Private Fotografie in Ostdeutschland 1980-2000. Glossar (original) (raw)

"... irgendwer hat immer fotografiert ..." Private Fotografie in Ostdeutschland 1980-2000.

2024

Wenn man durch private Fotoalben aus Ostdeutschland der Jahre 1980 bis 2000 blättert, ändern sich in diesem Zeitraum die Bilder kaum — höchstens die Moden, Frisuren und Autos. Und wer in den 1980ern Urlaub an der Ostsee machte, fuhr in den 1990ern vielleicht nach Mallorca. Dass währenddessen erst ein Staat unterging und sich dann eine ganze Gesellschaft umwälzte, bleibt in den Bildern von Einschulungen, Wochenendausflügen und weihnachtlichen Bescherungen fast unsichtbar. „… irgendwer hat immer fotografiert …“ wertet ein Projekt aus, das seit 2020 die privaten Bildwelten dieser zwei Dekaden in Albensichtungen und anhand von Zeitzeugeninterviews untersucht hat. Die Aufsätze in diesem Band verstehen private Fotografie als soziale Praxis und diskutieren, wie Bilder hergestellt, in Alben geordnet und angesehen wurden und wie sich die politischen Verhältnisse in sie einschrieben. Links: https://spectorbooks.com/de/buch/-irgendwer-hat-immer-fotografiert-

Fotografie und Südpolforschung um 1900

Frosch und Frankenstein, 2000

Die seit Ende des 19. Jahrhunderts forcierte Erschließung des Südpols, die in dem Wettlauf zwischen Robert Falcon Scott und Roald Amundsen 1912 gipfelte, wurde in einem Zeitalter der Technikbegeisterung, Wissenschaftseuphorie und kolonialen Bestrebungen zu einem Medienereignis ersten Ranges: Kulturzeitschriften und Zeitungen berichteten emphatisch über die neuesten Vorstöße zum Pol; Reiseberichte von Expeditionsteilnehmern überschwemmten den literarischen Markt; Sach-und Jugendbücher erzählten von Abenteuern der Forschungsreisenden; in der Malerei und fiktionalen Literatur hatten Südpolphantasien Konjunktur. Als letzter weißer Fleck auf der Weltkarte avancierten die südlichen Polargebiete zum Inbegriff des Geheimnisvollen und Unerreichbaren. Schon in der Antike strahlte das mythische Südland eine beträchtliche Faszination aus. Die Legenden über die Terra australis incognita, von der man annahm, dass sie eine Art Gegengewicht zu den Landmassen auf der Nordhalbkugel bildeten, erzählten von paradiesischen Inseln mit Goldvorkommen und sagenhaften Völkern. Obwohl die zweite Erkundungsreise von James Cook in den 1770er Jahren diese Vorstellungen ins Wanken brachte, blieb die Idee von der Existenz einer Wärmequelle und geheimnisvoller Lebensformen jenseits des antarktischen Eismeeres auch in literarischen Fiktionen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts präsent. Diese Traditionslinie reichte von Edgar Allan Poes Narrative of Arthur Gordon Pym (1838) über André Gides Le Voyage d'Urien (1893) bis zu Georg Heyms Das Tagebuch Shakletons (1911). Die fiktionalen Texte bündelten wissenschaftliche Entdeckungseuphorie, Todesvisionen und Erlösungshoffnungen, übernahmen bzw. überboten spezifische Ausdrucksformen des authentischen Reiseberichts und schrieben sich zugleich in die Reiseberichterstattung der Forscher ein (vgl. Marx 2003).

Heimatfotografie in jüdischen Privatalben im nationalsozialistischen Deutschland

Thorsten Carstensen and Oliver Kohns (Eds.), "Heimat in Literatur und Kultur", 2023

Die von Männern, Frauen, Kindern sowie Älteren aufgenommenen privaten Fotografien widmeten sich sämtlichen Aspekten jüdischen Lebens in Deutschland, vom häuslichen Alltag über Freizeitaktivitäten bis hin zu religiösen Zeremonien sowie Ferienaufenthalten im Ausland. Die in Alben angeordneten Bilder skizzierten Erzählungen, in denen angestrebt wurde, Erfahrungen Bedeutung zuzuweisen, um damit die Art und Weise, wie sie in Erinnerung bleiben sollten, zu beeinflussen. In dem Bestreben, eine aussagekräftige Darstellung des jüdischen Lebens im nationalsozialistischen Deutschland zu präsentieren, wurden in zahlreichen Alben jüdischer Familien herkömmliche Heimatbilder inkludiert. Desgleichen weisen die Fallstudien, die im Folgenden betrachtet werden, darauf hin, dass Heimat nicht nur angesprochen wurde, um auf die jahrhundertelange jüdische Präsenz in Deutschland hinzuweisen. Vielmehr bediente man sich der Heimatikonografie, um die Zugehörigkeit der jüdischen Bevölkerung zum modernen deutschen Bildungsbürgertum zu betonen.

Renaissance-Ausstellungen aus Privatbesitz in Berlin und München um 1900

Der vorliegende Beitrag setzt sich mit der Präsentation von Kunstwerken der Renaissance auf deutschen Ausstellungen in der Zeit um 1900 auseinander. Im Zentrum der Untersuchung stehen Ausstellungen aus Privatbesitz, die während des Kaiserreichs vermehrt in den deutschen Städten veranstaltet wurden und sich in der Zeit der Jahrhundertwende verstärkt der Renaissancekunst widmeten. Sie dienten als ‚temporäre Museen‘ der Sichtbarmachung und Erforschung bislang unbekannter Kunstwerke und stellten kunsthistorische Inhalte und Zusammenhänge geschlossen dar, um so auf Bildung und Geschmack des Publikums wie auch der zeitgenössischen Künstlerschaft einzuwirken. Das Phänomen der sogenannten Leih-ausstellung wurde von der kunst- und kulturwissenschaftlichen Forschung bisher kaum gewürdigt und soll nun im Sinne einer ersten Bestandsaufnahme am Beispiel zweier historischer Renaissance-Ausstellungen in den damals konkurrierenden Kunststädten Berlin und München vorgestellt werden. Im Fokus steht dabei die Frage nach den jeweiligen Organisations- und Inszenierungsstrategien, es soll untersucht werden, wie diese Privatbesitzausstellungen didaktisch gestaltet waren und ob sie einem konkreten Forschungs- beziehungsweise Bildungsanspruch folgten.

Schlude2012 Neuzeit Arbeiterfotografie DresdenMoskau

"Es wäre uns peinlich, schlechte Fotos zu schicken." Die Austauschbeziehungen zwischen deutschen und sowjetischen Arbeiterfotografen 1926 bis 1933, in: Wolfgang Hesse (Hg.), Die Eroberung der beobachtenden Maschinen. Zur Arbeiterfotografie der Weimarer Republik. Leipzig, 2012

Von „wertvoller Blockadebrecherarbeit“ zum Wunsch, „mit Gewehr und Kamera dienen zu dürfen“. Notizen zur Verschränkung von professioneller und amateurhafter Fotografie im Zweiten Weltkrieg

2020

In einer Notiz von Joseph Goebbels findet sich der Hinweis auf eine Sentenz des Reichspresseleiters Max Amann, dass die Zeitschrift „Signal“ „wertvolle Blockadebrecherarbeit gegen den fruhen beherrschenden antideutschen Zeitschrifteneinflus in Europa geleistet“ habe – und das bereits im April 1940. Der Einfluss dieser Zeitschrift auf die offizielle Kriegspropaganda vieler Staaten kann kaum uberschatzt werden. Denn im Vergleich selbst zu grosen Magazinen wie „Life“, „Picture Post“ oder auch „USSR im Bau“ war „Signal“ einfach ein grafisch wie vom Bildmaterial her gut gemachtes Blatt, gerade in jenem vorsprachlichen Jargon der Designer, die zu jener Zeit fur das Machen von Zeitschriften verantwortlich waren. Noch in den 1980er Jahren bekannte der Bildjournalist Robert Lebeck, in „Signal“ mehr gute Bilder gesehen zu haben als in „Life“ oder „Paris Match“ zur selben Zeit.