… ganz sensibel und treffbar zu bleiben…" Text+kritik, Heft 166/167: Hannah Arendt, September 2005 (original) (raw)
Nun hat die Zeitschrift Text und Kritik Hannah Arendt einen Doppelband (166/167, IX/ 2005) gewidmet. Dieses Heft mit seinen 18 Beiträgen und einer Auswahlbibliographie beleuchtet eine andere Seite der politischen Denkerin Hannah Arendt. Ins Zentrum tritt Hannah Arendts Nachdenken über Kunst und Kultur, ihre Beziehungen zu Literatur und Sprache. Sowohl der Zeitraum wie die Themen, die berührt und die Fäden, die aufgenommen werden, strecken sich weit. Die Spannweite der Themen dieses Heftes ist breit. Es beginnt mit der Pariser Zeit (1933-1941) und der Freundschaft zu Walter Benjamin und reicht bis in das Jahr 1963, das Jahr, in dem Rolf Hochhuths Theaterstück "Der Stellvertreter" in Berlin aufgeführt wurde und der New Yorker begann, Arendts Bericht vom Eichmann Prozess abzudrucken. Arendt-Forscher und Leser können zudem in diesem Heft die zum ersten Mal ins Deutsche übersetzte Sonning-Preis-Rede, die Hannah Arendt 1975 in Kopenhagen hielt, finden. Ursula Ludz folgt hellhörig dem Grundton dieser Rede und wirft die Frage auf, ob Arendt, das "Mädchen aus der Fremde" trotz ihrer bejahenden Haltung zur Welt doch eine "Kluft zwischen Innen und Außen", eine Spannung zwischen Selbstbild und Fremdwahrnehmung, nicht hat schließen können, eine Kluft, die im besten Fall ausgehalten werden kann. Auffallend und wohltuend ist, dass die Autoren dieses Heftes mit und in der Sprache arbeiten, einen Sinn dafür haben, was sich in wenigen Worten verbergen kann und darauf wartet, ent-borgen zu werden. Die Beiträge zeichnen sich aus durch Sensibilität und Spürsinn für die Zwischentöne, für das, was im Leben und im Werk der Autorin Hannah Arendt nicht aufgeht, was sich nicht als gesichertes Wissen nach Hause tragen lässt, sondern zu eigenem Denken und Nach-denken Raum gibt. Keine Arendt-Hagiographie ist dieses Heft, sondern eine aus dem Offenen kommende Begegnung mit Arendts Denken, eine Haltung, die überraschend neue Denkverbindungen öffnet und dabei so manche Perle ans Tageslicht bringt. Das Heft ist zudem ein Lesevergnügen, weil in einem Stil geschrieben wird, als hätten die Autoren sich Arendts Auffassung, dass das Schreiben über eine Person die Höhe des porträtierten Menschen halten muss, als Richtschnur genommen. Zudem zeigt jeder Beitrag die je eigene Handschrift, und so bekommen die Leser mehr als nur Zitate, seien es bereits bekannte oder neue.