Grundlagen der Expertensysteme (original) (raw)
1990, Technische Expertensysteme
Wahrend die erste SchluBfolgerung zwingend riehtig ist, stellt die zweite SchluSfolgerung einen TrugschluS dar. Urn folglich "intuitive" Formulierungen zu vermeiden und die Riehtigkeit bzw. Ungiiltigkeit einer Argumentation formal nachpriifen zu konnen, sind Methoden (Kalkiile) erforderlich, die-unter Beachtung syntaktischer Vorgaben fUr das Kalkiil 2.1 Pradikatenkalkul 47-korrekte SchluBfolgerungen erlauben und konkrete Arbeitsanweisungen enthalten. Das Pradikatenkalkiil und sein Vorganger, das Aussagenkalkiil, stellen eine solche "Arbeitsanweisung" dar, die streng den Prinzipien des logischen Denkens gehorchen und die eine korrekte Formulierung von Problemen erlauben. Historisches Die Logik als Basis des Pradikatenkalkiils ist eine sehr alte Wissensschaft. Wie schon im ersten Kapitel erwahnt, beschaftigte sich der griechische Philosoph Aristoteles (384-322 v.C.) systematisch mit dem Wesen des menschlichen Denkens. In seiner Schrift Erste Analytik definierte er die allgemeinen Grundlagen der Logik, die iiber zwei Jahrtausende das Denken von Forschern pragte. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Uberlieferungen des Aristoteles mit der Mathematik verkniipft und so die mathematische Logik als GesetzmaBigkeit rational en Denkens begriindet. An der Entwicklung der Logik beteiligt waren auch der beriihmte Philosoph und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) sowie der englische Mathematiker George Boole (1815-1864). Leibniz ersann eine kiinstliche Wissenschaftssprache, die Characteristica universalis, mit der jede Form des Denkens mit derselben Strenge und GewiBheit analysiert werden konnte, wie in der Arithmetik und Algebra. Seine Vision eines universellen Logikkalkiils konnte er allerdings nie konkret realisieren: Er wollte durch Anwendung dieses Kalkiils mit einer universellen Datenbasis Meinungsverschiedenheiten "ausrechnen", sicherlich ein zum damaligen Zeitpunkt hoffungsloses Unterfangen. Wie sollte man auch das gesamte Wissen der Menschheit in "Regeln" und "Fakten" festhalten? Die gleiche Problematik trat interessanterweise auch bei den ersten KI-Programmen auf, die menschliche Intelligenz nachzubilden versuchten. Auch hier muBte man bald einsehen, daB die Schaffung einer "Universalintelligenz" unrealistisch viel Alltagswissen (Weltwissen) und Aligemeinerfahrung erfordert. Beschrankt man sich dagegen auf eng umrissene, wohl definierte Fachgebiete, so besteht durchaus die Chance, rudimenUire Formen von "Intelligenz" zu realisieren. In diese Rubrik fallen die Expertensysteme: Sie wollen nicht den intelligenten Menschen nachbilden, sondern sie konzentrieren sich auf das Fachwissen von Fachleuten, das vie I eher nachgebildet werden kann. Wahrend Leibniz also Wissen inhaltlich erfassen und auswerten wollte, entwickelte George Boole urn 1850 ein logisches Kalkiil, die Boolsche Logik, die keine Riicksicht auf den Inhalt einer Aussage nahm. Aussagen wurden dabei durch Buchstaben ersetzt, so daB Teile der Aussage (also der Inhalt) nicht naher zuganglich sind. (Beispiel: A = ,,3 ist Prirnzahl") In seinem Werk The Mathematical Analysis of Logic stellte er ein formales, logisches System vor, das als erstes logische Kalkiil gilt. Der Grundgedanke best and darin, nicht zu beurteilen, ob eine vorgegebene Aussage in irgendeiner Weise "wahr" oder "falsch" ist, vielmehr stand die formale Kombination von Aussagen zu neuen Aussagen im Vordergrund, weshalb man auch von Aussagenlogik spricht. Die Logik verschob sich folglich von einer mehr inhaltlichen zu einer mehr formal en Zahlen-mit-zwei-Faktoren (wir wiirden Primzahl sagen). AM leitet einige interessante Satze iiber Primzahlen her, leider aber auch viele "uninteressante", da die Untersuchung nur sehr schema tisch abliiuft. Die grundlegende Logik des Beweisens ist selbstverstiindlich nicht nur auf den Bereich der Mathematik beschrankt, sondern kann auch auf andere, nicht