Einleitung: Erste Darstellung des Problems (original) (raw)

1. Einführung und Problemstellung

2015

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1. Einleitung: Das Kanonproblem

Kants Begriff transzendentaler und praktischer Freiheit

Die ,dritte Antinomie' gehört zu den berühmtesten Passagen der Kritik der reinen Vernunft. Das hat einen guten Grund: Wie man weiß, hat dieser ,Widerstreit' maßgeblich zur Entwicklung des transzendentalen Idealismus beigetragen. Diese Antinomie (A444/B472-A452/B480), ihre ,Auflösung' (A532/B560-A558/B586) und der erste Abschnitt des ,Kanons der reinen Vernunft' (A797/B825-A804/B832) sind diejenigen Stellen der KrV, in denen Kant sich mit der Freiheitsthematik auseinandersetzt. Alles, was in den späteren Schriften über den Begriff der Freiheit zu finden ist, fußt letztlich auf jenen Kapiteln seines philosophischen Hauptwerkes. Kant selbst ersucht die Leser der späteren Kritik der praktischen Vernunft, seine kritische Freiheitstheorie "nicht mit flüchtigem Auge zu übersehen" (KpV, 8); man müsse sich "an das erinnern, was in der Kritik der reinen Vernunft gesagt war" (KpV, 97). Da der Begriff der Freiheit in gewisser Hinsicht den "Schlußstein von dem ganzen Gebäude eines Systems der reinen, selbst der spekulativen Vernunft aus[macht]" (KpV, 3 f.), ist die Bedeutung jener Stellen aus der transzendentalen Dialektik' und dem ,Kanon der reinen Vernunft' also kaum zu überschätzen. Um so problematischer wäre es deshalb, sollte sich die Freiheitstheorie aus dem Kontext der Dialektik als unverträglich mit der Freiheitstheorie aus dem Kanon erweisen. Denn das würde ja nichts anderes heißen, als daß Kant innerhalb seines Hauptwerkes zwei verschiedene und sogar widersprüchliche Theorien propagiert. Genau dies scheint aber der Fall zu sein. Schon eine vorläufige Lektüre zeigt, daß Kants Verwendung der Begriffe praktische Freiheit', transzendentale Freiheit', ,Willkür', ,Vernunft' usw. so divergierend ist, daß man kaum glauben mag, hier sei nur ein Autor am Werk gewesen. In der Tat sind die Widersprüche prima facie so groß, daß einige seiner Interpretinnen und Interpreten sich zu der Annahme gezwungen sahen, Kant habe in die KrV (genauer: in den Kanon) eine Freiheitstheorie eingebaut, die noch aus vorkritischer Zeit stamme. Wir beginnen unsere Darstellung mit einer solchen, wenn man so will, vorläufigen Lektüre der Dialektik und des Kanons. Sie soll demonstrieren, daß es keiner Detailinterpretationen bedarf, um zu sehen, daß hier etwas nicht stimmt. Kant läßt den Antinomien unmittelbar ein Kapitel über das "Interesse der Vernunft bei diesem ihrem Widerstreite" (A462/B490) folgen. Darin geht es unter anderem um das praktische Interesse und damit auch um die "Grund

1 Einleitung und Übersicht

VHDL-Synthese, 2015

Auch Weber (2014, 100) unterscheidet drei Ebenen der Ökonomisierung von Gesellschaften: auf "der Ordnungsebene als Übertragung der Marktlogik auf bisher verschonte Bereiche", "der Prozessebene als Ausrichtung aller Prozesse auf Produktivität und Effizienz" und "der Subjektebene als Zwang des Individuums zur Selbstoptimierung". Einschränkend zur Kritik an der Ökonomisierung schreibt Weber (ebd.), "dass mit oder ohne Marktlogik wirtschaftliche Entscheidungen" immer schon die Knappheit der Mittel zu beachten hätten und "die Kritik" an der Ökonomisierung sich "stärker [an der] Ausrichtung der Kapitalverwertung an ökonomischen Kennziffern, die v.a. Kostensenkung und Gewinnmaximierung messen", orientieren müsste. Mit der Ökonomisierung einhergehen die Privatisierung staatlicher Aufgaben bzw. öffentlicher Güter und sog. öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) Einleitung und Übersicht 17 oder Public Private Partnership (PPP), bei denen Private im öffentlichen Auftrag z.B. Autobahnen bauen 16. Beispiele für Privatisierung (in Deutschland) sind u.a.: die Bundespost 17 , die Bundesbahn, die Luftraumüberwachung 18 , Luftsicherheitskontrollen an Flughäfen (mit Mängeln 19), Wachpersonal in Gefängnissen, militärische Aufgaben (so übernehmen Beschäftigte aus der Rüstungsindustrie Aufgaben der Bundeswehr in Afghanistan 20).-Die neueste Idee sind nun "staatliche Infrastrukturgesellschaften", die als Geld-Sammelstellen von ‚Privaten' fungieren und damit öffentliche Infrastruktur-Maßnahmen finanzieren 21 .-Diese Idee ist ähnlich kritisch zu sehen wie der gesamte ÖPP-Komplex, da auch hier wiederum Gewinnmitnahmen, ‚Rosinenpickerei' u.Ä. durch private Investoren stattfinden wird. Nach einer Meldung des Tagesspiegel (12.11.2014 22) gehe es "in der Privatisierungsdebatte vor allem um die beiden Bonner Großkonzerne [Post und Telekom] und weitere Beteiligungen wie die Flughäfen in München oder Köln/Bonn. An den Telekom-Aktien hält der Bund direkt und über die staatseigene KfW-Bank [23] noch 31,7 Prozent. Das Paket ist derzeit rund 17,8 Milliarden Euro wert. An der Post hält der Staat über die KfW rund 21 Prozent, ein Wert von aktuell 6,3 Milliarden Euro". Ein "Bahn-Börsengang" so der Tagesspiegel-gelte "als praktisch ausgeschlossen". 16 Vgl. hierzu einen "Bericht" des Bundesrechnungshofes "an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages" (04.06.2014) zu ÖPP und "Bundesfernstraßen". Der Bundesrechnungshof kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass ÖPP für den Staat (in vielen Fällen) teurer ist. Dieses Ergebnis erstaunt insofern nicht, da die Privatunternehmen u.a. Gewinnaufschläge in die Rechnung einkalkulieren.-Die Welt (11.

Hinführung zum Thema und Zusammenfassung der Beiträge

Praxeologie, 2014

Hinführung zum Thema und Zusammenfassung der Beiträge "Praxeologie" bezeichnet eine konzeptionelle Verdichtung praxistheoretischer Theorieansätze, die derzeit in den Kulturwissenschaften hoch im Kurs stehen. Sogar von einem neuen "Practice" bzw. "Material Turn" ist bereits die Rede.1 In den letzten Jahren erschienen zahlreiche Publikationen, die sich vor allem aus soziologischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive mit der Praxeologie auseinandersetzen, darunter Studien zur Theorieentwicklung, fachspezifische Adaptionen, aber auch bereits erste einführende Darstellungen.2 Schon allein der Umfang praxeologischer Grundlagentexte und darauf basierender konzeptioneller bzw. disziplinärer Weiterentwicklungen macht deutlich: Die theoretischen Grundsteine sind gelegt. Im Kontrast dazu steht jedoch eine noch zögerliche empirische Anwendung der Praxeologie. Der vorliegende Band möchte daher nicht in erster Linie zur konzeptionellen Ausdifferenzierung des Ansatzes beitragen, sondern über den Stand, die Möglichkeiten und Grenzen seiner forschungspraktischen Anwendung Auskunft geben. Entwickelt hat sich die Praxeologie aus einem Strang der Kulturtheorien, die sich von einem strukturalistischen, normativen Kulturverständnis abwenden und stattdessen die praktische Handhabung und Produktion von Kultur im Handeln der Akteure in den Vordergrund stellen. In den Fokus rücken somit konkrete Akteure und deren Praktiken. Damit ist jedoch keineswegs die Rehabilitation einer rationalistischen, individualistischen Handlungstheorie verbunden.3 Schließlich liegen die Ursprünge der Praxeologie in der Kulturtheorie. Ihr Ziel ist es, die performative, materielle Dimension der Produktion von Sinn zu erfassen, also den Beitrag von Praktiken zur sozialen Konstruktion von Wirklichkeit zu analysieren. Als Stichwortgeber und theoretische Referenz dienen der Praxeologie unter anderem die Arbeiten von Pierre Bourdieu, der etwa im Begriff des Habitus auf die Reproduktion kultureller Ordnungen durch implizit vollzogene, inkorporierte Praktiken verweist.4 Auch die Arbeiten der Cultural Studies flossen in die praxeologische Theoriebildung ein. Zu nennen wären hier insbesondere die Artefakt-Theorien und die Theorien des Performativen, wie sie etwa von Bruno Latour oder Judith Butler formuliert wurden.5 Wie sich in

Das Problem des Anfangs: Kontinuität oder Bruch?

2023

Das Problem des Anfangs der Philosophie stellt einen besonderen Fall einer umfassenderen Auseinandersetzung zwischen transzendentalen und spekulativen Auffassungen des Idealismus dar. In gleicher Weise prägt dieses Problem auch einen der Aspekte, durch die die Kontinuität oder Bruch zwischen der Transzendentalphilosophie der Vor-und Nachkriegszeit interpretiert werden kann. Als solcher bezieht sich seine Entwicklung explizit auf die Geschichte der gegenwärtigen Transzendentalphilosophie. Innerhalb dieser Geschichte versuchen wir also, eine vergleichende Sichtweise zu formulieren. Diese Aufgabe hat eine erste prinzipielle Einschränkung, wenn sie als Kontrast zwischen Neukantianismus und Post-neukantianismus interpretiert wird. Aus hermeneutischer Perspektive stellen die beiden Richtungen, die wir in ihrer Kontinuität oder Bruch zu artikulieren versuchen, besondere Schwierigkeiten dar. Was die neukantianischen Philosophen zum Problem des Anfangs zu sagen hatten, übersteigt sowohl historisch als auch systematisch die Möglichkeiten dieses Beitrages. Dasselbe ließe sich über den Post-neukantianismus sagen, wobei erschwerend hinzukommt, dass diese neue Tradition im Gegensatz zum Neukantianismus keine in sich geschlossene Totalität artikuliert.3 Auch wenn die Wurzeln des Post-neukantianismus in der Nachkriegszeit relativ fest verankert sind, handelt es sich doch um eine lebendige, sich entwickelnde Strömung, die, wenn sie den Anspruch erhebt, geschichtsphilosophisch zu sein, von uns nur mit Unsicherheit betrachtet werden kann. Die Kontinuität oder Bruch zwischen den beiden

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