Das Leben, seine Zweideutigkeiten und die Frage nach dem unzweideutigen Leben (original) (raw)

Gebürtigkeit – ein zweideutiges Existenzial. Zur Aporetik der Heideggerschen Daseinsanalytik

This essay is devoted to the existential interpretation of birth in the fundamental ontology of M. Heidegger. Author argues that Heidegger develops two different lines in conceptualisation of birth – the explicit one (based on such characteristics of the Dasein's being as throwness and facticity) and the implicit one (based, correspondingly, on self-projectivity and existentiality) – which can be considered as an echo of the classical metaphysical differentiation between the first (physical) birth and the second (spiritual) birth. It is shown that the discrepancy between two existential conceptions of birth is essentially connected with a remarkable aporetical character of the Dasein's analytic. In general, the paper is aimed at the demonstration of the key-role of the birth question for the postmetaphysical clarification of the constitution of the Subject. (Publ. In: Moran D., Sepp H.R. (eds): Phenomenology 2010. Traditions, Transitions and Challenges, Bucharest: Zeta Books, 2011, 211-225. )

Einleitung: Das Schöne, Wahre und Gute – Das sinnvolle Leben in der Diskussion

Zeitschrift für Praktische Philosophie, 2018

Zusammenfassung: Die Kategorie des Sinns oder des Sinnvollen fi ndet in der jüngeren Diskussion um die normative Theorie des guten Lebens erhöhte Aufmerksamkeit. Viele Autoren gehen mittlerweile davon aus, dass eine umfassende Bestimmung des guten Lebens nicht mehr ohne die Erwähnung und Erläuterung der Wertdimension des sinnvollen Lebens auskommt. Typischerweise wird dieses Syntagma so verstanden, dass damit ein Wertaspekt des (bisherigen) Teil-oder Gesamtlebens eines (menschlichen) Individuums gemeint ist, welches in einer bestimmten, von anderen Wertdimensionen des guten Lebens noch abzugrenzenden Hinsicht als lobenswert, bedeutsam oder bewundernswert ausgezeichnet wird. Umstritten ist dabei jedoch zum einen, ob das sinnvolle Leben eine eigenständige Wertkategorie innerhalb des guten Lebens darstellt, und zum anderen, falls dem so wäre, wie diese Kategorie dann genau zu explizieren wäre, nicht zuletzt im Verhältnis zu den etablierten Wertkategorien innerhalb des guten Lebens, wie etwa dem Wohlergehen. Die in diesem Schwerpunkt versammelten Aufsätze unternehmen den Versuch, zum Verständnis der vielschichtigen und kontrovers diskutierten Dimension des Sinns beizutragen.

Lebenswelt und naiver Realismus

In dem hier vorliegenden Text möchte ich zeigen, dass ein naiver Wahrnehmungsrealismus im Lichte der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse nicht plausibel vertreten werden kann. Im Speziellen werde ich argumentieren, dass Erkenntnisse aus der Neurobiologie, den Kognitionswissenschaften und der Physik im Gegensatz zu der intuitiven Annahme des naiven Realismus stehen, wir seien uns in der Wahrnehmung unmittelbar einer kausal und ontologisch unabhängigen, empirischen Welt bewusst. Folglich kann die Natur von perzeptuellen Erfahrungen nicht die sein, die sie zu sein scheint. Für das Verständnis unserer Lebenswelt hat dies tief greifende Konsequenzen, denn es muss sowohl der metaphysische Status als auch unser epistemischer Zugang zu den phänomenal erlebten Objekten und deren Eigenschaften neu konzipiert werden.

Seelenlos glücklich? – Zur Entkräftung einiger antidualistischer Argumente

Moritz Schlick. Ursprünge und Entwicklungen seines Denkens. Schlickiana, Band 5 S. 105-126

In der Schlickvorlesung ("Warte, bis Du stirbst") habe ich im Detail Geschichten erzählt, die jemand erleben müsste, um sein Weiterleben nach dem Tod zu verifizieren. Diese Geschichten hatten eine dualistische Stoßrichtung, lieferten aber kein Argument zugunsten des Dualismus, kein Argument zugunsten der Möglichkeit, dass unsere Seele auch ohne Körper weiterlebt. Niko Strobach hat implizite Argumente aus der Schlickvorlesung herausgelesen und kritisiert. In meiner Reaktion auf diese Kritik spreche ich mich für eine epistemische Lesart der dualistischen Möglichkeit aus; ob der Dualismus metaphysisch möglich ist, finde ich irrelevant. Zudem verteidige ich das von mir benutzte – im weitesten Sinne empiristische – Sinnkriterium; ich biete eine narrative und eine cineastische Version des Kriteriums an: Ein Satz hat guten Sinn, wenn sich eine konkrete Geschichte denkbarer Wahrnehmungserlebnisse erzählen bzw. verfilmen lässt, denen der Erlebende Evidenzen für oder gegen den Satz entnehmen kann. Da die Geschichten von der Auferstehung des Fleisches, die Niko Strobach der christlichen Tradition entnimmt, heutzutage narrativ suboptimal sind, bleibe ich bei der These aus der Schlickvorlesung: Die Frage des Weiterlebens nach dem Tod hat guten Sinn, und um das nachzuweisen, eignen sich am besten dualistische Geschichten.

Über die zweifache Unendlichkeit der Sprache

Zeitschrift für romanische Philologie (ZrP), 1979

Descartes, Humboldt, Chomsky und das Problem der sprachlichen Kreativität* II linguaggio e perpetua creazione. Croce 0. Die Grundbefindlichkeit der Sprache gleicht der Grundbefindlichkeit des Menschen. Sie ist, wie dieser, begrenzt und endlich gegenüber dem außer ihr liegenden Unbegrenzten, Unendlichen. Die Sprachfähigkeit des Menschen ist sein Vermögen, mit Mitteln, die seiner Natur gemäß, also begrenzt und endlich sind, das nicht seiner Natur Gemäße, das Unendliche und Unbegrenzte zu erfassen und zu bewältigen. Die Sprache muß, nach den Worten Humboldts, von endlichen Mitteln unendlichen Gebrauch machen. In dieser Konstellation kommt zweifellos eine anthropologische Konstante zum Vorschein: der Mensch ist unter allen Lebewesen das am wenigsten angepaßte, dasjenige, welches nicht mit einem präzise funktionierenden Instinktapparat sich in einen einzigen, genau umrissenen Lebensraum einfügt, sondern mit einem Minimum an vorprogrammierten Verhaltensschemata in nahezu schrankenloser Disponibilität sich auch in extremen und extrem verschiedenen Lebensbedingungen zu behaupten vermag. Im gegebenen Fall mag dieses Fehlen einer hinreichenden instinktuellen Ausstattung als Mangel und als Unterlegenheit gegenüber anderen, besser ausgerüsteten Lebewesen erscheinen; das Defizit wird jedoch mehr als ausgeglichen durch die Offenheit seiner Verhaltensstrukturen, die es ihm erlaubt, das passive Ausgeliefertsein an die Welt zu überwinden und ihr in aktivem Zugriff gegenüberzutreten 1. Der in der Sprachverwendung beobachtbare unendliche Gebrauch endlicher Mittel