Improvisation durch objektivierendes und subjektivierendes Handeln (original) (raw)

Menschliches Handeln als Improvisation

Menschliches Handeln als Improvisation Sozial- und musikwissenschaftliche Perspektiven herausgegeben von Ronald Kurt und Klaus Näumann, März 2008, Transcript Verlag

Improvisation: Zwischen Experiment und Experimentalität? > PDF

Was ist damit gemeint, wenn eine improvisatorische Performance, etwa in der Musik oder im Theater, als Experiment bezeichnet wird? Inwiefern kann eine Improvisation als experimentell verstanden werden? In diesem Aufsatz möchte ich eine Überlegung mit Blick auf diese Fragen vorstellen. Man kann durchaus (insbesondere neurophysiologische und psychologische) Experimente durchführen, um verschiedene Aspekte unterschiedlicher Arten von Kunstimprovisationen zu erläutern. Mit solchen Experimenten errichtet man kontrollierte Laborsituationen, in denen z.B. zu erklären ist, welche Teile und Funktionen des Gehirns und des Körpers während der improvisatorischen Tätigkeit aktiviert sind. Auf diese Weise kann man Zusammenhänge zwischen der musikalischen oder der schauspielerischen Improvisation und anderen menschlichen Tätigkeiten wie z.B. dem Sprechen zeigen. Es kann damit mehr oder weniger streng bewiesen werden, dass im Laufe eines improvisatorischen Geschehens psycho-physische Automatismen am Werk sind. Es geht um psycho-physische Automatismen, die denjenigen Automatismen ähneln, die im Laufe des Alltagsleben sowohl bei solistischen als auch bei interaktiven Beschäftigungen wirken -etwa beim Rad-oder Autofahren, Schwimmen, Sporttreiben, Gespräche-Führen usw. Solche Experimente informieren uns darüber: 1. wie man in Kunstimprovisation, genauso wie im Fall von Alltagspraktiken, zugleich spontan und gebunden performieren kann, indem man zugleich etwas tut und seine eigene Tätigkeit beobachtet und beurteilt; 2. wie man Entscheidungen, nicht nur vor seinem Tun, sondern gerade auch während dessen, blitzschnell trifft, sozusagen ohne darüber mit-und nachzudenken; 3. wie man sich psychomotorischen Automatismen durch das Zusammenspiel expliziten Lernens -d.h. durch das Studium von Lehren, etwa beim Bücher-Lesen ("Knowing that") -und impliziten Lernens -d.h. durch die Versuchs-und Irrtums-Methode ("Know how") -aneignet; 4. wie und warum man, sowohl in einer Kunstsituation (etwa einem Konzert oder einer Theaterausführung) als auch bei einem alltäglichen Lebenskontext, das Durchführen irgendwelcher Handlung oder Tätigkeit auf sehr unterschiedliche Weise beurteilen kann: als bloß vorgenommen oder im Gegenteil als mit Stil vollzogen, als einfach gescheitert oder umgekehrt als auf eine wirksame, gute oder ausgezeichnete Weise gelungen. 1 Doch der Zusammenhang von Improvisation und Experiment kann auch unter einer anderen Perspektive beleuchtet werden. Kunstimprovisation -so Stephen Nachmanovitch in seinem wegweisenden Buch Free Play. Improvisation in Life and Art -kann als "playful experiment" angesehen werden. 2 Mit anderen Worten: Improvisationen können nicht nur als Versuchsobjekte wissenschaftlichen Experimentierens behandelt werden. Improvisationen können vielmehr unter gewissen Aspekten selbst als Experimente gelten und/oder experimentelle Dimensionen und Potentiale aufweisen. In diesem Beitrag möchte ich darüber nachdenken, in welchem Sinne und unter welchen Bedingungen Improvisationen als Experimente bzw. als experimental verstanden werden können. Der theoretische Hintergrund dieser Überlegungen ist mein aktuelles Forschungsprojekt über die Frage nach einer angemessenen Ästhetik der Improvisation. Diese soll einerseits den ästhetischen Rahmen für ein Verständnis von Improvisation erarbeiten und andererseits die Improvisation als ein begriffliches Werkzeug verständlich machen, um so sowohl die Kunsterfahrung als solche in einigen ihrer Hauptaspekte als auch die Beziehung zwischen dem Kunstschaffen und Formen des alltäglichen menschlichen Handeln zu erläutern. 3 1 Dazu s. A. L. Berkowitz: The Improvising Mind. Cognition and Creativity in the Musical Moment. Oxford. 2010 2 S. Nachmanovitch: Free play. Improvisation in Life and Art. New York. 1990.Vgl. insbesondere S. 47. 3 Dafür möchte ich mich ganz herzlich bei der Alexander von Humboldt Stiftung bedanken, die derzeit mein Plausibilität verliert -zumindest dann, wenn man Experimentalität im Sinne Cages versteht. 48

Improvisation und Organisation

Kultur und soziale Praxis, 2017

Um in komplexen und dynamischen Umwelten agieren und diese aktiv gestalten zu können, sind formalisierte Arbeitsabläufe und geronnene Strukturen oft nicht hilfreich. Wir benötigen ein performatives, fließendes Verständnis von Organisation und die Beherrschung agiler Prozesse: Das oft versteckte Erfahrungswissen (tacit knowing) wird zur Grundlage der heute benötigten »Kunst« der Improvisation. Die Beiträge zeigen: Implizites und intuitives, vorausschauendes Wissen und experimentierend-spielerisches Handeln sind die Grundlage für Innovation und agiles Lernen in Organisationen und sozialen Systemen. In der Analyse von »organizational patterns« und »musikalischem Denken« entsteht ein neues Verständnis flexibler und dynamischer Organisationen.

Improvisation will gelernt sein

Pläne scheitern. Immer wieder. Und dann? Wird improvisiert, einfach so, ir gendwie. Denn gelernt hat das niemand. Weil Improvisation planungsverses­senen Managern noch immer als Rumgewurschtel gilt, dem saubere, akribische Planung prinzipiell vorzuziehen sei. Nur stößt Planung an die Grenzen der Vorhersehbarkeit. Die Antwort: Improvisation endlich als seriösen Hand­ lungsmodus anerkennen: als unternehmerische Kunst.

Vom "Impuls" zur Sozialität: Reflexionen über die "Natur" des musikalischen Improvisierens

2008

Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Figueroa-Dreher, S. K. (2008). Vom "Impuls" zur Sozialität: Reflexionen über die "Natur" des musikalischen Improvisierens. In K.-S. Rehberg (Hrsg.), Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2 (S. 4865-4874). Frankfurt am Main: Campus Verl. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-154507

Paradoxien subjektivierter Arbeit und die Probleme der Kritik

"Auch wenn der Fordismus die sinnhafte Identifikation der Beschäftigten mit ihrer Arbeit und damit die Möglichkeit, Arbeit als Quelle sozialer Anerkennung zu erfahren, weithin verunmöglichte, so bot er ihnen doch mit sozialen Standards und Regulierungen einen Status im Rahmen eines 'industrial citizenship' (T.H. Marshall). Mit der Krise des Fordismus lässt sich nun ein Prozess der 'Subjektivierung von Arbeit' konstatieren, in dem sich gesteigerte Ansprüche auf Selbstverwirklichung und Autonomie in der Arbeit auf widersprüchliche Weise mit Anforderungen der Unternehmen auf Selbstorganisation und Selbstverantwortung der Arbeitenden bei der Erreichung ergebnisbezogener, oft marktorientiert formulierter Zielvorgaben verbinden. Die Beziehung von Anspruch und Anforderung der Selbstverantwortung in dieser doppelt subjektivierten Arbeit kann man dann als paradox beschreiben, wenn Selbstverwirklichung vom Unternehmen gefordert und das Erreichen extern gesetzter Ziele als...