen Medienbegriff im digitalen Wandel. Berlin 2015, S. 7-16.

Der Sammelband „Medien machen Geschichte. Neue Anforderungen an den geschichtsdidaktischen Medienbegriff im digitalen Wandel“ beinhaltet acht Beiträge der Tagung „Geschichtsdidaktische Medienverständnisse“, die im April 2014 an der Universität zu Köln stattfand. Mit seinem Beitrag „Medien machen Geschichte. Überlegungen zu Medienbegriffen des Geschichtslernens“ führt Christoph Pallaske in die Thematik des Mediums als Leitkategorie bei der Planung von Geschichtsunterricht ein. Er betont, wie wichtig die Reflektion über Medien und Medienbegriffe für das historische Denken und Lernen ist. Der digitale Wandel erfordere eine erneute Diskussion über die Begrifflichkeit „Medium“, seine Funktion für den Unterricht und seine Auswirkungen auf das Geschichtslernen. In his article „Media make history. Thoughts on definitions of media when learning history“ Christoph Pallaske introduces the topic of the medium being the main category when planning history lessons. He emphasizes the importance of reflecting on media and definitions of media for historical thinking and learning. In his view, the digital change needs a new discussion of the term „medium“, its function for education and its effects on teaching history. Analyse Analysis Arbeitsblatt Arbeitsblätter Worksheet Worksheets Authentizität Authenticity Begriff Term Bilder Images Buch Book Buchdruck Typography Christoph Pallaske Darstellung Darstellungen Representation Representations Deutungen Interpretations Digital Digitale Geräte Devices Digitaler Wandel Ttransformation Empfänger Receiver Erfahrung Experience Experiment Facebook Fiktion Fiktionen Fiction Fictions Film Movie Foto Photo Fotografie Photography Gattung Gattungen Genus Species Gedächtnis Memory Geschichte History Geschichtsdidaktik Didactics Geschichtskultur Historical Culture Geschichtsunterricht Teaching History Class Teacher Geschichtswissenschaft Gies Horst Giesecke Michael Goertz Lutz Günther-Arndt Herkunft Origin Hilfsmittel Aid Historisches Denken Historical Thinking Historizität Historicity Hodel Jan Information Informationsträger Carrier Instrumente Instruments Interdisziplinär Interdisciplinary Internet Kollaborativ Collaborative Kommunikation Kompetenzen Kultur Lehrmittel Learning Resources Leitmedienwechseln Lernmittel Aid Lernobjekte Objects Lernprozess Process Lerntheorie Luhmann Niklas Massenkommunikation Mass Communications Massenmedien Mass Media Material Medialität Mediumship Medien machen Geschichte Media make History Medienbegriffe des Geschichtslernens Media concepts of history learning Mediengeschichte Media History Medientechnologie Media Technology Medientheorie Medienumbrüche Media Upheavals Medienverständnis Media Understanding Medienwissenschaft Media Studies Medium Mitte Center Multiperspektivität Multiperspectivity Multumedial Narrative Narrativität Narrativity Pandel Hans Jürgen Partizipation Planung Planning Public History Quelle Quellen Source Sources Rezeption Reception Schulbuch Schoolbook Sender Transmitter Social Web Symbole Symbols Tagung Meeting Text Texte Texts Theorie Theory Twitter TwHistory Universität zu Köln University of Cologne Unterrichtsentwürfe Lesson Plans Vergangenheit Past Vetorecht Veto Visual History Web2.0 Wikipedia Wirkung Effect Youtube Zeit Time Zyklen Cycles

Transmissionen - Vorüberlegungen zu einer Mediengeschichte des Theaters

Theater und Medien / Theatre and the Media, 2008

Medientheorie ist nur ein flüchtiger Gast in der Theaterwissenschaft und konnte sich bislang nicht wirklich als Denkwerkzeug in unserer Disziplin etablieren. Die Aussage scheint von den zahlreichen Tagungen, wissenschaftlichen Arbeitsgruppen und Sammelbänden zum Thema ›Theater und Medien‹ deutlich widerlegt, und dennoch möchte ich mit dem folgenden Beitrag einige Topoi dieses Diskursfeldes kritisch darstellen und auf den blinden Fleck einer medialen Methodologie für die Theaterwissenschaft hinweisen. Es gibt eine Anzahl überzeugender Einzelstudien, die sich Medientheorie nutzbar gemacht haben, Konzepte für Theater als performatives Ereignis erarbeitet haben und sich auf die jeweils aktuelle Wahrnehmungssituation im Theater beziehen. Der Bereich der Theatergeschichte und Kulturgeschichte des Theaters bleibt jedoch medial deutlich unterbelichtet. Daher möchte ich an dieser Stelle Régis Debrays ›Mediologie‹ vorstellen, die meines Erachtens das Potential hat, in eine Methodologie für mediale Theatergeschichtsschreibung überführt zu werden. Gehäuse, Wechselstrom, Glotzaugen-diese zugegebenermaßen polemisch überzeichneten Begriffe stehen für die gröbsten Missverständnisse im Hinblick auf Medien, Medialität, Intermedialität. Und dennoch sind die medialen Mythen, die mit diesen Schlagworten zusammengefasst werden, auch in der Theaterwissenschaft höchst wirksam und entzünden Debatten um das Für und Wider medientheoretischer Forschung. Für eine Diskussion um den Stellenwert von medialen Konzepten in der Theaterwissenschaft ist es nicht hilfreich, wenn sich die Debatte auf die Kernfrage zuspitzt, ob nun Theater ein Medium sei oder nicht. Die Beantwortung dieser Frage scheint mit einem Bekenntnis verbunden zu sein: Stehe ich nun auf der Seite des Theaters, oder auf der Seite der Medien? In dieser Gretchenfrage klingt unschön eine Reminiszenz an theatrale Legitimierungsdiskurse und heraufbeschworene Medienkonkurrenz an: Theater im Rückzugsgefecht gegen populäre Bildmedien. Auf der anderen Seite hat der Fragende ein berechtigtes Interesse an grundsätzlicher Klärung. Was bedeutet es denn, wenn ich Theater als Medium bezeichne? Oder-welche methodischen Konsequenzen müssen gezogen werden aus der Ablehnung des Medienbegriffs für die darstellenden Künste? Schwierig gestaltet sich die Sache in der Argumentation dadurch, dass der Medienbegriff einen höchst divergenten Gebrauch findet, um nicht zu sagen: die Begrifflichkeit ist schwammig. Es soll hier behauptet werden, dass doch genau aus dieser medialen Grauzone eine fruchtbare Methodologie entwickelt werden kann. Denkt man das Medium als ›contested concept‹-als einen Begriff, der sich widerstreitende Bedeutungen innehat und konzeptualisiert werden muss, wie es Marvin Carlson (1) im Rückgriff auf W.B. Gallie für ›Performance‹ vorschlägt, dann eröffnet die begriffliche Unschärfe Analyse-Perspektiven. Ob als ›contested con-cept‹ oder als ›travelling concept‹ im Sinne Mieke Bals (7-25) verstanden, das

Zur historischen Zeit als Kategorie der Medienhistorik

Öhlschläger, Claudia / Perrone Capano, Lucia (ed.): Figurationen des Temporalen. Poetische, philosophische und mediale Reflexionen über Zeit, 2013

Poetische, philosophische und mediale Reflexionen über Zeit Unter Mitarbeit von Leonie Süwolto V& R unipress

Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Geschichte finden. Über die Kodierverfahren der Grounded Theory Methodologie

Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative …, 2008

Grounded Theory Methodology (GTM) coding procedures are the topic of the current contribution. The article aims at improving coding practice and at making explicit different aspects underpinning GTM. Special emphasis is placed on linking both the dialogue with data and the development of a storyline. The starting point is a general description of coding, followed by a discussion of the different stages of coding (open, axial/theoretical and selective coding) and the conclusion puts forward the idea of a reflective-interpretive handling of GTM.