Der Einsatz des Zweifels bei Montaigne (original) (raw)

Montaigne gilt in der Regel als Vertreter einer spezifi sch neuzeitlichen Skepsis. Ohne Frage hat die Lektüre von Sextus Empiricus in seinen Essais gewaltige Spuren hinterlassen und ebenso unübersehbar ist die Abneigung, die Montaigne gegenüber dogmatischen Setzungen hegt. In einem Kontrast dazu stehen jedoch viele Stellen, an denen sich Montaigne leichtgläubig zeigt. Er scheint seine Überlegungen fast auf jeder Seite auf irgendwelche gehörten oder meist gelesenen Geschichten zu stützen, deren Glaubwürdigkeit häufi g nicht allzu hoch einzuschätzen ist und die sich gerade wegen ihrer off ensichtlichen Unwahrscheinlichkeit mit so grossem Interesse erzählen lassen. Der Eindruck der Leichtgläubigkeit wird noch verstärkt durch die Fraglosigkeit, mit der Montaigne seinen katholischen Glauben bekennt, dies zu einer Zeit, in der in Religionsfragen alles in Bewegung ist. Diese Spannung zwischen Skepsis und Leichtgläubigkeit löst sich auf, sobald man die spezifi sche Rolle des Zweifels bei Montaigne näher betrachtet, wie das in der jüngeren Forschung der Fall ist. Doch zunächst eine Bemerkung zum Charakter seines Werkes, den Essais: Montaigne hat an diesem Werk in den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens geschrieben, von 1572 bis 1592, seinem Todesjahr. 1 Das Werk hat in seinem Entstehungsprozess seine Natur stark verändert. Montaigne hatte zu schreiben begonnen, um sich bei seinen mannigfaltigen Lektüren nicht völlig zu verlieren. Das 1 Die erste Ausgabe von 1580 umfasste zwei Bücher, die zweite von 1588 deren drei. 1595 erscheint eine postume Ausgabe, besorgt von Marie de Gournay. Da Montaigne mit zwei Exemplaren seines Werkes gearbeitet hatte und in beide handschriftliche Zusätze eingefügt hatte, gibt es indessen noch eine weitere Ausgabe, die Ausgabe gemäss dem ›exemplaire de Bordeaux‹. Die Ausgabe von Villey/Saulnier, nach der Montaigne meistens zitiert wird, folgt diesem ›exemplaire de Bordeaux‹. Die französischen Zitate mit Seitenangaben in Klammern beziehen sich auf diese Ausgabe: