Foucault statt Fürst? Gedanken zu einem an Bedeutung gewinnenden Paradigma (original) (raw)

Foucault als Pragmatiker? Zum Verhältnis von pragmatischer Sprachanalyse und diskursiver Macht

Lampejo: Revista Eletrônica de Filosofia e Cultura, 2016

Analyzing very precisely the way in which the theory of statement formations formulated by Foucault is located with respect to the pragmatist conceptions of language developed in the tradition of analytic philosophy, the article shows that The Archaeology of Knowledge can be characterized as a descriptive and anti-normativist approach to the relation between language and power. In other words, as analytical perspective, the archeology means the decision not to grasp the facts of language from the point of view of their formal properties, logical structure or, generally, transcendent foundation. From the Foucauldian perspective, statements are material events inscribed in a historic practice of struggle, i.e. in the power relations.

„I think the church is wonderful“. Zur Genealogie des Paradigmenwechsels gegenwärtiger Theologie. Michel Foucault zum 25. Todestag

Communio (38/2009), 428-435

Als ich zu Beginn der 90er Jahre gegeniiber eineni akademischen Lehrer erwahnte, dass ich mich in nieiner Dissertation mit Foucault besch'aftigen mochte, erhielt ich spontan zur Erwiderung: «Das ist ein ausgezeichnetes Forschungstherna. Ich war schon in den 60er Jahren der Meinung, dass man sich mit deni Thema Laienspiritualitat intensiver auseinandersetzen sollte». Ich erlauterte hierauf in groben Ziigen, was Charles de Foucauld (den Begriinder der «Kleinen Briider Jesu») von Michel Foucault unterscheidet, schreckte aber, eingeschiichtert durch die unverdorbene Katholizitat meines theologischen Lehrers, davor zuriick, ins Detail zu gehen. Dass Foucault in den 80er und 90er Jahren als intellektuelle Leitfigur der religios indifferenten Gay-Szene gehandelt wurde, blieb ebenso unerwahnt, wie die Tatsache, dass sich seine Publikationen bevorzugt mit Themen wie «Wahnsinn», «Einkerkerung», «Sex» und «Macht» beschaftigten. Sich aus systematisch-theologischer Sicht mit diesen Texten zu beschaftigen, war selbst in den 90er Jahren alles andere als naheliegend, zumal Foucault sich -im Unterschied zu Jacques Derrida -niemals explizit mit theologischen Problemstellungen auseinandergesetzt hat.' 25 Jahre nach Foucaults friihem Aids-Tod, am 25. Juni 1984, steilt sich die Situation differenzierter dar. Obwohl sich die obige Themenreihe bruchlos in die vergilbten Schlagwortregister klassischer Pubiikationslisten der 68er Generation einsortieren lieBe, erscheint die Bedeutung Foucaults heute unstrittiger denn je, auch und gerade im Kontext zeitgenossischer Theologie. Diese kuriose Wirkungsgeschichte des 1926 als Sohn einer angesehenen katholischen Provinzfamilie in Poitiers geborenen Philosophen, hat mit zwei charakteristischen und zugleich alles andere als Eigentiimlichkeiten seines Denkens zu tun: seinem an Immanuel Kant ankniipfenden philosophischeni Selbstverstan.dnis und seinem unverwechselbaren Denkstil. Foucault hat niemals einen Zweifel daran gelassen, dass das philosophische Denken (im Sinne von Kants wegweisendem Aufsatz Was ist Aujklarung?) «kritisch» zu Verfahren habe; kritisch allerdings nicht im negativen Sinne eines Ressentiments gegeniiber uberkonmienen Traditionen, sondern im Sinne einer affirmativen Der katholische Theologe Johannes Hofflehrt scit 2007 Philosophy and Systematic Theology an

Seele, Subjekt, Sündenfall – Foucault und der Beginn der modernen Kultur

Dargestellt anhand von Michel Foucaults Analyse in seinem Buch »Die Geständnisse des Fleisches. Sexualität und Wahrheit 4« (Berlin 2019). Was hat das Subjekt mit dem Sündenfall zu tun? Die Seele ist unsere wahre Identität. Mit dem Sündenfall öffnete sich der Mensch seinem subjektiven Begehren, seinem Willen. Aus der Absonderung von Gott erwächst eine Art Erkenntnis von Gut und Böse, die der unschuldigen Seele unbekannt war. Das, was wir heute als unsere Subjektivität wahrnehmen, in der wir für uns selbst fühlen und entscheiden, was uns gut und was uns nicht tut gut usw., in der wir für uns Verantwortung übernehmen und unser eigenes persönliches Urteilsvermögen schulen und kultivieren müssen, um in dieser Welt klar zukommen, wäre ohne Sündenfall nicht möglich. Spirituell gesehen wäre es auch nicht nötig gewesen. Aber wir haben es nun einmal gemacht, und die Geschichte hat trotzdem ein gutes Ende. Den sollten wir je noch einmal wieder ins Paradies einkehren, so werden wir es diesmal nicht als Kinder sondern als Erwachsene tun. Wir werden dieses Mal mit Göttin-Gott auf Augenhöhe in Beziehung treten.

Die christlichen Wurzeln der Kritik. Wie Foucaults Analysen der Kirchenväter neues Licht auf die Debatte um Macht und Freiheit werfen. Rezensionsessay zu Michel Foucault: Die Geständnisse des Fleisches. Sexualität und Wahrheit 4

Zeitschrift für philosophische Literatur, 2019

Die Veröffentlichung von Foucaults viertem Band der Geschichte der Sexualität, Die Geständnisse des Fleisches, wurde von der Foucault-Community und der interessierten Öffentlichkeit gespannt erwartet. Vom lange unter Verschluss gehaltenen Band erhofft sich die Leser_innenschaft neue Erkenntnisse nicht nur zum Thema des Buches – die Reflexionen der Kirchenväter bis Augustinus zu Sexualität und Lebensführung –, sondern zu Foucaults Werk im Allgemeinen und den großen Fragen nach Macht, Freiheit und Kritik, die dessen Rezeption bestimmen. Und tatsächlich bietet der Band überraschend neue Einsichten, in deren Lichte sich die herrschende Meinung zu Foucaults Freiheits- und Kritikbegriff als falsch herausstellt. Heute ist die These verbreitet, dass Foucaults Arbeiten zur antiken Ethik und parrhesia als Beitrag zu einem normativen Freiheitsbegriff gewertet werden können. Dagegen zeigt Die Geständnisse des Fleisches, dass die für Foucault und unsere Gegenwart relevante Freiheit, die Fähigkeit zur reflexiven Selbst- und Machtkritik, ihren Ursprung in den Subjektivierungen des frühen Christentums hat, das Subjektivität zum ersten Mal an kritische Machtreflexion koppelt. https://www.zfphl.de/index.php/zfphl/article/view/258

"Doch gehen wir zurück zum Anfang". Foucaults genealogische Kritik des Rechts

Frieder Vogelmann (Hg.), Fragmente eines Willens zum Wissen: Michel Foucaults Vorlesungen 1970-1984, 2020, 2020

1 Einleitung Foucaults zweite Vorlesungsreihe am Collège de France kreist um Anfänge. Nicht nur ist es seine erste historische Studie, die sich dezidiert Praktiken des Strafens zuwendet und damit einen Themenkomplex eröffnet, der mit dem Erscheinen von Überwachen und Strafen zu einem Abschluss kommen wird. Sie ist auch eine Vorlesung der Anfänge in zwei weiteren Hinsichten. Erstens beginnt mit ihr, was Foucault 1975/76 retrospektiv als Übernahme der "Hypothese Nietzsches" (VG 33) bezeichnen wird. Die fulminante Rhetorik des Kampfes, des Krieges, der im Frieden rumort, dient dabei selbst der Erfassung von Anfängen. Mit ihr wird ein altes Unterfangen in eine neue Form gebracht: nachgezeichnet werden die historischen "Entstehungsherde" (DE II/84, 176) gegenwärtiger Evidenzen. Die Vorlesung Institutionen und Theorien der Strafe kündigt zweitens an, die "Geburt des Staates nachzuzeichnen" (TIS 17). Den Gegenstand dieser Vorlesungsreihe bildet zunächst ein Volksaufstand, der sich 1639 in Rouen ereignet hat. Den Nu-Pieds und ihrer Niederschlagung widmet Foucault die ersten sieben Vorlesungen. Während die geschichtswissen-schaftliche Debatte über die Volksaufstände des 17. Jahrhunderts vor allem um ihre Bedeutung für die Herausbildung des absolutistischen Staates kreiste, führte Foucault, Claude-Olivier Doron zufolge, in ihre Analyse etwas Neues ein: die Nu-Pieds gerieten als "Ereignis" (Doron 2017, 383) in den Blick. Es ist Foucaults These, dass sich 1639 ein "neues Repressionssystem" herauszubilden beginnt, das sich von der feudalen Art und Weise Aufstände zu unterdrücken unterscheidet und

Einige Gesichtspunkte zum Thema „Paracelsus und Luther“

Archive for Reformation History, 1981

Zumindest in der protestantischen Theologie-und Kirchengeschichtsschreibung erschienen Luthers Person und Werk sowie das von ihm ausgelöste Geschehen im Ausgang des Spätmittelalters lange Zeit als nahezu übermächtig, eine Fülle von Strömen auf sich hin-und wieder von sich fortlenkend. Erst allmählich vermochte sich die Forschung aus dem Bann dieser Erscheinung zu lösen, ließ sie Gestalten und Bewegungen vor und während der Reformation stärker in deren eigenen Intentionen und Wirkungen hervortreten, entkleidete sie der doch wohl zu engen Rolle bloßen Vorläufer-oder Abweichlertums. Die relativ wenigen Darstellungen und Wertungen der Paracelsischen Theologie stehen großenteils noch in jenem eben angedeuteten Sog^. 1622 zählte Nicolaus Hunnius, ein Repräsentant des unbeugsamen lutherischen Dogmatismus seiner Zeit und damals noch Wittenberger Theologieprofessor, den eigenwilligen Arzt und Kirchenkritiker aus Einsiedeln, dessen mit reichem theologischen Gedankengut durchsetztes medizinisches und naturwissenschaftliches Schrifttum bereits in mehreren Ausgaben verbreitet worden war, zu den "Schwermern". Die Verbreitung dieser "Zeuberische(n) und vom Teufel eigentlich herrührende(n) Bücher" lastete er Papisten und Reformierten gleichermaßen an^. Gut zwei Jahrhunderte später konnte Hohenheim dann in umgekehrter Weise 1. Als Beispiel aus jüngerer Zeit sei die Dissertation des Mecklenburger TheologenМ/сЛае/ Bunners erwähnt ("Die Abendmahlsschriften und das medizinisch-naturphilosophische Werk des Paracelsus", Diss, theol., Berlin/DDR 1961). Gründlich werden die theologischen Kernaussagen des Paracelsus herausgearbeitet. Durch eine an Luthers Theologie und seinen Kämpfen gegen spiritualistische oder rationale Deutungen der Sakramente orientierte Hermeneutik entstehen jedoch an einigen Punkten Widersprüche und Ungleichgewichte, die weniger Hohenheims Gedankengängen als einem vom Proprium der paracelsischen Auffassung durch Luther ein wenig abgelenkten Blick entspringen. Die theol. Diss, von Stephan Török: Die Religionsphilosophie des Parcelsus und ihr zeit

Die christlichen Wurzeln der Kritik. Wie Foucaults Analysen der Kir- chenväter neues Licht auf die Debatte um Macht und Freiheit werfen

Zeitschrift für philosophische Literatur , 2019

Die Veröffentlichung von Foucaults viertem Band der Geschichte der Sexua- lität, Die Geständnisse des Fleisches, wurde von der Foucault-Community und der interessierten Öffentlichkeit lange und gespannt erwartet. Bis vor Kurzem wurde der Band wegen Foucaults Verbot posthumer Veröffentlichungen un- ter Verschluss gehalten; umso mehr erhofft sich die Leser_innenschaft vom gelüfteten Geheimnis neue Erkenntnisse nicht nur zum Thema des Buches – die Reflexionen der Kirchenväter bis Augustinus zu Sexualität und Lebens- führung –, sondern insbesondere zu Foucaults Werk im Allgemeinen und sei- ner späten Schaffensperiode im Besonderen. In diesem Rezensionsessay gehe ich auf einen ganz bestimmten Aspekt dieser Erwartungen ein: auf das Thema Macht und Freiheit, das die Foucault-Rezeption wie kein zweites bestimmt hat. Die Frage, die ich versuche zu beantworten, lautet also: Gibt der Band neue Aufschlüsse für die Problematik von Macht und Freiheit?

Nach dem Muster. Die Paradigmatizität der Poesie

Der folgende Text gliedert sich in drei Teile: Auf grundlegende Reflexionen zur ›Form‹ des Sprechens, die sich unbenannt mit dem Zeichenkalkül von George Spencer-Brown auseinandersetzen, soll eine Revision des Paradigma-Begriffs für die Poesie folgen, die diesem Denken Rechnung trägt und es gleichzeitig übersteigt. Ich möchte zur Diskussion stellen, dass sich poetisches Sprechen als paradigmatisches verstehen lässt, genauer: dass es so verstanden werden muss. Im dritten Teil des Textes soll der Versuch unternommen werden, die eine Seite in der anderen zu verorten und das eigene theoretische Sprechen an dem poetischen Oswald Eggers und seiner Dichtung zu orientieren, sich ihm anzunähernmehr wird nicht möglich sein.