Tensegrity und Mechanoregulation: Vom Skelett zum Zytoskelett (original) (raw)

Das Mechanostat-Modell

Journal für Mineralstoffwechsel & Muskuloskelettale Erkrankungen, 2012

Kurzfassung: Der Knochen ist ständig wechselnden Belastungen ausgesetzt und adaptiert seine Festigkeit entsprechend. Mangelnde körperliche Aktivität bedeutet eine zu geringe Verformung des Knochens und in der Folge einen Knochenabbau. Zyklische Belastungen des Knochens jenseits der Modelling-Schwelle, welche ausreichend starke Verformungen des Knochens und Verschiebungen der intrakanalikulären Flüssigkeit mit sich bringen, resultieren in einer Erhöhung der Knochenfestigkeit. Diese Verformungen werden durch Osteozyten wahrgenommen. Die mechanischen Kräfte werden in biochemische Signale umgewandelt (Mechanotransduktion) und schließlich die Effektorzellen aktiviert (Transmission). Die Förderung der Osteoblasten bei Hemmung der Osteoklastenaktivität führt letztlich zu einer positiven Knochenbilanz. Die Reaktionen des Knochens sind aber nicht nur von Intensität und Frequenz der Belastung, sondern auch von der Beschleunigung der Bewegung abhängig. Nicht-mechanische Faktoren wie Sexualhormone modulieren das Ausmaß der Adaptation des Skeletts auf mechanische Reize.

Die Fülle des Konkreten am Skelett des Formalen

2014

und Konkretisierung im algorithmischen Denken und Tun © GEORG TROGEMANN (2014) Prolegomenon Können wir heute noch einen Apfel anschauen, ohne an Vitamine, Mineralien und Ballaststoffe zu denken? Hat die Abstraktion unser Denken so sehr vereinnahmt, dass wir eine enge Verwandtschaft zwischen einer Frucht und einer Vitamintablette annehmen? Durch die Quantifizierung und Reduktion auf messbare Größen wird alles komparabel, auch Ungleiches. Und sobald wir einen Sachverhalt erst einmal auf die Zahl gebracht haben, folgt unweigerlich seine weitere Verrechnung in allerlei Modellen. Die Eliminierung von Qualitäten und die Funktionalisierung von Erfahrung hat längst von der Wissenschaft auf den Alltag übergegriffen. Im Zentrum dieses Prozesses steht der Computer. Er ist das Werkzeug einer formalen Rationalität, mit der wir unsere Naturbeherrschung auf allen Ebenen vorantreiben. Die ehemals aufs Ganze zielende Vernunft scheint in gleichem Maße abzunehmen wie die abstrakte instrumentelle Rationalität zunimmt. Wir formen unser Leben nach den gleichen Gesetzen, nach denen wir auch unsere technischen Apparate konstruieren. Zwar wächst das Volumen der bekannten Fakten dabei rasant. Die Gefahr ist aber, dass wir uns den Eigengesetzlichkeiten und inneren Logiken des Messens, Zählens und Funktionalisierens ausliefern. Dabei markieren die Quantifizierung, Formalisierung und Funktionalisierung der Lebenswelt nur den Weg des Konkreten in die Maschine. Im Prozess des Rechnens kommen die Phänomene und Kontingenzen zurück. Diese Rückbindung an die Welt wollen wir im Folgenden betrachten.

Spannungen, Brüche und Nähte im Gewebe der Sprache: Untote Metaphern als philosophisches und methodisches Problem

Zugänge zu Metaphern – Übergänge durch Metaphern, 2013

Auf dem Gebiet der historischen Metaphernforschung hat man es oft mit einem Phänomen zu tun, das immer wieder ein theoretisches Ärgernis oder zumindest einen umstrittenen Problemfall darstellt: die tote Metapher. Denn was zu einem zentralen Gegenstand metaphorologischer Studien und lexikographischer Darstellungen avanciert ist, lässt sich mit den üblichen Metapherntheorien in der Regel gar nicht fassen. Darin bekundet sich nicht nur ein theoretisches Defizit, sondern auch ein methodisches Problem der Metaphernforschung, insbesondere dann, wenn ein bestimmtes Fokuswort im Laufe seiner Geschichte wiederholt Prozesse der Metaphorisierung, Lexikalisierung und Re-Metaphorisierung durchläuft. Man denke etwa an architektonische oder organische Metaphoriken, die Metaphern der Wege und Gewebe, der Kreisläufe und Maschinen, der Oberflächen und Tiefen, usw. Weil sie nicht nur in theorie-, sondern auch in alltagssprachlichen Zusammenhängen vorkommen, ist es nicht immer leicht zu entscheiden, wann es sich dabei um lebendige, tote oder überhaupt keine Metaphern mehr handelt.

Der Körper als Schnittstelle: Ambivalente Taktilität

Maske und Kothurn 58:4 (2014): 99-118 (trans. Werner Rappl)

In einem Flugzeug fühlt sich Joe, ein amerikanischer Handlungsreisender mittleren Alters, zu Anna Maria hingezogen, einer schönen aber naiven italienischen Stewardess. Während eines Zwischenstopps in Bangkok filmt er sie (Abb. 1) und klebt an ihren Fersen wie in Kind, das um mütterliche Zuneigung buhlt. Um seine andauernden Werbungen abzuwehren, rät ein Psychiater ihrem Verlobten, sie solle ein lasziveres Verhalten an den Tag legen, da Joe als Psychopath auf ihre Reinheit fixiert sei. Anna Marias plötzliche promiskuitive Art und Aufmachung in einer Bar enttäuschen Joe daraufhin so sehr, dass er schließlich den Verlust seines ›Traummädchens‹ betrauert, indem er ihr jungfräuliches Bild an seine Zimmerwand projiziert. Er küsst und umarmt das auch auf seinem eigenen Körper flimmernde Trugbild scherzhaft und doch leidenschaftlich (Abb. 2-6). Illibatezza [Unberührtheit] ist der Titel des ersten Beitrags eines eigenartigen Episodenfilms namens Ro.Go.Pa.G. (IT 1963) -das Akronym setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Namen der Regisseure zusammen: Rossellini, Godard, Pasolini, und Gregoretti. Diese beeindruckende Autorenriege entwirft vier voneinander unabhängige Teile zum weit gespannten Überthema »der fröhliche Beginn des Endes der Welt«. Rossellinis Illibatezza wurde heftig als der »schwächste und uninteressanteste« Teil des Films kritisiert, eine »frivole und schrecklich fantasielose Screwball-Comedy, die im Ton und Stil nicht weiter vom unverfälschten Neorealismus entfernt sein könnte, dem er seinen Namen verdankt«. 1 Doch da die Filmvgeschichte revidierbar ist und übersehene oder verworfene Teile vor dem Verges-Eine ausführlichere Version dieses Artikels erschien 2013 unter dem Titel Cinematic Interfaces: Film Theory After New Media bei Routledge.

Organismus und Maschinerie in Benjamins Passagen-Werk

De Gruyter eBooks, 2024

1B enjaminsMethode der literarischen Montage Seit dem posthumen Erscheinen des Manuskripts vomu nvollendeten Passagen-Werk (1982) ist man sich in der Forschung darüber einig geworden, dass in Benjamins letztem Lebenswerk Themen und Bereiche der früheren Reflexionenz usammengeflossen und zu einer neuen, wenn auch nicht endgültigenG estaltung gekommen sind.¹ Im Rahmen dieser Archäologie der Moderne erhält das Motivdes Ausdrucks eine ganz neue Brisanz.B enjamin schreibt nämlich diesem Motiv, das schon im Mittelpunkt seiner Arbeit zur Allegorie stand, angesichts einer materialistischen Auffassung des Verhältnissesvon Natur und Technik, neue Bedeutung zu: Seine kritische Einstellung zum Historismus des 19.J ahrhunderts, die damit verbundene kopernikanischeW ende in der Artu nd Weise, das Gewesene zu betrachten, ist nur vordem Hintergrund einer überausrevolutionären Auffassung des Ausdrucks zu verstehen,n ach der die Entstehungn euer Kunstformen ausd en technischen Errungenschaften des 19.J ahrhundertsd en Tod des biographischen, empirischen Künstlers mitsich bringen. Die neuen stilistischen Formensollen sich in der Avantgarde ausd en neuen Materialien und Techniken sozusagenw ie von selbst,ohne Zutun des individuellen Künstlers herausbilden. Anders als Dilthey und die Lebensphilosophie, die noch an einer traditionellen Idee des Erlebnisses fest-1 Vgl. Tiedemann 1983. Dem Aufsatz sind auch die Querverbindungenzum Kunstwerk-Aufsatz (was das Miniaturmodell des Baudelaire-Konvoluts angeht) und die Beziehungenzuden Thesen über den Begriff der Geschichte zu entnehmen. Was die Entstehungsgeschichteangeht, arbeitet Benjamin vom Herbst/Winter 1928 bis Ende 1929 und dann wieder ab Anfang1 934a nd en Aufzeichnungen und Materialien, die das eigentliche Manuskript des Passagen-Werks darstellen. Die Reihenfolge der verschiedenen Konvolute in Tiedemanns Ausgabe entspricht nicht der Chronologie der Entstehung, sondern spiegelt die vonBenjamin geplanteOrdnungwider.Wahrscheinlich legte er immer dann ein neues Konvolut an, wennimLaufe der Arbeit ein neues Thema auftauchte. Die letzte Phase der Niederschrift fälltpraktisch mit der Arbeit an Über einige Motive bei Baudelaire zusammen (1937-1940). Die einzigenTeile, die als abgeschlossen gelten können, sind die zwei Exposés (1935 und 1939) und Der Saturnring oder etwas vom Eisenbau. Dieser letzte ist in der Tiedemann-Ausgabe unter dem Titel Frühe Entwürfe rubriziert.T atsächlich gehört er thematisch zur Entstehungsschichted es Fourier-Konvoluts und des erstenExposés von1935. Barbara Di Noi,M ailand Open Access. ©2 024 bei den Autorinnen und Autoren, publiziertv on De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert untere iner CreativeC ommons Namensnennung 4.0 International Lizenz.