Landschaft des Krieges, Gemeinschaft des Erzählens. Peter Handkes Mein Jahr in der Niemandsbucht (original) (raw)

2011, Narrative Alterität in der Literatur

in der Niemandsbucht schildert die geographische und landschaftliche Lage, in manchen Zügen vielleicht auch die soziale Situation, in welcher der Schriftsteller Peter Handke seit Anfang der neunziger Jahre lebte. Ich bin nicht unzufrieden mit dem Verlauf meiner Tage […]. Die Art meines Tuns wie meines Nichtstuns entspricht mir im großen und ganzen, und ebenso auch meine Umgebung, das Haus, der Garten, die abgelegene Vorstadt, die Wälder, die Nachbartäler, die Zuglinien, die kaum sichtbare und um so spürbarere Nähe des großen Paris unten im Seinebecken hinter dem östlichen Hügelwald. 1 Der friedvolle, naturnahe Ton der Schilderung wirkt wie in sich ruhend, er ist aber trügerisch. Hier fehlt etwas, wie letztlich in jedem Idyll. Einige hundert Seiten später befindet sich der Icherzähler dieses Prosawerks auf einem Baumstrunk am Rande eines Dünenweges, in den sandigen Hügeln und Wäldern der den Einzugsraum der Großstadt ins Weite zerdehnenden Landstriche. Wieder verdichtet sich der Schauplatz zu einer bildhaften, fast idyllischen Szenerie, in der die Zeit still zu stehen scheint, als unversehens Stunde und Zeichen eines wie beiläufig erfassten panischen Schreckens sich einstellen. Es war inzwischen Mittag, laue Luft, und die gewohnten, gleichwohl jedesmal wieder schreckenden Läufer tauchten auf, aus den tausend Bürohäusern oben auf dem Plateau, bunt wie nichts sonst im Wald. […] Ein wenig später, nach dem Landungsheulen einer Düsenmaschine oben vom Militärflugplatz Villacoublay, flogen Helikoptergeschwader, mit Staatsbesuchern über die Hügel nordostwärts nach Paris, worauf mir einfiel, daß dort an dem Tag eine Konferenz zu einem Bürgerkrieg stattfand. (NB, 258) 1 Handke: Mein Jahr in der Niemandsbucht. Ein Märchen aus den neuen Zeiten [=NB], S. 13.