Die Würde der Kreatur und die Würde des Tieres im schweizerischen Recht (original) (raw)
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2018
Zusammenfassung: Das Konzept der Würde der Kreatur, seit dem Jahr 1992 in der schweizerischen Bundesverfassung verankert, ist seit seiner Einführung Anlass intensiver Diskussionen in Rechtswissenschaft und Philosophie. Während einige Autorinnen und Autoren das innovative Potenzial der Verfassungsbestimmung betonen und sie zum Anlass und Ausgangspunkt vielfältiger weiterführender Überlegungen nehmen, kritisieren andere das Konzept als theoretisch verfehlt oder rügen dessen mangelnde Justiziabilität. Indes hat sich das schweizerische Bundesgericht in zwei wegweisenden Urteilen im Jahr 2009 erstmals auf das Prinzip der Würde der Kreatur berufen. Die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung bildet Anlass für eine Standortbestimmung zu normativem Gehalt und Konkretisierungen dieser verfassungsrechtlichen Bestimmun
Würdeschutz und Lebensschutz: Zu ihrem Verhältnis bei Menschen, Tieren und Embryonen
Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik, 2010
Würdeschutz und Lebensschutz werden insbesondere in der angewandten Ethik regelmäßig als fundamentale Beurteilungsprinzipien herangezogen. Das genaue Verhältnis dieser beiden normativen Aspekte erweist sich allerdings als unsicher: Oftmals scheinen Würdeverletzungen gerade in einer unberechtigten Beeinträchtigung von anderen Rechtsgütern wie Leben oder Gesundheit, auch Eigentum oder Ansehen zu bestehen. Darüber hinaus aber mag es Würdeverletzungen geben, die sich nicht auf eine verfehlte Missachtung solcher anderweitiger Rechtsbelange herunterbrechen lassen, sondern eigenständige Formen der Demütigung und Erniedrigung, der Ausnutzung und Verwendung bezeichnen. Der vorliegende Beitrag geht dieser Frage namentlich mit Blick auf die Forschung an Menschen, an Tieren und an Embryonen nach. Dabei liefert eine bestimmte Fallkonstellation in der Debatte um die Embryonenforschung einen starken Beleg dafür, dass Würde in der Tat zuweilen einen originären Schutzbereich markiert, der unabhängig von Fragen des Umgangs mit Leben oder sonstigen elementareren Rechtsgütern ist.
Mertensiella 27, 2018
In the second half of the 20th century, the first Swiss cantons began to regulate the keeping and handling of animals by law. In 1981, the first nationwide animal protection law with the associated animal protection ordinance came into force. Since then, a holding permit has been mandatory in Switzerland for keeping the following amphibians and reptiles: giant salamanders, goliath frogs, giant and sea turtles, crocodiles, chameleons, monitor lizards, beaded lizards, tuataras, poisonous snakes and giant snakes that grow to more than 3 m in length (except Boa constrictor). Minimum requirements regulate the terrarium sizes, furnishings, nutrition, etc. From 2000 onwards, the legal regulations were tightened several times and new species were also subject to the authorization requirement (e.g. large iguanas, large tejus, Moloch horridus, Draco). During the revision of 2008, the Swiss Federal Veterinary Office (BLV) laid down a number of hair-raisingly incorrect legal requirements in the Animal Welfare Ordinance, e.g. dimensions of terrariums that do not meet the needs of the animals, incorrect specifications for nutrition or the setting up of terrariums. Some regulations were even clearly cruel to animals, such as the obligation to hibernate poison dart frogs, the aestivation of giant salamanders or large pools for salamanders that cannot swim at all. With the exception of giant snakes (boas, pythons), all snakes in Switzerland have been considered poisonous by law since 2008! A list of 422 taxa - including almost Colubridae - defines the "harmless poisonous snakes" for which no permit is required. Under pressure from the Swiss DGHT national group, at least the worst errors in the minimum requirements for amphibians and reptiles were corrected in the 2016 revision. Unfortunately, the officials of the BLV also wrote new errors in the regulation. For example, the same husbandry parameters were prescribed for all anoles, although the > 400 species of this lizards have very different lifestyles and must also be kept differently depending on the species. Specifications regarding the dimensions of terrariums (e.g. upright format enclosures for burrowing or aquatic snakes) or that a terrarium for a large python must be larger than an enclosure for a pair of lynxes are also technically incomprehensible. This article not only summarizes the facts of the different legal text versions, but also explains the background of how these regulations came about. And how the DGHT Swiss national group has been campaigning for species-appropriate regulations regarding the keeping of amphibians and reptiles for decades.
Zum moralischen Status der Tiere
Während man noch vor einigen Jahren für die Einbeziehung der Tiere in die Ethik argumentieren musste, gibt es heute einen breiten öffentlichen Konsens, dass Tiere als fühlende Wesen moralisch zu berücksichtigen sind, dass sie um ihrer selbst willen, als Wesen mit einem Wohl, zählen. (Das allgemeine Bewusstsein ist hier weiter fortgeschritten als manche Theorien der philosophischen Ethik, etwa die kantische oder die vertragstheoretische, welche nicht über die begrifflichen Mittel verfügen, die Tiere einzubeziehen.) Doch dieser allgemeine Konsens hat kaum Auswirkungen in der Praxis. Denn Tiere werden nach wie vor in großem Stil für menschliche Interessen genutzt, und dort, wo diese Interessen mit denen der Tiere kollidieren, sind die Anwendungskriterien der Ethik immer noch strittig. Vieles, was wir Menschen gegenüber als unzulässig betrachten würden, gilt gegenüber Tieren als erlaubt. Begründet wird dieser Unterschied gewöhnlich durch einen unterschiedlichen moralischen Status, der bei Tieren schwächer sein soll als bei Menschen.
Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik, 2010
Würdeschutz und Lebensschutz werden insbesondere in der angewandten Ethik regelmäßig als fundamentale Beurteilungsprinzipien herangezogen. Das genaue Verhältnis dieser beiden normativen Aspekte erweist sich allerdings als unsicher: Oftmals scheinen Würdeverletzungen gerade in einer unberechtigten Beeinträchtigung von anderen Rechtsgütern wie Leben oder Gesundheit, auch Eigentum oder Ansehen zu bestehen. Darüber hinaus aber mag es Würdeverletzungen geben, die sich nicht auf eine verfehlte Missachtung solcher anderweitiger Rechtsbelange herunterbrechen lassen, sondern eigenständige Formen der Demütigung und Erniedrigung, der Ausnutzung und Verwendung bezeichnen. Der vorliegende Beitrag geht dieser Frage namentlich mit Blick auf die Forschung an Menschen, an Tieren und an Embryonen nach. Dabei liefert eine bestimmte Fallkonstellation in der Debatte um die Embryonenforschung einen starken Beleg dafür, dass Würde in der Tat zuweilen einen originären Schutzbereich markiert, der unabhängig von Fragen des Umgangs mit Leben oder sonstigen elementareren Rechtsgütern ist.
Die schweizerischen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden
2019
Ausgangspunkt unseres Beitrages ist die Revision des schweizerischen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts. Das 2013 in Kraft getretene Gesetz legte unter anderem die Neuschaffung von Kindes- und Erwachsenenschutzbehorden fest, in deren Entscheidungsgremien unterschiedliche disziplinare Expertise zur Anwendung kommen soll. Befunde einer eigenen empirischen Studie zu den Auswirkungen politischer Steuerung auf die Organisationen und das professionelle Handeln der Sozialen Arbeit deuten darauf hin, dass die geforderte Interdisziplinaritat der Behorde nicht zu einer interprofessionellen Praxis der Fallbearbeitung fuhrte. Anhand der exemplarischen Analyse ausgewahlter Interviewsequenzen wird aufzeigen, welche Herausforderungen in einem interdisziplinar zusammengesetzten Handlungsfeld zu bewaltigen sind und hierbei insbesondere auch auf die Vorstellungen, Selbstverstandnisse und Zuschreibungen der Beteiligten eingegangen.
2012
Der vorliegende Aufsatz stellt sich die Aufgabe, dem Kriterium der übermässigen Instrumentalisierung im Sinne des schweizerischen Tierschutzgesetzes aus rechts-philosophischer Sicht anzunähern. In einem ersten Schritt (Abschnitt II) wird die «Würde der Kreatur» als moralisch relevantes Kriterium einer biozentrischen Ethik skizziert und von anderen ethischen Positionen unterschieden. Dadurch soll Klarheit geschaffen werden, wie sich die Schweiz in einem bio- und umweltethi- schen Kontext positioniert. Die kreatürliche Würde ist im Schweizer Recht in verschiedenen rechtlichen Kontexten anzutreffen. Sie umfasst unterschiedliche Reichweiten und erfüllt mehrere Funktionen. Aus diesem Grund wird die Würde kontextspezifisch untersucht. Für die Zwecke dieses Aufsatzes beschränkt sich der Untersuchungsgegenstand auf die entsprechende Bestimmung in der schweizerischen Bundesverfassung (BV vom 18 April 1999, SR 101) und deren Konkretisierung im schweizerischen Tierschutzgesetz und der Tierschutzverordnung (TSchV vom 23. April 2008, SR 455.1). Anschliessend wird in Abschnitt III versucht, den Begriff der übermässigen Instrumentalisierung im Sinne des Tierschutzgesetzes zu erläutern und zulässige von unzulässigen Formen der Instrumentalisierung zu unterscheiden. Im letzten Abschnitt IV wird anhand von zwei möglichen Umsetzungsproblemen dargelegt, in welchem Spannungsfeld sich das Instrumentalisierungskriterium befindet.