Institutionalisierter Alltag : Mündlichkeit und Schriftlichkeit in unterschiedlichen Praxisfeldern (original) (raw)

Lehrdichtung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit

Dichtung und Didaxe, 2009

Medialität und Vermittlung von Lehre im 14. und 15. Jahrhundert * Franziska Küenzlen Lehrdichtung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit Die Bearbeitung von Jacobus' de Cessolis Schachtraktat durch Konrad von Ammenhausen Um die Wende zum 14. Jahrhundert verfasste der Genueser Dominikaner Jacobus de Cessolis mit dem ›Liber de moribus hominum et officiis nobilium sive de ludo scaccorum‹ einen moraldidaktischen Traktat, der als Schachbuch bezeichnet wird, da er nach der Anordnung der Spielfiguren auf einem Schachbrett gegliedert ist. Bereits auf 1337 datiert die mittelhochdeutsche Versfassung von Konrad von Ammenhausen, deren Verse 19233-19336 das Akrostichon Dis bGch tiht ich CGnrat von Ammenhusen, in der stat ze Stein, da ich münich unde lütpriester wuas. ich kunde es niht getihten bas bilden. Ferdinand Vetter, der Herausgeber beider Texte, merkt dazu an: "Der Verfasser schliesst, wie er begonnen, mit dem Bekenntnis seiner Schwäche, mit der Bitte um Entschuldigung. Sie sei ihm gewährt!" 1 Ästhetisch konnte Konrad seine Kritiker nicht befriedigen; neben den "ganz besonders holperig" 2 gebildeten Versen, der "Kunstlosigkeit" und der "hausbacken[en]" Sprache 3 ist es vor allem "notorische Weitschweifigkeit" 4 , die ihm zum Vorwurf ge-___________________________________ 1 Das Schachzabelbuch Kunrats von Ammenhausen, nebst den Schachbüchern des Jakob von Cessole und des Jakob Mennel, hg. von Ferdinand Vetter, mit einem Exkurs über das mittelalterliche Schachspiel von Thassilo von Heydebrand und der Lasa, Frauenfeld 1892 (Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz, Ergänzungsband), hier S. 843/844. Alle Zitate aus Konrads und Jacobus' Werken folgen dieser Ausgabe. 2 Vetter (Anm. 1), S. XVII.

Schriftdolmetschen − Mündlichkeit im schriftlichen Gewand

The article deals with a new form of communication aid called writing interpreting which is used for communication between deafened and hearing people. The terms typing/print interpreting, captioning and realtime writing are also used. It means that the spoken message is transformed into a written form simultaneously with speech. To the text the interpreter adds punctuation, the names of different speakers, voices and sounds from the audience and surroundings (applause, laughing, phone calls, thunder etc.). According to the rules, everything should be written, even dialect, hesitations and various elements of spontaneous speech. However, if everything were to be exactly transferred, the text would not be readable nor understandable. Spoken language includes also many elements which are not transferrable but which are still important for understanding, such as prosodical features. In this article the changes in the linguistic form of the message are examined and the problems of this ...

Archaische Verwaltungstexte zwischen Mündlichkeit, Schriftlichkeit und Kontext

Archaische Verwaltungstexte zwischen Mündlichkeit, Schriftlichkeit und Kontext: das Beispiel der mykenischen Linear B-Tafeln IVO HAJNAL Sehr geehrte Damen und Herren Dieser Workshop befasst sich mit dem Sprachbewusstsein beziehungsweise dem metalinguistischen Textverständnis im Vorderen Orient. (→ Slide 2) Dabei steht gemäss dem ‚Meeting proposal' eine Hypothese zur Diskussion: Das metalinguistische Verständnis ist direkt von der Weiterentwicklung der Schriftpraxis abhängig. In den Worten des proposal: "The hypothesis … is that advances in metalinguistic awareness can only occur in tandem with an increasingly detailed system of metalinguistic notation." Dieser Beitrag will diese Hypothese anhand eines Fallbeispiels prüfen: der mykenischen Kultur und ihrer Schrift, der sogenannten Linearschrift B. (→ Slide 3) Zwar sind die frühgriechischen Mykener nicht direkt dem vorderasiatischen Kulturkreis beziehungsweise dem Vorderen Orient zuzuordnen, sondern gehören der ägäischen Welt an. Doch passen sie aus zwei Gründen in den Kontext dieses Workshops: • Erstens sind Mykener neben dem griechischen Festland und Kreta auch in Vorderasien präsent. So lassen sich mykenische Kolonisten in den Epochen LH IIIA bis LH IIIC (ca. 1390 bis 1100 v. Chr.) in einer Zone von Milet bis nach Bodrum/Halikarnass nachweisen. • Zweitens bestehen deutliche Parallelen in der Praxis der Verwaltung zwischen mykenischen und vorderasiatischen Palastzentren.

Mündliche Rede: auch ein Medium der Bürokratie

Die moderne Amtsfuhrung beruht auf Schriftstucken (Akten), welche in Urschrift oder Konzept aufbewahrt werden, und auf einem Stab von Subalternbeamten und Schreibern aller Art. 1 Wo immer von >Burokratie< die Rede ist, fallt, wohl unvermeidlich, der Name Max Weber. Als Stichwortgeber oder Garant von Definitionen halten auch neueste Forschungsbeitrage den Diskursbegrunder gegenwartig. Ben Kafka stellt das obige Zitat aus Wirtschaft und Gesel/schaft der Einleitung zu seinem Buch The Demon of Writing. Powers and Failures of Paperwork voran. Die zum Motto gemachte Bestimmung hebt einen Zug des Verwaltungs handelns hervor, der die besondere Aufmerksamkeit der Medienwissen schaft geweckt hat und bislang weitgehend bindet. Schriftlichkeit wird von

Mündlichkeit: aktuelle Entwicklungen in verschiedenen Kontexten

Swiss Journal of Educational Research

Positionierung der Mündlichkeit in der Schule Mündlichkeit nahm in Erziehungswissenschaft und Sprachdidaktik schon immer eine Sonderstellung ein. Bis in die 70er Jahre wurde sie aufgrund einer fast ausschliesslichen Fokussierung auf die Schriftlichkeit (Literatur, Schreiben, Grammatik, Rechtschreibung) und trotz einer hohen Bedeutungszuschreibung durch die Linguistik (de Saussure, 1967) von der Schule und vom Unterricht als «Stiefkind» der sprachlichen Bildung behandelt. Seit den 70er Jahren, im Zuge der sogenannten pragmatisch-kommunikativen Wende in der Sprach-und Fremdsprachdidaktik, begann eine erste Aufwertung der Mündlichkeit. Im Kontext der Sprachphilosophie von Habermas, der Sprechakttheorie und den verhaltenspsychologischen Theorien von Watzlawick (1969) und Schulz v. Thun (1981) rückte das kommunikative Handeln ins Zentrum-diskutiert wurden der schichtspezifische Sprachgebrauch, die Chancengerechtigkeit und Emanzipation, die Kommunikationsbeziehung etc. Das didaktische Lernfeld «mündlicher Sprachgebrauch» wurde konstituiert und verlangte nach spezifischen didaktischen und methodischen Vorgehensweisen (Kochan & Kochan, 1986). Die theoretischen und didaktischen Ansätze, die der mündlichen Kommunikation einen wichtigen Platz einräumten, konnten sich aber nicht wirksam durchsetzen. Die Konzeption von Kommunikation (und Mündlichkeit)wesentlich auch auf den « jakobsonschen » Parametern kommunikativer Funktionen basierend (expressiv, konativ, phatisch usw.)-blieb insgesamt zu breit und vage und konnte wenig Nachhaltiges zu einer Modellierung mündlicher Produktion und Rezeption in der Schule beitragen. Die Unterrichtspraxis entwickelte sich nicht so, wie man es sich gewünscht hätte, und sie konnte den Anforderungen, die in den pädagogischen Werken formuliert waren, nicht entsprechen. Bis zu Beginn der 90er Jahre blieb der fachdidaktische Hauptfokus weiterhin auf der Schriftlichkeit. In den 90er Jahren begann die Sprachdidaktik-angestossen durch neue (psycho)linguistische Arbeiten (Bronckart et al., 1985; Ehlich & Rehbein, 1986), den Fokus auf die kommunikativen Praktiken und Genres mit ihren je Revue suisse des sciences de l'éducation 33 (2) 2011, 161-166

Alltagssprache, Alltagswelt. Die russischen Birkenrindentexte zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit

Alltagssprache, Alltagswelt. Die russischen Birkenrindentexte zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit Das Textkorpus der russischen Birkenrindentexte (berestjanye gramoty, gramoty na bereste) ist seit einiger Zeit ein äußerst beliebtes Objekt der russistischen historischen Sprachwissenschaft. Das geht so weit, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Birkenrinden eine neue russistische Subdisziplin bildet, die sog. "Berestologie" 1 .