Das Dilemma der „angewandten Ethik” zwischen Prinzip, Ermessen und Konsens am Beispiel von „Bioethik-Konvention” und kirchlichen Stellungnahmen (original) (raw)

Das Dilemma der „angewandten Ethik” zwischen Prinzip, Ermessen und Konsens am Beispiel von „Bioethik-Konvention” und kirchlichen Stellungnahmen

Ethik in der Medizin, 2000

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates in Straßburg stimmte am 26. September 1996 dem Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Konvention über Menschenrechte und Biomedizin (früher als "Bioethik-Konvention" bekannt) zu. Das Komitee der Ministerbeauftragten beschloss daraufhin in seiner Sitzung am 29. November 1996 über Änderungsanträge und den Text der Konvention. Die BRD enthielt sich bei dieser Abstimmung der Stimme; die Gründe dafür wurden in einer Erklärung des Bundesministeriums für Justiz veröffentlicht. Nach mehr als fünfjährigen Beratungen und äußerst kontroversen Debatten legte dann am 4. April 1997 der Europarat in Oviedo (Spanien) seine Konvention über Menschenrechte und Biomedizin zur Unterschrift aus. 21 der 40 Mitgliedsländer (Dänemark, Türkei) unterzeichneten das Abkommen noch am selben Tag, die meisten anderen kündigten ihren Beitritt an. Die Bundesregierung war nicht unter den Unterzeichnern. Wegen schwerwiegender Bedenken wollte Bonn, so das Bundesjustizministerium, zunächst eine "breite öffentliche Debatte" über die Konvention ermöglichen. Erst danach solle entschieden werden, ob Deutschland dem Vertrag beitritt.

Warum es im Glaubensbekenntnis keine Ethik gibt Überlegungen aus kirchenhistorischer Perspektive

The article discusses possible reasons for the lack of references to Christ's ethical teaching in the creeds. It suggests that the earliest rules of faith were composed in order to propagate a particular view of the divine status of Jesus Christ which served to safeguard salvation. By contrast, debates about the ethical consequences of a life dedicated to Christ did not touch upon doctrine proper. Nevertheless, initially, credal and ethical statements were often combined in theological discourse. However, when the fluid rules of faith coagulated into fixed formulae, things gradually changed. For creeds express both a personal loyalty to God and a consent to a series of propositional statements. As such they became increasingly incompatible with ethical commandments which are, by nature, adhortative or imperative. In addition, the earlier equilibrium between creed and paraenesis began to shift when, in baptismal catechesis, knowledge about matters of faith was given more attention than the teaching of Christian love for one's neighbour. Finally, it is discussed in what context, if at all, Christians were taught about biblical ethics.

"Prinzipien und Tugenden in der Bioethik"

Imago Hominis, 2000

Was die Sachprobleme betrifft, steht die Bioethik an erster Stelle in der gegenwärtigen ethischen Forschung. Hinsichtlich ihrer Grundlagen aber sind die Hauptdebatten, die die Spezialisten bis jetzt beschäftigt haben, nichts anderes als ein Spiegelbild der allgemeinen Diskussionen, die in den letzten Jahren in der philosophisch-ethischen Forschung stattgefunden haben. Im vorliegenden Beitrag geht es um eine dieser Debatten: um die Kontroverse zwischen der “Bioethik der Prinzipien” und der “Bioethik der Tugend”. Nach einer kurzen Einleitung und Kritik der Ansätze von Beauchamp und Childress sowie insbesondere ihres Tugendbegriffes, wird die Bedeutung desselben auf der Grundlage des aristotelischen Denkens analysiert. Auf dieser Analyse beruhend wird dann der Einwand untersucht, der - aus der Perspektive des Prinzipialismus - gegen die Ethik der Tugend meist vorgebracht wird, nämlich dass die reine Berufung auf die Tugend nicht ausreichend sei, wenn man die Sittlichkeit der Handlungstypen bestimmen will, die in der Anwendung der neuen Technologien auf die biomedizinischen Wissenschaften ihren Ursprung haben. Ausgehend von der Analyse dieses Einwands wird schließlich auch der Zusammenhang zwischen Ethik und Recht beleuchtet.

Rationalität des ethischen Urteils im kirchlichen Kontext am Beispiel des polnischen Protestantismus

Religion, Rationalität und Bildung, hg. von M. Meyer-Blanck u. S. Schmidt, 2009

Die evangelischen Kirchen in Europa nehmen auf unterschiedliche Art und Weise an den öffentlichen Debatten in ihren Ländern teil, wie auch der Protestantismus einen Faktor auf kontinentaler und globaler Ebene darstellt. Theologen sind in vielen öffentlichen Gremien nicht nur Beobachter, sondern auch Berater oder Mitglieder. Welche Form aber sollte diese Teilnahme haben: Die des prophetischen Zeugnisses nach Art der reformierten Tradition oder die der rationalen Argumentation im Geist der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre? Die Kontroverse über diese Frage gehört zu den wichtigsten Auseinandersetzungen in der theologischen Diskussion in Polen nach der politischen Wende im Jahre 1989. Die polnischen Protestanten stellen am Anfang des 21. Jh.s eine kleine Minderheit dar. Die evangelisch-lutherische Kirche in Polen findet sich in einer Diasporasituation vor, hat jedoch Ambitionen darauf, eine wichtige Rolle im Diskurs über soziale Fragen, insbesondere in ethischen Debatten zu spielen. Dass sie diese Stellung innehat, erklärt sich durch einen Blick auf die historische Entwicklung wie auch durch ihre theologische Positionierung. In meinem Beitrag möchte ich die Faktoren beschreiben, die zu dieser Stellung führten, um anschließend die Möglichkeit der rational geführten ethischen Debatte im kirchlichen, wie auch außerkirchlichen Kontext zu errörten. Für die polnischen Protestanten ist ihr historisches Erbe einer der wichtigsten, wenn nicht der entscheidende Faktor ihrer Identität. 1 Die von Historikern so genannte "reformatorische Episode" des 16 Jh.s in der goldenen Epoche Polens wie auch die blühende Entwicklung der Kirche am Anfang des 20. Jh.s stellen heute nach wie vor wichtige Anknüpfungspunkte für viele kirchliche und politische Entscheidungen in kirchlichen Gremien dar. Deswegen sollte dieses historische Erbe auch im Kontext von Überlegungen zu heutigen ethischen Stellungnahmen der Kirche skizziert werden.

Ethik und Tragödie im Lichte der neuesten Parallelität von ‚Hypermoral‘ und Verrohung

Österreichische Zeitschrift für Soziologie

ZusammenfassungAusgehend von der ethischen Dimension in allen Variationen der Philosophischen Anthropologie wird angesichts der erneuten Aktualität des Begriffs „Hypermoral“ Arnold Gehlens letzte Monographie „Moral und Hypermoral“ (1969) im Hinblick auf das Phänomen einer „Überdehnung ethischer Prinzipien“ dargestellt. Das Buch enthält zwei einander opponierende Diskurse, nämlich einmal die Rekonstruktion von vier voneinander nicht ableitbaren Ethosformen, die in Spannung zu einander stehen. Damit widersprach er der Ansicht, dass es eine mehr oder weniger lineare Ausweitung ethischer Motive von der Familie bis in Weltmaßstäbe hinein existiere. Stattdessen werden Konfliktkonstellationen im Rahmen einer „pluralistischen Ethik“ behandelt, etwa zwischen dem „familienbezogenen ethischen Verhalten bis hin zum Humanitarismus“ oder einer zunehmend dominant werdenden „Ethik des Wohlbefindens und des Glücks (Eudaimonismus)“ im Gegensatz zum „Ethos der Institutionen einschließlich des Staates“...

Bioethiken religiöser Traditionen

Der vorliegende Besprechungsaufsatz skizziert aus einer religionswissenschaftlichen Perspektive, welche Fragen in Studien über aktuelle bioethische Diskurse religiöser Traditionen verfolgt werden. Betrachtet werden insbesondere solche Studien, die sich (a) generell dem Verhältnis von Bioethik und Religion widmen, oder (b) aus vergleichender Perspektive mit bioethischen Positionen und Argumentationsmodellen des Judentums, Christentums und Islams befassen.